USA machen Druck: Verschlüsselungsdienste geben auf
Die USA schaffen mit ihrem Spähprogramm das Briefgeheimnis im Internet faktisch ab. Drei deutsche E-Mail-Anbieter bieten sich als Alternative an: Sie versprechen, dass die Nachrichten der Nutzer geheim bleiben.
Düsseldorf 09.08.2013, 11:56 Uhr
Die amerikanische Rechtsprechung garantiert das Briefgeheimnis. Im Internet bleibt davon aber nicht mehr viel übrig, wie ein aktueller Fall drastisch zeigt: Lavabit, ein Dienst für verschlüsselte E-Mails, hat offenbar unter dem Druck der US-Behörden geschlossen. Er habe vor der Alternative gestanden, sich an „Verbrechen gegen das amerikanische Volk“ schuldig zu machen oder aus dem Geschäft zu gehen, teilte Eigentümer Ladar Levison in einer verbitterten Nachricht an die Nutzer mit.
Wenige Stunden später machte auch die US-Firma Silent Circle ihren Dienst für verschlüsselte E-Mails dicht. Es habe noch keine Durchsuchungsbefehle gegeben, wie sie schreibt, aber: „Wir erkennen die Zeichen der Zeit.“ Nach dem Motto: Lieber den Betrieb einstellen als Daten rausgeben. Immerhin bietet Silent Circle noch andere Dienste an.
Was bei Lavabit genau geschehen ist, lässt sich nur erahnen, denn die Firma darf sich dazu nicht äußern. Doch der Fall weckt Erinnerungen: Auch Internet-Konzerne wie Google, Facebook und Microsoft dürfen nicht offenlegen, welche Nutzerdaten der Geheimdienst NSA bei ihnen sammelt. Beides passt zusammen: Es sieht ganz so aus, als ob die Schnüffler mit dem Vorgehen gegen geheime E-Mails einen blinden Flecken ihres Überwachungsapparates beseitigen wollen.
Aus Sicht des Geheimdienstes wäre die Schließung nachvollziehbar. Unverschlüsselte E-Mails sind so wenig geheim wie Postkarten; der Inhalt verschlüsselter Nachrichten ist dagegen vor den Augen und Algorithmen der Staatsschnüffler geschützt, sofern diese nicht auf den Rechner des Absenders oder Empfängers zugreifen können. Auch der Whistleblower Edward Snowden, derzeit im Visier der US-Ermittler, soll Lavabit verwendet haben – das erklärt womöglich das rabiate Vorgehen gegen das Unternehmen.
Das Ende von Lavabit und Silent Circle bedeutet: Es wird für Amerikaner schwieriger, im Internet geheim zu kommunizieren. Mit Programmen wie Pretty Good Privacy (PGP) ist das zwar weiterhin möglich (eine Anleitung finden Sie hier), viele Nutzer sind aber nicht in der Lage, sie einzusetzen. „Ich würden jedem dringend davon abraten, seine Privatsphäre einer Firma anzuvertrauen, die eine physische Verbindung zu den USA hat“, schreibt der Lavabit-Eigentümer Levison.
Für mehrere deutsche Unternehmen könnte die Abhöraffäre dagegen eine Chance bedeuten: Die Internetanbieter Web.de und GMX sowie die Deutsche Telekom wollen die Kommunikation mit der Initiative „E-Mail made in Germany“ sicherer machen. Schreiben Nutzer der Dienste sich untereinander Nachrichten, sollen diese künftig automatisch verschlüsselt übertragen und nur in deutschen Rechenzentren gespeichert werden, teilten die Betreiber am Freitag mit. Auch andere Anbieter sollen sich der Initiative anschließen können.
„Die jüngsten Berichte über mögliche Zugriffe auf Kommunikationsdaten haben die Deutschen stark verunsichert“, erklärte Telekom-Chef René Obermann. Die Initiative mache daher die E-Mail-Kommunikation in Deutschland sicherer. Absolute Sicherheit könne das System indes nicht garantieren, erklärte Jan Oetjen, Chef von Web.de und GMX, dem Focus. Es schütze zwar vor den Überwachsungsaktionen Prism und Tempro, aber: „Wir wissen natürlich nicht, welche Methoden künftig noch erfunden werden. Wenn zum Beispiel die Betriebssysteme infiltriert sind, haben auch wir keine Chance.“
Die Anbieter verschlüsseln die Nachrichten jedoch nicht auf dem gesamten Übertragungsweg: Sie liegen unverschlüsselt im Postfach des Nutzers und damit auch auf den Servern des Anbieters. Das Blog Netzpolitik.org kritisierte den Schritt daher als „reine Marketing-Kampagne für eine längst überfällige Einstellung“ der Technik. „E-Mail made in Germany“ sei für normale Kunden einfach zu nutzen, versierte Nutzer hätten aber weiterhin die Möglichkeit, eine zusätzliche Verschlüsselung vorzunehmen, betonte Telekom-Sprecher Philipp Blank auf Anfrage von Handelsblatt Online.
Bereits jetzt gibt es in Europa Dienste, mit denen Nutzer geheim und verschlüsselt kommunizieren können, Posteo etwa. Die niederländische Firma Surfboard Holding, die die anonyme Suchmaschine Ixquick betreibt, baut mit Startmail derzeit einen solchen Dienst auf.
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