Ungarns Konservative schlagen alle Warnungen in den Wind und beschliessen die umstrittene Verfassungsreform. Diese richtet sich gegen das Verfassungsgericht, unverheiratete Eltern und Obdachlose.
Die Opposition blieb der Abstimmung fern: Leere Plätze im ungarischen Parlament. (11. März 2013) Bild: AFP
Trotz massiver Kritik im In- und Ausland hat das ungarische Parlament eine umstrittene Verfassungänderung beschlossen. Die Abgeordneten der Mitte-rechts-Koalition unter Viktor Orbán beschlossen unter anderem mehrere Regelungen, die das Verfassungsgericht zuvor verworfen hatte. Auch die Arbeit der Verfassungsrichter schränkte das Parlament ein. 265 Abgeordnete stimmten für die von der Regierung vorgeschlagenen Änderungen an der Verfassung. Elf Parlamentarier sprachen sich dagegen aus, 33 enthielten sich. Die grösste Oppositionspartei, die Sozialisten, boykottierten die Abstimmung.
Die Regierungsmehrheit im Parlament hatte die umstrittenen Regelungen bereits als einfache Gesetze beschlossen. Das Verfassungsgericht hob sie dann allerdings wieder auf. Nun schrieb das Parlament die Regelungen in die Verfassung – und beschnitt zugleich die Befugnisse des Verfassungsgerichts.
Nur formale Prüfung
Künftig dürfen die Verfassungsrichter Gesetze demnach nicht mehr inhaltlich bewerten. Prüfen dürfen sie lediglich den gesetzgeberischen Akt. Auch der Staatspräsident darf neue Gesetze nur noch formal prüfen – und muss sie dann unterschreiben. Das Verfassungsgericht darf sich zudem in Urteilen nicht mehr auf seine Rechtsprechung vor Inkrafttreten der Verfassung Anfang 2012 berufen.
Der besondere Schutz der Familie gilt den neuen Beschlüssen zufolge nur für verheiratete Paare aus Mann und Frau, mit oder ohne Kinder. Unverheiratete Eltern etwa geniessen diesen besonderen Schutz nicht. Für die Anerkennung von Religionen ist künftig nicht mehr die Justiz des Landes, sondern das Parlament zuständig. Es muss seine Entscheidungen nicht begründen.
Betroffen von den Änderungen sind auch Studenten: Wer gebührenfrei an ungarischen Universitäten studieren möchte, muss sich künftig verpflichten, anschliessend im Land zu bleiben. Die Behörden dürfen ausserdem Obdachlose inhaftieren, wenn diese auf der Strasse schlafen.
Besorgte EU
«Diese Änderungen rufen Besorgnis hervor im Hinblick auf das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, die EU-Gesetze und die Standards des Europarats», erklärten EU-Kommissionschef José Manuel Barroso und der Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, am Montag. Experten der Institutionen sei «unglücklicherweise» nicht die Möglichkeit gegeben worden, «die Einzelheiten der Änderungen vor ihrer Annahme zu diskutieren und zu klären».
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