Ich sehe im wesentlichen drei Probleme, die den Bestand der Partei gefährden. Ich will sie hier einigermaßen ausführlich beschreiben:
1. Der Verlust „bürgerlicher“ Mitglieder
Das erste Problem ist untrennbar verbunden mit dem Schmuddelimage, das politische und mediale Gegner der AfD in der öffentlichen Wahrnehmung verpasst haben. Hierauf gibt es in der Partei im wesentlichen zwei Reaktionen. Ein Teil der Partei hat sich damit abgefunden und betrachtet es als den notwendigen Preis, den man bezahlen müsse, wenn man gegen den „Mainstream“ agiere. Ein anderer Teil der Partei aber ist zunehmend besorgt, weil die Mitgliedschaft in der AfD immer öfter vom Arbeitgeber missbilligt wird, weil sie zu beruflichen Nachteilen führt, weil Kunden verloren gehen und weil man sich sozial ins Abseits gerückt sieht, wenn man merkt, dass Freunde und Bekannte, ja manchmal sogar Familienmitglieder auf Distanz gehen. Und diese Mitglieder ziehen sich resignierend zurück und verlassen früher oder später die Partei.
Solche Entwicklungen haben in den letzten Monaten in beunruhigendem Maße zugenommen: Mitglieder treten aus oder kündigen mir ihren Austritt an, wenn sich das Ansehen der AfD in der Öffentlichkeit nicht sehr bald wieder bessere. Und es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern um eine inzwischen weitverbreitete Stimmung insbesondere im bürgerlichen Kern unserer Partei. Hier spielt sich ein schleichender, aber sich beschleunigender Erosionsprozess ab, der inzwischen auch verdiente, aktive Funktionsträger erfasst hat – Menschen, die sich seit unserer Gründung unermüdlich für die AfD eingesetzt haben.
Wir müssen diese Entwicklung unbedingt stoppen. Ich widerspreche hier energisch Herrn Gauland, der im Handelsblatt (und mir persönlich) gesagt hat, er wolle nicht auf das Bürgertum setzen, denn wir seien eine Partei der kleinen Leute. Ich kann vor dieser Strategie nur eindringlich warnen. Wer die AfD zu einer Partei der „kleinen Leute“ machen will, zerstört die AfD, in der „bürgerliche“ Mitglieder einen ganz wesentlichen Teil der Mitgliedschaft ausmachen.
Die AfD ist keine Partei der kleinen Leute, sondern eine Volkspartei, die allen Schichten des Volkes eine Heimat bietet. Gute Politik besteht darin, dass man nicht allein den Interessen einer bestimmten Klientel dient, sondern einen vernünftigen Interessenausgleich erwirkt - auch zwischen den Gruppen, die man etwas holzschnittartig als „bürgerlich“ oder als „kleine Leute“ bezeichnen mag.
Um von diesen Klischees schnell wieder wegzukommen: Ein seriöses Image der AfD ist wichtig für viele Mitglieder, die mitten im Beruf stehen, die auf ein berufliches Fortkommen hoffen und in ihrem Freundeskreis nicht mit schiefen Blicken bedacht werden möchten. Wir wollen die AfD-Mitgliedschaft ja nicht verstecken müssen, sondern wir wollen stolz darauf verweisen und für die AfD werben können.
Viele von uns haben einen Ruf zu verlieren und jeder, der in der AfD Verantwortung trägt, ist verpflichtet, den guten Ruf der Mitglieder zu schützen. Deshalb muss er das Ansehen der Partei fördern und alles vermeiden, was dazu führen könnte, dass allein die bloße Parteimitgliedschaft von unseren Mitgliedern als rufschädigend wahrgenommen wird.
Nun sind es natürlich insbesondere die Medien, die das Image der AfD prägen. Aber so gehässig dies zum Teil geschieht, so ist es doch nicht so, dass wir nicht ebenfalls Einfluss darauf haben, wie die AfD wahrgenommen wird. Und hier fehlt es oft an Verantwortung derer, denen ein angeschlagener Ruf der AfD eher egal ist. Wer glaubt, der AfD mit steilen Thesen, scharfer Kante und provokativen Aktionen einen Gefallen zu tun, der übersieht, welchen Schaden er tatsächlich der Partei zufügt, weil er wertvolle Mitglieder vertreibt und so zur Entbürgerlichung der AfD beiträgt. Manche mögen das beabsichtigen. Klügeren sollte klar sein, dass die Partei zerbrechen wird, wenn dieser Prozess weiter vorangetrieben wird.
2. Grundausrichtung und inhaltliche Grenzen der AfD
Das zweite große Problem liegt in der Grundausrichtung der Partei bzw. in den inhaltlichen Grenzen, die sich die AfD setzt. Dabei geht es nicht um eine Abgrenzung zum Rechtsradikalismus. Diese ist für alle Parteimitglieder selbstverständlich. Sondern es geht darum, klar zu sagen, wofür die AfD steht und für welche Positionen sie nicht steht. Der Bürger muss wissen, was die AfD vertritt und auch die AfD-Mitglieder müssen sich darauf verlassen können, dass sie nicht für Vorstellungen in Haftung genommen werden, die ihren eigenen diametral entgegengesetzt sind.
