Nach dem Zweiten Weltkrieg öffnete sich England der Immigration – allerdings ohne Konzept und mit britischem Laissez-faire. Jetzt erschrickt das Land über die Folgen.
492 karibische Passagiere hatte das Schiff auf seiner einzigen zivilen Fahrt auf dem Weg von Australien nach England in der letzten Maiwoche 1948 in Kingston, Jamaika, an Bord genommen, ausnahmslos Männer. In England seien die Straßen mit Gold gepflastert, hatten jamaikanische Schifffahrtsagenten verbreiten lassen.
Die Wirklichkeit sah anders aus. Wie 2013 darbte Großbritannien auch 1948 an strenger Austerity, Lebensmittel waren noch rationiert, die Stimmung gedrückt, Unterkunft schwer zu finden, Arbeit ebenfalls – kein Willkommen erwartete die Einreisenden, als sie am 22. Juni 1948 in der Themse andockten und von der "Empire Windrush" an Land gingen.
"Die Ankunft einer so beträchtlichen Zahl von Menschen, und das ohne organisierte Vorkehrungen, muss Schwierigkeiten und Enttäuschungen hervor rufen", warnte Arbeitsminister George Isaacs, noch ehe das Schiff überhaupt eingetroffen war.
"Ich hoffe, man wird keine Ermunterung aussprechen für andere, dem zu folgen." Eine rührende Mahnung, von der Geschichte völlig überrollt. Unter den Engländer herrschte damals teilweise noch praktizierte Apartheid. "No Blacks. No Dogs", starrte den Ankömmlingen vor manchen Unterkünften entgegen.
Die Masseneinwanderung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts brachte vorrangig farbige, nicht-weiße Menschen auf die Insel – das wurde zu einer neuen Herausforderung für die traditionelle Liberalität des Landes.
1968: "Wir müssen wahnsinnig sein, buchstäblich wahnsinnig", so intonierte Powell, "um als Nation den jährlichen Zufluss von um die 50 000 Immigranten zuzulassen. Es ist, als schaue man einer Nation dabei zu, wie sie ihren eigenen Scheiterhaufen aufschichtet."
Powell hatte an das Unberührbare gerührt und sich zum Sprachrohr der schweigenden Mehrheit gemacht. Die stimmte ihm enthusiastisch zu, wie tausende von Zuschriften und spontane pro-Powell Demonstrationen belegten. Die politische Klasse reagierte anders. Edward Heath, damals Vorsitzender der Tories, entließ den Parteifreund prompt aus dem Schattenkabinett,
Doch wenn aus 50.000 jährlichen Einwanderern zur Zeit Enoch Powells "River of blood"-Rede heute im Durchschnitt 500.000 geworden sind, ein wenig verringert nur durch die Zahl der gleichzeitigen Auswanderer, rückt die Notwendigkeit zum Handeln, zu kontrollierter Immigration, unabweisbar auf die Agenda.
Zu spät? Plötzliche Abwehrreaktionen, wie gegenüber den befürchteten Strömen aus Rumänien und Bulgarien, lassen darauf schließen: sie haben etwas Panikartiges an sich. Ein Land wehrt sich gegen die Folgen seiner Attraktivität.
Zahlt nicht jede Gesellschaft einen Preis für ihre besten Qualitäten?
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