Chef-Schicksal: Japanische Firmen in der Bundesrepublik bezahlen ihre deutschen Führungskräfte sehr gut – und behandeln sie schlecht
Günter Hoyer ist kein großer Anhänger des japanischen Managements. Jedenfalls nicht mehr. Der Mann arbeitete 17 Jahre lang mit großem Erfolg als Verkaufsdirektor bei der Fotofirma Konica. Doch plötzlich war er nicht mehr gefragt.
Hoyer: „Mein japanischer Chef ließ mich immer deutlicher spüren, daß er meine 17 Jahre Markterfahrung nicht mehr brauchte.“ Ein Fehlurteil: Nach Hoyers Ausscheiden fiel Konicas Marktanteil bei Fotopapieren in Deutschland nach Insider-Berechnungen von 30 auf heute 14 Prozent.
Manager-Schicksal. Ausgesucht, ausgesaugt, ausgemustert. Japanische Unternehmen in der Bundesrepublik machen ihren deutschen Führungskräften das Leben schwer.
Über 700 Firmen mit mehr als 66 000 Beschäftigten und etwa 45 Milliarden Mark Umsatz haben sich – nach einer Studie der Unternehmensberatung Heidrick & Struggles – bis heute hier angesiedelt.
Für diese Auslands-Niederlassungen brauchten die Japaner einheimische Führungskräfte. Grund: Die deutschen Bosse kennen den Markt, haben die richtigen Verbindungen und können sich besser mit den Gewerkschaften arrangieren.
Doch wer sich als Manager mit einer Nippon-Firma einläßt, den verläßt oft der berufliche Erfolg: Er wird von wichtigen Insider-Informationen abgeschnitten, an der kurzen Leine geführt, von seinen japanischen Kollegen ausspioniert und trotzdem nie zur Nummer eins aufsteigen.
Mißtrauen.
Für die Männer aus Fern- ost sind alle West-Manager Fremdlinge. James A. Cramer, Direktor der University of Maryland (USA): „Sie sehen in uns keine vertrauenswürdigen Menschen, sondern nur talentierte Söldner.“ Zynischer Spruch in der Hamburger Hitachi-Niederlassung: „Wir sind doch sowieso nur ihre weißen Neger.“
An die Epoche der Sklavenhaltung erinnern zumindest die Arbeitszeiten. Fast alle japanischen Manager sind es gewohnt, bis spät in der Nacht für die Firma zu schuften.
Sie verstehen nicht, daß ihre deutschen Kollegen vor und nach der Arbeit so etwas wie ein Privatleben haben. Günter Hoyer: „Wenn ich morgens mal zehn Minuten später kam, stand unser japanischer Geschäftsführer schon am Fenster und guckte auf die Uhr.“
Geheimniskrämerei. Japanische Chefs knausern gern mit ihren internen Firmenkennzahlen – auch gegenüber ihrem deutschen Management. Ein ehemaliger Mazda-Direktor: „Lang- fristige Pläne wurden vor uns geheim-gehalten.“
Zum gleichen Ergebnis kommt eine Studie des Wiesbadener Personalberaters Heinz-Joachim Heise. Er befragte 23 deutsche Manager über ihre Erfahrungen mit Mentalität und Führungsstil fernöstlicher Chefs („How Japanese work out as bosses in Germany“).
Wichtigstes Resultat: Fast neunzig Prozent der deutschen Manager sind der Meinung, daß die japanischen Vorgesetzten ihre Position nur behaupten, indem sie über exklusive, nur ihnen bekannte, Informationen verfügen.
Das einfachste Mittel zur Abschottung: Die japanische Sprache – denn die versteht oder spricht kaum ein deutscher Manager.
Das wäre auch nicht gut für seine Karriere: Über 78 Prozent der NipponFirmen in Deutschland wollen keine Führungskräfte mit Japanisch-Kenntnissen. Der Mazda-Manager: „Das ist für die fast schon ein Kündigungsgrund.“
Besserwissertum. Japanische Bosse hören zu selten auf ihre deutschen Führungskräfte – finden die deutschen Führungskräfte. Schließlich verstehen sie, naturgemäß, mehr vom Markt in Germany. Jürgen Osterloh, ehema- liger Leiter des Rechnungswesens bei Bridgestone-Reifen: „Die Japaner kannten sich anfangs überhaupt nicht aus. Eine Katastrophe.“
Trotzdem wollen die Männer aus Fernost – nach der Eingewöhnungszeit – alles besser wissen. Ein ehemaliger Automanager: „Zwar hat mich die Firma bis zum Direktor hochgejubelt, aber ich hatte effektiv immer weniger zu sagen.“ Gleichzeitig holte das Unternehmen ständig neue Japaner ins Top-Management: Eine Parallel-Organisation, die alle Aktivitäten der deutschen Führungscrew nachprüfte.
