Kürzlich erst habe ich mir einen englischen Dokumentarfilm über „Häusliche Gewalt“ in muslimischen Familien angeschaut. Darin sagte die Mitarbeiterin einer Hotline, die extra für von häuslicher Gewalt betroffene Musliminnen eingerichtet worden ist, ungefähr:
„In der Regel leben Frauen aus Asien bzw. muslimische Frauen 10 Jahre länger mit solch einem Missbrauch, Gewalt etc. als europäische Frauen.“
Diese Aussage macht klar, in was für einer katastrophalen Lage sich unsere Gesellschaftsstrukturen befinden: Es wird geduldet, es ist normal. Ab und an misshandelt zu werden, sollte jede Frau in Kauf nehmen. Da man vielleicht sogar miterlebt hat, wie der eigene Vater die eigene Mutter verprügelt hat, wird man es nicht einmal wagen, es wirklich anzusprechen, da dies ja in der Regel fast alle Frauen durchmachen: Wer bin dann ich, darin auf einmal ein Problem zu sehen?Natürlich ist der in diesem Dokumentarfilm beispielhaft und detailliert geschilderte Fall kein Einzelschicksal, ganz im Gegenteil. Das weiß ich leider auch aus persönlicher nähere Umgebung, und dazu leider eine „passende“ Geschichte:An manchen Tagen bringe ich ein kleines Mädchen aus der Nachbarschaft zur Schule (sie besucht die erste Klasse), wenn ihre hochschwangere Mutter (welche sonst noch zwei kleine Kinder zuhause hat) es nicht schafft, alle aufzuwecken, anzuziehen, zu beruhigen etc., und dazu kommt noch ihre morgendliche Übelkeit, springe ich ein.Neulich auf dem Schulweg erzählte mir das Kind: „Tante, manchmal verstehe ich Erwachsene nicht.“Ich fragt sie darauf hin, was sie genau meine. Ihre Antwort ist einfach nur traurig, und es bleibt die Frage, was antworte ich so einem kleinen Wesen; sie sagte:
„Manchmal ruft Papa uns Habibi und ist ganz lieb zu uns, manchmal aber schlägt er mich, dann weine ich, wenn ich weine, liebt er mich doch aber nicht? Und Mama liebt er auch nicht, weil er Mama oft schlägt, dann weint Mama immer und sagt mir, ich soll das bitte niemanden sagen, also du darfst es Mama auch nicht sagen, dass ich es dir gesagt habe, aber warum macht Papa das jetzt, liebt er uns oder nicht?“
Das ist nicht irgendwo in Afghanistan oder in Timbuktu (was es natürlich nicht weniger schlimm machen würde), das findet in meiner Nachbarschaft statt, und ein Kind muss das verkünden. Wir sind schon so weit, dass ein Kind damit aufwächst, Misshandlungen als normal, wenn nicht sogar gerechtfertigt zu sehen. Diese Taten zerstören nicht nur das Opfer selbst, sondern unmittelbar auch die Kinder.Leider ist es nicht das einzige Beispiel, das ich kenne. Eine Schwester erzählt mir:
„Auch ich kann davon ein Lied singen. Es gab Tage, an denen mein Vater auf meine Mutter einschlug, zwar ging mein großer Bruder meist dazwischen und stellte sich schützen vor meine Mutter, wir anderen verkrochen uns jedoch in die Ecke des Zimmers und fingen fürchterlich an zu weinen. Und meine Mutter sagte Sätze wie : ‚Schlag mich nicht vor den Kindern!‘, sie sagte aber nie: ‚Schlag mich nicht.‘ Das habe ich nie verstanden. Es kam nicht oft vor, dass mein Vater handgreiflich wurde, wenn er es jedoch wurde (in meiner Erinnerung mindestens 3mal), dann ziemlich heftig, und nicht ein einziges Mal sprach meine Mutter darüber. Selbst als ich schon älter war und man mit mir hätte sprechen können, blockte sie vollkommen ab, ließ meine Nähe nicht zu und beendete das Gespräch mit der Erklärung: ‚Mein Kind, nach fast 20 Jahren Ehe ist das normal, dass so etwas vorkommt. Ich hoffe das du dies nie erleben musst, es ist aber normal und in ein paar Tage schon wieder vergessen.‘ Zwar entschuldigte sich mein Vater dann immer für die Taten, aber nur mit Worten wie ‚In dem Moment sah ich wegen deines Verhaltens nur rot.‘ „
Ich bin mir sicher, nein: ich weiß, so läuft es in vielen Familien ab. Die Frau schiebt sich am Ende noch selbst die Schuld in die Schuhe und reflektiert, was sie falsch gemacht haben könnte, der Mann jedoch hatte einen Moment der Wut, er sei ein Mann, manchmal müsse das einfach raus usw.