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Thema: "Nimm deinen Hut und verschwinde"

  1. #1
    A.D. Benutzerbild von Siran
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    Keine sehr aussagekräftige Überschrift, aber mir ist schlichtweg keine eingefallen. Dafür ist der Artikel mit der Überschrift umso interessanter:

    "Nimm deinen Hut und verschwinde!"

    Vor Jahren bat ein französischer Antisemit meinen Freund Issam Sartawi, Yasser Arafats Sonderbotschafter in Paris, um ein Gespräch. Er bot ihm die Hilfe der Antisemiten im Kampf gegen Israel an. Sa rtawi unterbrach ihn: "Herr," sagte er, "nehmen Sie Ihre Papiere und verschwinden Sie!" "Der Bursch ekelte mich an," meinte er, als er mir davon am nächsten Tag erzählte.

    Ich erinnerte mich daran, als ich die Erklärung arabischer Intellektueller las, in der sie die libanesische Regierung aufforderten, ein Treffen von Holocaust-Leugnern aus aller Welt in Beirut abzusagen. Unter den Unterzeichnern waren Mahmoud Darwish, der palästinensische Nationaldichter, Edward Said, der bekannte palästinensisch-amerikanische Professor, Adonis, der große libanesische Dichter, Elias Sanbar, the palästinensische Historiker, und andere geachtete Persönlichkeiten der ganzen arabischen Welt.

    Für die Antisemiten war das ein Schlag ins Gesicht. Sie hätten gern die palästinensische Sache zu ihrer eigenen gemacht, weil der Antisemitismus seit dem Holocaust kein Ansehen mehr genießt, während der palästinensische Freiheitskampf von anständigen Menschen in der ganzen Welt geachtet wird. Für die palästinensische Seite ist die Verführung stark, das Angebot anzunehmen. "Der Feind meines Feindes ist mein Freund," sagt ein altes Sprichwort. Die Antisemiten kämpfen gegen die Juden, die Juden unterstützen Israel, Israel unterdrückt die Palästinenser. Der Schluss scheint einfach - aber er ist offenbar falsch. Weil, objektiv gesagt, der Antisemitismus der schlimmste Feind der Palästinenser ist.

    Die ganze zionistische Bewegung entstand als eine Reaktion auf den Antisemitismus. Die bekannte Dreyfus-Affäre veranlasste Theodor Herzl, sein Buch "Der Judenstaat" zu schreiben, das Gründungsdokument der Bewegung. Der Antisemitismus wurde in Europa zum Markenzeichen aller nationalen Bewegungen, die die Assimilation der Juden in die modernen Nationen verhinderten und sie dazu brachten, ihre eigene, abgesonderte, jüdische nationale Bewegung zu schaffen. Ohne den Antisemitismus hätte es keine der großen jüdischen Einwanderungswellen nach Palästina gegeben.

    Der Holocaust löste das zionistische Unternehmen nicht aus, aber er gab ihm einen starken Schwung. Ohne das (verspätete) Erwachen des Gewissens der Welt wäre der Staat Israel nicht zu der Zeit und in der Form entstanden, wie es geschah.

    Während der jüngst vergangenen Jahre wurden wir Zeugen einer anderen großen Einwanderungswelle aus der früheren Sowjetunion, die vor allem durch den russischen Antisemitismus verursacht wurde. Der Historiker Isaac Deutscher verglich unseren Konflikt mit einem Mann, der aus dem Fenster eines brennenden Hauses springt und auf dem Kopf eines Vorübergehenden landet. Wenn die Juden nicht aus der brennenden europäischen Wohnung gesprungen wären, wären sie nicht auf dem Kopf der palästinensischen Menschen gelandet.

    In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Kampf der Palästinenser von allen anderen Befreiungskämpfen. Als die Schwarzen in Südafrika für ihre Rechte kämpften, verurteilte die ganze Welt das rassistische Apartheid-System. Alle Völker, die sich gegen die koloniale Unterdrückung erhoben, konnten auf die Sympathie aller wohlwollenden Menschen in der ganzen Welt rechnen. Aber die Palästinenser mussten gegen die Opfer des Holocaust kämpfen, die die Sympathie der Welt besitzen. Wie sie selbst zu sagen pflegen, sind sie "die Opfer der Opfer".

    Alle israelischen Regierungen haben die Erinnerung an den Holocaust ausgenutzt, um die Sympathie in ihrem Kampf gegen die Palästinenser zu erhalten. Begin nannte Arafat einen "arabischen Hitler". Sogar jetzt wird der Holocaust genutzt, um in Europa jede Kritik an Israel zu verhindern. Jede ausländische Persönlichkeit, die in Israel gegen die Behandlung der Palästinenser sprechen will, wird nach "Yad Vashem" geführt und hält den Mund.

    Es ist kein Wunder, dass die Palästinenser den Holocaust als ein Instrument sehen, das gegen sie gerichtet ist, und viele von ihnen sehen ihn nur aus dieser Perspektive. Das mag verständlich sein - klug ist es nicht.

    Edward Said hat gesagt, dass die Palästinenser niemals die Aktionen Israels verstehen werden, wenn sie nicht die Geschichte des Holocaust studieren. Das ist ein weiser Rat. Ohne Wissen über den Antisemitismus im allgemeinen und den Holocaust im besonderen kann das Verhalten der Israelis nicht verstanden werden - so wie ohne das Wissen über die Vertreibung und die anhaltende Besatzung das Verhalten der Palästinenser nicht verstanden werden kann. Natürlich kann man die Vertreibung Hunderttausender nicht vergleichen mit der Ermordung von Millionen, aber Katastrophe ist Katastrophe und Leid ist Leid.

