Jetzt wird Selbstbeherrschung verlangt
Neue Dokumente über den sowjetischen Einmarsch in Deutschland 1945

Nur mit Mühe bahnte sich der Jeep des sowjetischen Leutnants einen Weg durch die brennenden, qualmenden und mit Leichen gefallener Soldaten übersäten Straßen ostpreußischer Städte. Jurij Uspenski, Offizier in der 2. Garde-Artillerie-Division der Roten Armee, sah die Szenen der Verwüstung nicht ohne Genugtuung: Die russischen Armeen rückten ein in Hitlers Deutschland

Im zerstörten Gumbinnen notierte sich Uspenski am 24. Januar 1945 in sein Tagebuch: "Unendliehe Kolonnen von Soldaten und Kraftwagen kommen hindurch: ein für uns herrliches, für den Feind aber bedrohliches Bild. Das ist die Rache für alles, was die Deutschen bei uns angerichtet haben. Jetzt werden ihre Städte vernichtet, und ihre Bevölkerung erfährt jetzt. was das bedeutet: Krieg!

Uspenskis Division zog weiter. Da sah der Leutnant zum erstenmal, was ihn fortan beschäftigen und beunruhigen sollte: verstümmelte Leichen deutseher Frauen und Kinder, offensichtlich ermordet von sowjetischen Soldaten.

Uspenski erfuhr von Orgien betrunkener Rotarmisten, die sich nachts auf Frauen und selbst 13jährige Mädchen stürzten und sie vergewaltigten.

Und je weiter die sowjetischen Angriffsverbände vordrangen, desto deutlicher erschloß sich Uspenski eine bittere Wahrheit: Rußlands Soldaten ließen eine breite Spur von Vergewaltigungen, Morden und Plünderungen zurück. Die Disziplin in der Roten Armee war zusammengebrochen.

Der Unmut der Soldaten entlud sich in alkoholischen und sexuellen Exzessen. Offiziere und Soldaten überfielen ihre Vorgesetzten, der Vormarsch wurde wiederholt durch Prügeleien verzögert, Soldaten verließen zeitweilig ihre Truppe.

"Einzelne Rotarmisten, Sergeanten und Offiziere". rügte Marschall Malinowski "betrinken sich, besuchen unanständige Häuser, pflegen Verkehr mit zufälligen Frauen, verlieren ihre Dokumente, verraten Kriegsgeheimnisse ...

Deutsche Kriegsgefangene wurden erschossen, Frauen, Greise und Kinder mißhandelt, Dörfer und Städte mutwillig in Brand gesetzt -- oft zum Ärger der mitmarschierenden polnischen Truppen, die von ihnen eroberte Städte noch nachträglich von Rotarmisten in Brand gesetzt sahen.

"Aus Berichten einer Reihe von verantwortlichen Personen ist zu ersehen, daß in einer Reihe von Einheiten und Verbänden die Führung der Truppe verlorengegangen ist. Soldaten und selbst Offiziere verlieren infolge von übermäßigem Alkoholgenuß ihre Truppe, begehen sogar Plünderungen.

Viele Angehörige der Roten Armee haben ihr soldatisches Aussehen verloren. Von ihrer Truppe abgekommen, fahren sie auf Fahrrädern und in Kutschen umher, Manche tragen Filzhute und Zylinder als Kopfbedeckung. Pferdefuhrwerke und Autofahrzeuge sind mit dem unmöglichsten Gerümpel einschließlich Hausrat überladen. Der Verbrauch des in großen Mengen erbeuteten Alkohols führt zu Saufgelagen, Ausschreitungen und Verbrechen.

Die 26. Garde-Schützen-Division konnte nicht rechtzeitig eingesetzt werden, weil ein Teil ihrer Soldaten betrunken und plündernd herumstreifte. Der betrunkene Unterleutnant Klechow beschoß mit seinem Panzer die Bedienungsmannschaften zweier Sowjet-Geschütze und tötete sie. Und die 5. Panzerarmee kam nicht voran, weil ihre Fahrzeuge Weinfässer geladen hatten.

Doch als die sowjetischen Truppen Berlin, die verhaßte Zentrale des Gegners, eroberten, brach wieder alle Disziplin zusammen. Über Berlin ergoß sich eine neue Welle der Vergewaltigungen und Plünderungen. Sie hielt sogar noch an, als die Truppen der westlichen Alliierten Stadtteile Berlins besetzten: Plündernde Rotarmisten zogen durch die von der Roten Armee offiziell geräumten Bezirke.

Die Lage wurde so unhaltbar, daß Marschall Schukow frische Verbände aus der Sowjet-Union anforderte. In Moskau wurde eine Elitedivision in Marsch gesetzt, die Schukow als Sicherungs- und Ordnungstruppe einsetzte. Die Armeeführer waren jedoch vorsichtig genug, ihre Verbände aus den Städten herauszunehmen und in Gettos fern der Bevölkerung zu konzentrieren. Dort leben sie und ihre Nachfolger noch heute, für die Öffentlichkeit nur freigegeben, wenn die DDR ihre Festtage feiert.

Wo immer die Agitprop-Aktivisten der DDR in den vergangenen Tagen die Festkomitees und Jubelbrigaden an sowjetischen Kriegerdenkmälern aufmarschieren ließen, um den "30. Jahrestag der Befreiung vom Hitler-Faschismus" zu feiern, war das heikle Thema sorgfältig ausgeklammert. Kein Wort erinnerte an die deutschen Kriegsopfer.

Geschichte als Manipulationsobjekt der Herrschenden selten ist sie perfekter gehandhabt worden.

Spiegel 20/1975: [Links nur für registrierte Nutzer]

Kommentar: Statt Bomben hätten wir damals einfach Alkohol abwerfen sollen, damit wäre die Rote Armee sicherlich komplett erlahmt worden