Gewiss: Es gibt viele politische Fragen, bei denen es geradezu zu den Stärken einer Partei gehört, dass sie unterschiedliche Meinungen vereint. Dass in der AfD konservative, liberale, soziale und libertäre Ideen vertreten werden, ist gut, weil dies die Grundlager lebendiger Diskussionen ist. Aber es gibt auch besonders grundlegende Positionen, die Mitglieder als nicht verhandelbar ansehen. Jedes Mitglied hat rote Linien, die nicht überschritten werden können, ohne dass es die Partei verlässt.
Auch hier gibt es, vereinfacht gesprochen, zwei sehr unterschiedliche Gruppen von Mitgliedern. Die eine Gruppe kritisiert wichtige politische Fehlentwicklungen (z. B. Euro, Energiepolitik, Bildungspolitik, Einwanderungsgesetze, Demokratiedefizite), akzeptiert aber die wesentlichen gesellschaftlichen Grundentscheidungen der Bundesrepublik Deutschland. Die andere Gruppe stellt eben diese in Frage, sie äußert sich deshalb in den unterschiedlichsten Akzentsetzungen neutralistisch, deutschnational, antiislamisch, zuwanderungsfeindlich, teilweise auch antikapitalistisch, antiamerikanisch oder antietatistisch. Es fallen in diesem Zusammenhang auch unpräzise (aber bezeichnende) Kampfbegriffe wie Mainstream, Establishment, Systemfrage.
Die programmatische Beschlusslage der AfD ist eindeutig im Sinne der ersten Gruppe – und ich bin der festen Überzeugung, dass diese die große Mehrheit der Parteimitglieder ausmacht. Vielleicht ist aber eben dies der Grund dafür, dass die zweite Gruppe ihre Vorstellungen besonders vehement und laut vorträgt. Dies wiederum provoziert Vertreter der ersten Gruppe und darüber entbrennt ein heftiger Streit, der das Ansehen der AfD in der Öffentlichkeit schädigt.
Wir alle wünschen uns Harmonie in der Partei – und immer wieder werden angesichts des fortgesetzten Streits Rufe zum Zusammenhalt laut. So verständlich dies ist: Ich glaube nicht, dass Appelle zur Geschlossenheit hier weiterhelfen. Die Grundvorstellungen dieser beiden Gruppen sind unvereinbar, auch wenn man in Einzelfragen Kompromisslösungen erreichen kann. Tatsächlich aber ist es ein Streit darüber, ob die Grundausrichtung der Partei hin zu dem radikalen, systemkritischen Ansatz verschoben werden soll. Ich hielte das für fatal, aber wir haben den Streit und er muss entschieden werden. Dies umso mehr als sich damit auch entscheidet, welche Personen die Partei künftig vertreten sollen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns Mut zur Klarheit haben. Es nützt nichts, Konflikte zuzukleistern - man muss sie lösen. Der Konflikt über die Grundausrichtung der Partei muss entschieden werden und auch wenn diese Entscheidung zu Mitgliederverlusten auf der einen oder anderen Seite führen wird, halte ich dies für besser, als dass die Partei sich in einem ständig schwelenden und immer wieder aufflackernden Streit über Monate oder Jahre hin zerreibt. Dies ist weder unseren Mitgliedern, noch unseren Funktionsträgern noch unseren Wählern zuzumuten. Deshalb: Je eher wir diese Entscheidung treffen, desto besser.
Übrigens überlappt dieses zweite Problem (die Grundausrichtung der Partei) natürlich mit dem ersten Problem (die drohende Entbürgerlichung). Und auch die am Anfang von mir bereits erwähnten Stilfragen spielen hier eine große Rolle. Insbesondere in den geschlossenen Facebookgruppen, in den Foren, die nur die Freaks kennen, oder in Netzwerken Gleichgesinnter werden fundamental-oppositionelle Vorstellungen teilweise in einem Ton vorgetragen, der moderate Parteimitglieder erschauern lässt.
3. Karrieristen, Querulanten und Intriganten.
Das dritte große Problem der AfD ist einfach beschrieben: Es gibt Mitglieder, die aus ganz unpolitischen Gründen große Aktivitäten in der Partei entfalten. Manche wittern in der Partei die berufliche Chance eines bislang eher erfolglosen Erwerbslebens, andere sehen die Bedeutung ihrer Person dadurch hervorgehoben, dass sie bei allen passenden Gelegenheiten irgendwelche Schwierigkeiten machen und wieder andere (oder auch die gleichen) empfinden eine klammheimliche Freude daran, Parteifreunde mit Intrigen Schwierigkeiten zu machen.
Dies alles gibt es sicherlich auch in den Altparteien – vielleicht sogar im selben Umfang. Aber die Altparteien haben die zuvor beschriebenen Probleme der AfD nicht. Und genau diese Probleme bieten Karrieristen, Querulanten und Intriganten die trefflichsten Gelegenheiten der Selbstverwirklichung. Wem es mehr um das eigene Fortkommen als um politische Inhalte geht, der paktiert auch mit den Falschen, wenn dies die Gelegenheit schafft, vermeintliche Konkurrenten aus dem Wege zu räumen. Auch Querulanten und Intriganten richten sich naturgemäß gegen die, die in den bestehenden Strukturen arbeiten und nutzen deshalb gerne die Möglichkeit, denen zu dienen, die am liebsten das Bestehende umstürzen würden. So erhalten Kräfte in der Partei Auftrieb weit jenseits ihrer tatsächlichen Bedeutung. Manches Resultat dieser vereinten Anstrengungen haben wir in den vergangenen Wochen auf Mitgliederversammlungen und Parteitagen gesehen – und es war nicht zum Vorteil der AfD.
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