Abhängigkeit. Für die meisten japanischen Manager ist ein guter Draht zur Konzernzentrale das Wichtigste. Sie wissen: Irgendwann müssen sie wieder zurück in die Heimat.
Deshalb tun sie alles, was die Führungscrew in Tokio will – auch bei unsinnigen Entscheidungen. Jürgen Haake, ehemaliger Vertriebschef bei der Kamerafirma Pentax: „Bei einer Anordnung aus Japan ist jeder Widerspruch zwecklos.“
Ebenso zwecklos wie ein Auflehnen gegen das Rotationsprinzip. Japanische Führungskräfte müssen alle zwei, drei Jahre den Job wechseln – etwa vom Ressort Finanzen zur Technik. Oder sogar zurück nach Japan. Beim Management-Wechsel-Dich-Spiel haben die deutschen Führungskräfte meist schlechte Karten.
Auch bei Konica. Nippons Neuer war zwar ein exzellenter Kenner des Markts in Japan, sollte aber von einem Tag auf den anderen im deutschen Marketing brillieren. Günter Hoyer: „Er hatte kaum Erfahrung, zog aber trotzdem die meisten meiner Aussagen in Zweifel.“
Leichte Zweifel verdienen auf jeden Fall Akio Tanii´s Versprechungen. Der Mann ist Präsident des japani- schen Unterhaltungselektronik-Konzerns Matsushita (
[Links nur für registrierte Nutzer], Technics) und predigt die Internationalisierung: „Jedes japanische Unternehmen in Deutschland sollte für vollkommen deutsch gehalten werden.“ Kleine Kontrolle: Matsushita hatte in Deutschland noch nie einen deutschen Geschäftsführer. Aber dafür 19 Jahre lang immer nur Japaner. n
MANAGER-KNIGGE
Der richtige Umgangston
1. Kritisiere niemals einen Japaner vor seinen Kollegen. Das brüskiert ihn und bedeutet einen nicht wieder gutzumachenden Gesichtsverlust.
2. Sage niemals „nein“ zu einem Japaner. Er würde eine Ablehnung immer höflich und nuancenreich formulieren.
3. Versuche niemals, einen Japaner mit westlicher Logik zu beeindrukken. Das ist zu primitiv – er beurteilt komplizierte Zusammenhänge komplexer.
4. Verlange niemals zu früh von einem Japaner Vertrauensbeweise. Aber wenn ein Mann aus Nippon dem „Westerner“ vertraut – dann für immer.
SCHMERZENSGELD
Die Japaner kommen nicht ohne westliche Hilfe aus. Marius Ion Nedelcu, Personalberater bei Leaders-Trust: „Sie haben Schwierigkeiten, sich dem Markt anzupassen.“ Deshalb holen sich die Japaner einheimische Manager – vor allem für Marketing und Vertrieb. Die Ressorts Geschäftsführung und Finanzen geben sie nicht aus der Hand. Nedelcu: „Ein Deutscher hat, außer bei
[Links nur für registrierte Nutzer], keine Chance, an die Spitze einer japanischenFirma zu kommen.“ Ein Verzicht, den sich die Japaner einiges kosten lassen. Nedelcu: „Sie zahlen höhere Löhne als deutsche Firmen – ein Schmerzensgeld für mangelnde Kompetenzen.“
MANAGER ZWEITER KLASSE
Wie japanische Firmen ihre deutschen Mitarbeiter beurteilen
Sie halten Deutsche für faul . . .
Anwesenheit der deutschen Beschäftigten am Arbeitsplatz
sehr hoch oder hoch 9,7 %
durchschnittlich 20,0 %
gering oder sehr gering 68,9 %
keine Angabe 1,4 %
. . . und trauen ihnen nicht.
Deutsche in Führungspositionen in der japanischen Konzernzentrale
bereits erfolgt 0,9 %
sehr wahrscheinlich 0,9 %
wahrscheinlich 10,2 %
nur gering wahrscheinlich 24,9 %
unwahrscheinlich 50,2 %
...
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