Der Cicero schreibt rund um das Thema Palästina und was wohin gehört:
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Jordanien muss einbezogen werden
Artikel 1 nennt den Bezugspunkt der Hamas: den Islam. Das ist legitim, entspricht jedoch nicht genau demokratischen Prinzipien und schon gar nicht der Trennung von Religion und Politik. Nicht-Muslime sind a priori Bürger zweiter Klasse.
Artikel 2 definiert die Landesgrenzen. Sie reichen vom Jordan zum Mittelmeer auf der Ost-West-Achse und von Rosch Hanikra im Norden bis Umm Al-Rashrash, also Eilat am Roten Meer im Süden des heutigen Israel. Im Klartext: Westjordanland plus Israel plus Gazastreifen.
Das ist historisch sowie demografisch bemerkenswert, denn ursprünglich gehörte auch das Ostjordanland, das jetzige Königreich Jordanien, zu Palästina, zumindest seit 1920 zum Mandatsgebiet, das dann der Völkerbund Großbritannien zur Treuhandschaft überließ. Rund drei Viertel der heutigen Staatsbürger Jordaniens sind Palästinenser.
Das bedeutet: Historisch und demografisch gehört Jordanien zu Palästina. 1970 war die PLO drauf und dran, die Macht in Jordanien militärisch zu ergreifen und in Palästina 1 umzuwandeln. Davon ist heute nicht die Rede. Und morgen? Angesichts der Demografie kommt dieses Thema sicher wieder auf die Tagesordnung. Es bleibt in der Charta aber aus taktischen Gründen unerwähnt.
Daraus folgt wiederum: Wer den Konflikt Israel-Palästina lösen will, muss Jordanien so oder anders mit einbeziehen.Historische Grundlagen stimmen nicht
Die Präambel besagt, Palästina sei das Land des arabisch-palästinensischen Volkes. Hier sei dessen Ursprung.
Tatsächlich ist das falsch. Die Vorfahren der Palästinenser waren, so die bisherige Lesart der Palästinenser-Historiografie, die aus dem Alten Testament bekannten Philister. Daher der Name „Palästina“. Die Philister sind weitgehend identisch mit den sogenannten Seevölkern. Diese kamen um 1200 v. Chr. vom Balkan in den Vorderen Orient. Allerdings war und ist der Balkan kein Teil der Arabischen Welt. Ergo: entweder Philister oder Araber oder im Laufe der Zeit Vermischungen. Das Historische der Hamas-Charta wackelt.
Palästina sei ein vom „rassistischen, unmenschlichen und kolonialistischen zionistischen Projekt“ geraubtes Land. Rassistisch ist vieles, und der Konflikt zwischen Arabern und Zionisten ist brutal. Nur rassistisch war und ist er nicht. Rasse war nie ein Thema. Nation sehr wohl. Aber der Begriff ist wortwörtlich ein Schlagwort: Der Gegner soll zumindest und zuerst verbal geschlagen werden.
Palästina sei „die Seele der Humanität“. Ja, das wäre schön. Man schaue auf und in den Gazastreifen, wo die Hamas seit 2007 herrscht.Palästina sei das Herz der arabischen und islamischen Gemeinschaft, verkündet Artikel 7. Das ist sowohl theologisch als auch historisch innerislamisch und innerarabisch revolutionär. Bislang galt die arabische Halbinsel mit Mekka und Medina als Herz jener Doppel-Gemeinschaft.
Von einer religiösen oder historischen (Ver-)Bindung der Juden zu diesem Land kein Wort. Freundlicheres verkündet Artikel 7 für Christen: Palästina sei auch der Geburtsort von Jesus Christus. Von Jesus als Christus, also Messias, ist die Rede. Hier wird entweder islamisch-theologische Unkenntnis sichtbar – Jesus gilt im Islam als Prophet und nicht als Messias – oder Taktik, nämlich: Sympathiewerbung im christlichen Teil der Welt. Freilich auf Kosten der Juden, die, wie gesagt, unerwähnt bleiben.
Dass Palästina immer ein Modell der Koexistenz, Toleranz und zivilisatorischen Erneuerung war, erfahren wir in Artikel 8. Die historische Erfahrung sieht anders aus. Leider. Noch eine Phrase mehr also.
In Artikel 9 wird behauptet, „der Islam“ widersetze sich allen Formen religiöser, ethnischer oder sektiererischer Extremismen und Fanatismen. Dagegen ließe sich intensiv widersprechen oder darüber diskutieren. Aus der Hamas-Feder aber erinnert das an George Orwells „1984“: Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke. Hier setzt Hamas eindeutig auf die Unwissenheit der Außenwelt und will die Leser für dumm verkaufen.
Artikel 10 ist Jerusalem gewidmet, der „Hauptstadt Palästinas“. Ganz offensichtlich ist ganz Jerusalem gemeint, denn von einem israelischen West-Jerusalem ist nichts zu finden. Die heiligen Stätten des Islam und Christentums „gehören ausschließlich dem palästinensischen Volk und der arabisch-islamischen Gemeinschaft“. Auf keinen Stein Jerusalems kann verzichtet, keiner aufgegeben werden. Das schwächt das Werben um Christen ab. Gibt es in Jerusalem auch heilige Stätten der Juden? Das erfahren Leser der Charta nicht.
In Artikel 11 wird einmal mehr das Märchen von den „Versuchen der Besatzer“ erzählt, diese wollten die Al-Aqsa-Moschee „judaisieren“. Das Judentum aber ist eine nicht-missionierende Religion.
Es wird weiß Gott, immer schwieriger, sich in allen Themen soviel Wissen anzueignen, um mitreden zu können.
Schon allein, daß einem die Dimension bewußt wird, wieviel jeder Mensch wissen sollte, läßt erschrecken.
Was wissen wir wirklich ?