    Es ist gut, dass die arabische Welt den Holocaust-Leugnern gesagt hat, was Sartawi seinem Gast sagte: "Nimm deinen Hut und verschwinde!"
    Was haltet ihr davon?
    Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, daß wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen.
    (George Bernard Shaw)

    Die Demokratie setzt die Vernunft des Volkes voraus, die sie erst hervorbringen soll.
    (Karl Jaspers)

    Wenn es morgens um sechs Uhr an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, daß es der Milchmann ist, dann weiß ich, daß ich in einer Demokratie lebe.
    (Winston Churchill)

  2. #2
    Kosmopolitin Benutzerbild von Polly
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    An diesem Artikel ist viel wahres. Besonders treffend finde ich den Ausdruck "Wir sind die Opfer der Opfer." und den Vergleich mit dem Sprung aus dem Fenster.
    Es ist sehr erfreulich, dass die Palästinenser den Antisemiten den Rücken kehren.
    Was den "Missbracu des Holocaust" der israelischen Bevölkerung angeht, so könnte dise Einstellung auf Dauer tatsächlich den palästinensischen Blick trüben.
    Ich habe allerdings vor ein paar Wochen von privaten Aktionen gehört, bei denen Kinder gemäßigter Israelis und Palästinenser gemeinsam die Geschichte des jeweils anderen Volkes aufarbeiten, gemeinsam spielen und diskutieren. Solche Berichten lassen auch wieder ein bisschen hoffen.
    Alles in allem ein guter Artikel. :]
    soll ich
    weils brauch ist ein stück eisen
    stecken in das nächste fleisch oder ins
    übernächste mit dran zu halten weil die welt
    sich dreht
    herr brich mir das genick im sturz von
    einer
    bierbank

  3. #3
    Toxisch Benutzerbild von John Donne
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    Ich finde den Artikel gut, er umreißt eines der Grundprobleme in den Streitigkeiten zwischen Israelis und Palästinensern meiner Meinung nach sehr genau.
    Ich werde später mehr dazu schreiben.

    Grüße
    John

  4. #4
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    jede andere reaktion der palästinenser wäre dumm gewesen. taktisch also ein gelungener schachzug !
    die palis wissen nur allzu gut wie stark die holocaust-lobby ist. sich mit deren feinden zu verbünden hiesse zusätzliche gegner auf den plan zu rufen. der schaden wäre größer als der nutzen.

    -
    .

    der gott der eisen wachsen ließ, der wollte keine knechte.
    Der Gott, der Eisen wachsen ließ,
    der wollte keine Knechte,
    drum gab er Säbel, Schwert und Spieß
    dem Mann in seine Rechte,
    drum gab er ihm den kühnen Mut,
    den Zorn der freien Rede,
    dass er bestände bis aufs Blut,
    bis in den Tod die Fehde.


    e.-m. arndt, deutscher national-dichter


  5. #5
    Scharfschütze Benutzerbild von Der Schakal
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    Ein Hoch auf die Palästinenser.....

    ....denn mit Antesemiten zu kooperieren wäre falsch.

    Dieser Artikel ist sehr gut...

    Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit. (Mahatma Gandhi):

    Ganz Meine Meinung !

  6. #6
    partei- und fraktionslos Benutzerbild von O.v.Bismarck
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    Original von Siran
    Keine sehr aussagekräftige Überschrift, aber mir ist schlichtweg keine eingefallen. Dafür ist der Artikel mit der Überschrift umso interessanter:
    Zuerst dachte ich, dass Siran extra für mich einen Tread aufmacht. Aber dann...

    O.v.B.
    Ich bin dankbar für schärfste Kritik, wenn sie nur sachlich bleibt.

    Otto von Bismarck (1815-98), preuß.-dt. Staatsmann, Gründer d. Dt. Reiches u. 1871-90 dessen erster Kanzler

  7. #7
    Mitglied Benutzerbild von Delbrück
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    Dann hieße der Thread wohl eher "Der Lotse geht von Bord" (verlässt das Schiff?) als Reminiszenz auf eine berühmte Karikatur aus dem Kladderadatsch - kennt jeder, oder?
    No sound. No substance. No light. No Dave.

  8. #8
    A.D. Benutzerbild von Siran
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    Ja, die kennt man.
    Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, daß wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen.
    (George Bernard Shaw)

    Die Demokratie setzt die Vernunft des Volkes voraus, die sie erst hervorbringen soll.
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  9. #9
    partei- und fraktionslos Benutzerbild von O.v.Bismarck
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    Original von Delbrück
    Dann hieße der Thread wohl eher "Der Lotse geht von Bord" (verlässt das Schiff?) als Reminiszenz auf eine berühmte Karikatur aus dem Kladderadatsch - kennt jeder, oder?
    Selbstverständlich kennt die jeder. Sie gilt als eine der berümtesten Karikaturen der Welt!

    O.v.B.
    Ich bin dankbar für schärfste Kritik, wenn sie nur sachlich bleibt.

    Otto von Bismarck (1815-98), preuß.-dt. Staatsmann, Gründer d. Dt. Reiches u. 1871-90 dessen erster Kanzler

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