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vom Saker, 23.06.2017
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Funktioniert die russische Strategie?
Um darauf zu antworten, seht euch nicht an, was die Russen als unmittelbare Reaktion auf eine US-Provokation tun oder nicht tun. Betrachtet es von einer höheren Warte und schaut, was auf mittlere oder lange Sicht passiert. Genau wie bei einem Schachspiel ist die Annahme des Gambits nicht immer die richtige Strategie.
Ich schlage vor, dass ihr euch zur Bewertung, ob Putins Politik effektiv ist oder nicht, ob er sich „verkauft“ hat oder „eingeknickt“ ist, anschauen müsst, wie beispielsweise die Situation in Syrien (oder auch der Ukraine) vor zwei Jahren aussah und ihr sie mit der heutigen Lage vergleicht. Oder schaut euch auch die heutige Situation an und dann betrachtet sie in sechs Monaten wieder.
Ein riesiger Unterschied zwischen der westlichen Kultur und der Art wie die Russen (oder auch die Chinesen) Geostrategie betrachten der ist, dass die Westler immer auf die kurzfristigen und taktischen Aspekte schielen. Das ist im Grunde der Hauptgrund warum Napoleon und Hitler ihre Kriege gegen Russland verloren haben: ein nahezu ausschließlicher Fokus auf Kurzfristiges und Taktisches. Die Russen sind im Gegensatz dazu die unbestrittenen Meister der Operationskunst (im rein militärischen Sinn) und so wie die Chinesen tendieren sie dazu, ihre Augen immer auf den langfristigen Horizont zu richten. Seht euch nur den türkischen Abschuss der russischen Su-24 an: alle haben über den Mangel einer „kräftigen“ Reaktion aus Moskau gejammert. Und jetzt, sechs Monate später – was sehen wir? Genau.
Die moderne westliche Kultur kreist um verschiedene Formen einer sofortigen Belohnung, und das gilt auch für die Geopolitik. Wenn ein andere Kerl etwas tut, dann kommt von den westlichen Führern immer eine „starke“ Antwort. Sie senden gerne „Botschaften“ und sie glauben fest daran, dass etwas zu unternehmen, so symbolisch es sein mag, besser ist als den „Anschein“ von Untätigkeit zu erwecken. Was den Anschein der Untätigkeit betrifft, das wird allgemein als Zeichen der Schwäche interpretiert. Russen denken nicht so. Ihnen ist eine sofortige Belohnung egal, ihnen geht es nur um eines: den Sieg. Und wenn man dafür schwach aussehen muss, dann ist es auch recht. Aus russische Sicht sind das Aussenden von „Botschaften“ oder das Ausführen symbolischer Handlungen (so wie alle vier jüngsten US-Angriffe in Syrien) keine Zeichen von Stärke, sondern Zeichen der Schwäche. Im Allgemeinen mögen die Russen keine Gewalt, sie betrachten sie als zutiefst gefährlich. Aber wenn sie müssen, dann drohen oder warnen sie nicht, sie schreiten sofort und pragmatisch (nicht symbolisch) zu Taten, die sie näher an ihr definiertes Ziel bringen.
Zusammenfassung
Die russische Reaktion auf die jüngsten US-Angriffe auf Syrien dient nicht dazu, die Zustimmung der vielen Internet-Schreibtischstrategen zu maximieren. Sie dient dazu, das Unbehagen in der US-geführten „Koalition“ in Syrien zu maximieren und gleichzeitig die Risiken für Russland zu minimieren. Es ist genau die undeutliche Sprache, die Zivilisten auf die eine Art interpretieren und das Militär auf andere Art, die die Russen für die Planung der US-Lufteinsätze in Syrien als ein sehr störendes Element der Unberechenbarkeit einsetzen.
Auch die Russen haben ihre Schwächen und schlechten Gewohnheiten und sie machen Fehler (die Anerkennung der Ukronazi-Junta in Kiew nach dem Coup war wahrscheinlich so ein Fehler). Aber es ist wichtig, zwischen ihren wahren Schwächen und Fehlern und ihren sorgfältig geplanten Strategien zu unterscheiden. Nur weil sie nicht so handeln wie ihre angeblichen „Unterstützer“ im Westen handeln würden, bedeutet das nicht, dass sie „eingeknickt“ seien, „nachgegeben“ hätten oder irgend so einen Unsinn. Der erste Schritt um zu verstehen wie Russen funktionieren ist damit aufzuhören zu erwarten, dass sie einfach so wie Amerikaner handeln würden.
Der Saker