Die Antidiskriminierungs-Stelle des Bundes und persönliche Erlebnisse zeigen: Muslimische Frauen mit Kopftuch sind in Deutschland einer ständigen Diskriminierung ausgesetzt. Insbesondere im Berufsleben erweist sich das Kopftuch als Karrierehindernis. Nach meiner Meinung völlig zu Recht. Wer Chancengleichheit fordert, muss sich auch wie unter Gleichen verhalten.
In einem freiheitlich-demokratischen Staat hat niemand in das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen hineinzureden. Jeder hat die Freiheit zu sagen, was er will, zu glauben was er will und selbstverständlich auch das Recht, die Kleidung zu tragen, die er will. Auch wenn sie anderen noch so blödsinnig erscheint. Damit wäre die Diskussion um das Kopftuch eigentlich schon am Ende.
Persönliche Freiheit heisst auch, die Konsequenzen seines Tuns zu tragen.
Doch die Freiheit zur Selbstbestimmung schließt untrennbar Verantwortung für die selbstbestimmten Handlungen mit ein: Wer so frei ist, in Dortmund mit einem Schalke-T-Shirt umherzulaufen, muss damit rechnen, von Borussia-Fans anders behandelt – also diskriminiert – zu werden. Wer sich öffentlich zu einer Partei bekennt, kann sicher sein, auf nicht immer freundliche Reaktionen politisch Andersdenkender zu stoßen. Wer seine Meinung öffentlich kundtut, muss mit Widerworten rechnen. Das ist alles ganz normal und wird von jedem akzeptiert. Für die Zurschaustellung eines religiösen Bekenntnisses sollen dann aber plötzlich andere Regeln gelten? Mit welchem Recht wird hier ein besonderer Artenschutz für Muslimas gefordert?
Auch Muslime haben ein Recht auf “Diskriminierung”
Die Forderung nach besonderer Toleranz für Muslime ist nichts anderes als eine Diskriminierung mit anderem Vorzeichen. Ein normaler, vorurteilsfreier Umgang mit Kopftuchträgerinnen wäre es, wenn Kritik am Kopftuch eben nicht als Diskriminierung gesehen wird. So wie man ganz selbstverständlich auch das Tragen eines Fußball-Trikots auf einer Beerdigung als unangebracht kritisieren kann. Tatsächlich ist eine besondere Tolerierung des Kopftuchs am Arbeitsplatz eine Diskriminierung aller anderen religiösen Bekenntnisse, sexuellen Orientierungen oder politischer Meinungen. Denn in der Regel ist es in den wenigsten Arbeitnehmern erlaubt, im Lederoutfit, im Jogging Anzug oder mit einem großen CDU-Zylinder auf dem Kopf am Arbeitsplatz zu erscheinen.
Der Vorwurf, Arbeitgeber würden Muslimas mit Kopftuch aufgrund “kultureller Stereotype und Vorurteile, ungeachtet der Qualifikation der Bewerberin” benachteiligen, bedient die nicht minder stereotype Opferhaltung vieler Muslime. Stein des Anstoßes für manche Arbeitgeber ist nicht, wie es oft unterstellt wird, der persönliche Glauben der Bewerberin. Problematisch ist vielmehr die Zurschaustellung ihres Glaubens nach Außen. Denn ein Kopftuch ist nicht nur ein modisches folkloristisches Accessoire oder das Bekenntnis, an Gott zu glauben. Das Kopftuch ist zu einem politischen Symbol für eine bestimmte Geisteshaltung geworden. Schuld an dieser Negativ-Besetzung des Kopftuches mit Attributen wie Rückwärtsgewandtheit, Intoleranz, Frauenfeindlichkeit und Abgrenzung trägt nicht etwa die vermeintlich vorurteilsbeladene Mehrheitsgesellschaft, sondern die Gemeinschaft der Muslime selbst. Sie hat sich die Deutungshoheit über ihre Religion von den Kräften aus der Hand nehmen lassen, die eben genau diese Klischees bedienen und das Kopftuch als bewusstes Symbol einsetzen. Damit wird das Kopftuch ähnlich wie Springerstiefel und Bomberjacke zu einem absoluten No Go für alle, die sich als aufgeklärte Menschen inmitten der Gesellschaft verstehen wollen. Umkehrschluss: Wer auf religiöse Symbole wie das Kopftuch beharrt, macht gewollt oder ungewollt gemeinsame Sache mit Fundamentalisten und Ewiggestrigen.
Das Erscheinungsbild liegt im Interesse des Arbeitgebers
Beim Klagen über die Diskriminierung von Muslimas wird ausser Acht gelassen, das Arbeitnehmerinnen nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten gegenüber ihren Arbeitgebern haben. Das Bild und den Ruf einer Firma prägen – besonders im Dienstleistungssektor – in erster Linie die Mitarbeiter. Daher liegt die Außenwirkung des Personals im legitimen Interesse des Arbeitgebers. So darf eine Stewardess während der Arbeit nicht tragen, was sie selbst für schick oder ihre Weltanschauung für zwingend hält. Sie trägt selbstverständlich die Uniform ihrer Fluggesellschaft. Schon alleine das Verlangen nach einem gepflegten Äußeren ist streng genommen ein Eingriff in den Intimbereich des Arbeitnehmers. Schließlich betrifft dies die persönliche Hygiene. Noch weiter ins Privatleben reicht das Interesse des Brötchengebers bei sensiblen Berufen wie Bestatter, Richter oder Bankberater, die ihren Leumund nicht durch ein ausschweifendes Privatleben gefährden dürfen.
Diese Konventionen werden widerspruchsfrei und als selbstverständlich hingenommen. Oft wird die Arbeitskleidung oder der Berufsethos mit Stolz getragen, weil sich die Arbeitnehmer mit Ihrer Firma identifizieren. Der “erzwungene” stundenweise Verzicht auf ein Kopftuch ist dagegen geradezu lächerlich. Auch wird niemand gezwungen, sich auf Stellen zu bewerben, die seinem persönlichen Lebensstil entgegenlaufen. Für Muslimas, die auf Ihr Kopftuch beharren, habe ich daher so viel Verständnis, wie für Bewerber auf eine Banklehre, die sich weigern, Krawatte zu tragen.
Warum Gerichtsklagen die Lage der Muslimas noch verschlechtern
Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist allerdings ein Arbeitgeber, der ein Kopftuch nicht wünscht, im Unrecht. Muslimas, die gegen ihren Arbeitgeber klagen, erweisen ihren Schwestern jedoch einen Bärendienst. Die Signalwirkung, die von solchen Urteilen wie in Berlin gegen einen Zahnarzt ausgeht, führt nicht etwa zu mehr Toleranz. Statt in offenen Dialog zu treten, werden Arbeitgeber künftig das Thema Kopftuch aus Furcht vor einer Diskriminierungsklage gar nicht erst ansprechen und Bewerberinnen sang- und klanglos abweisen. So wird die Diskriminierung im Verborgenen gehalten und gemäßigten Muslimas die Möglichkeit genommen, für Verständnis oder für Kompromisse zu werben.
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