[Links nur für registrierte Nutzer] 31.03.2010 10:39 +Feedback
[Links nur für registrierte Nutzer] Pädagogik und Pädophilie sind nicht nur sprachlich verwandte Begriffe, es ist auch schwer zu sagen, wo das eine Phänomen aufhört und das andere anfängt. Die gegenwärtige Debatte um den massenhaften Missbrauch von Kindern in katholischen Einrichtungen und fortschrittlichen Erziehungsanstalten wie etwa der Odenwaldschule macht eine weitere Gemeinsamkeit klar: die Tendenz zum Bagatellisieren, Relativieren und Historisieren der Vorgänge, sobald es um das eigene Haus, die eigene Kundschaft oder die eigene Weltanschauung geht. Kinderficker, das sind immer die anderen.
Der Oberguru der sogenannten Reformpädagogik, Hartmut von Hentig, gab vor kurzem Spiegel online ein schriftliches Interview, in dem er erklärte, warum er nichts von den pädophilen Neigungen des langjährigen Leiters der Odenwaldschule, Gerold Becker, mitbekommen habe, der jahrzehntelang Hentigs Lebensgefährte war. Das, was «der grosse, alte Mann der Reformpädagogik, eine Koryphäe und ein Idol» (Spiegel) in diesem Interview sagt, erinnert an die Erklärungen der guten Deutschen aus der NS-Zeit, die auch nichts mitbekamen, was mit den Juden passierte, weil sie so sehr damit beschäftigt waren, ihren eigenen Alltag zu organisieren. Er habe, sagt von Hentig, «in der Regel im offiziellen Gästezimmer der Schule» übernachtet und habe tagsüber in Beckers «Wohnung sitzend, meine eigenen mitgebrachten Arbeiten» erledigt. Einmal allerdings sei er mit Becker und einem zehnjährigen Jungen nach Griechenland gereist und habe sich unterwegs gefragt: «Bin ich eifersüchtig auf das Einvernehmen der beiden?»
Diese Eifersucht sei aber nur die Beschreibung einer «klassischen» pädagogischen Situation gewesen, in der ein Kind einen Erwachsenen «ganz für sich haben» wollte.
Von solchen Aussagen Hentigs völlig unbeeindruckt, gab die grüne Politikerin Antje Vollmer, von 1994 bis 2005 auch Vizepräsidentin des Bundestages, dem Berliner Tagesspiegel ein Interview, in dem sie sagte, Hentigs Vertrauen sei von Journalisten ausgenutzt worden, «um ihn zum Tontaubenschiessen freizugeben . . ., das war journalistischer Missbrauch».Nach dieser Klarstellung war «der grosse, alte Mann der Reformpädagogik» das Opfer von Missbrauch und nicht die Kinder, die dem pädagogisch-pädophilen Charme seines Lebensgefährten Becker erlegen waren. Dabei hat gerade Antje Vollmer ein Herz für Kinder. Sie setzte sich für eine Änderung des Wahlrechts ein, um Kindern «von Geburt an» das Wahlrecht zu geben.
Ende März kam es im Bundestag zu einem kleinen Eklat, als die CDU-Abgeordnete Erika Steinbach die grüne Fraktion fragte, wie sie zu einem Beitrag ihres Kollegen Volker Beck für ein Buch mit dem Titel «Der pädosexuelle Komplex» aus dem Jahre 1988 stehen würde, in dem der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen eine «Entkriminalisierung der Pädosexualität» gefordert hatte. Worauf der Abgeordnete Beck aufsprang und erklärte, man müsste nur bei Google nachsehen, um zu erfahren, dass es sich um einen «in dieser Form nicht autorisierter Artikel von einem Herausgeber» gehandelt habe, der unter dem Pseudonym Angelo Leopardi gearbeitet hatte, «in Wirklichkeit war es ein Herr Hohmann». Er, Volker Beck, habe sich «mehrfach davon distanziert».