"Die USA dürfen Merkel überwachen"
Die NSA hat deutsche Politiker schon immer ganz legal observiert, sagt der Historiker Foschepoth. Im Interview fordert er, Gesetze und geheime Verträge zu ändern.
ZEIT ONLINE: In Ihrem Buch Überwachtes Deutschland haben sie nachgewiesen, dass die US-Geheimdienste die Kommunikation in Deutschland seit Jahrzehnten umfassend observieren. Sind auch schon frühere Kanzler ausspioniert worden?
Foschepoth: Mit Sicherheit. Konrad Adenauer hat sich einmal beklagt, dass er ständig ein Knacken in seinem Telefon höre.
Aber nicht nur Kanzler, auch Militärs und selbst Bischöfe, Ärzte und alle anderen, die eine exponierte Position in der Gesellschaft besitzen, wurden überwacht.
Das Besondere an der NSA-Affäre ist nur, dass die Geheimdienste jetzt über gigantische technologische Möglichkeiten verfügen, Milliarden an Überwachungsmaßnahmen gleichzeitig durchzuführen. Daneben gibt es aber weiterhin die Einzelüberwachung wichtiger Persönlichkeiten.
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ZEIT ONLINE: Wie ist es über die Jahrzehnte zu dieser flächendeckenden Überwachung gekommen?
Foschepoth: Das ist nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Die NSA wurde 1952 gegründet und ist gleichsam in Deutschland groß geworden.
Die Bundesrepublik war für den US-Geheimdienst als Frontstaat im Kalten Krieg der bedeutendste Standort.
Bei den Verhandlungen über den Deutschlandvertrag, den Truppenvertrag und die Rechte der Alliierten in den 1950er Jahren war eines der wichtigsten Themen die enge Zusammenarbeit der deutschen und der westlichen Geheimdienste. Die ist seitdem immer weiter ausgebaut worden.
Ich habe kein einziges Dokument gefunden, in dem den USA und den anderen Alliierten irgendwelche Beschränkungen auferlegt wurden. Im Gegenteil: Mit der technischen Entwicklung wurden die Überwachungsformen immer vielfältiger – mit Kenntnis aller Bundesregierungen, egal welcher Couleur. Sie alle haben dem zugestimmt.
ZEIT ONLINE: Merkel empört sich also zu Unrecht?
Foschepoth: Als Regierungschefin dieses wichtigen Landes müsste sie von den Vereinbarungen wissen und über die Zusammenarbeit der Dienste informiert sein.
Ich selber habe in den Geheimarchiven der Regierung geforscht. Da findet man das alles. Sie müsste einfach nur mal in den Keller ihres Kanzleramtes gehen oder mein Buch lesen. Deshalb ist das schon ein bisschen Heuchelei, wenn sie sich nun öffentlich beschwert, nur weil sie jetzt selber betroffen ist.
ZEIT ONLINE: Vor der Wahl hat sie die NSA-Affäre noch ziemlich abgetan.
Foschepoth: Das war das Ärgerliche an diesem Wahlkampf, dass der schwere Eingriff in die Grundrechte der Bürger nicht Gegenstand der politischen Auseinandersetzung war.
ZEIT ONLINE: Vielleicht lag das auch daran, dass schon unter Verantwortung von Rot-Grün und früheren Regierungen die US-Observation immer weiter verstärkt wurde?
Foschepoth: Ja, alle Regierungen haben mitgemacht. Der große Sündenfall geschah 1968. Damals hat die erste Große Koalition das Grundgesetz geändert und durch das G-10-Gesetz Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis erlaubt.
Grundlage dafür waren Forderungen der Alliierten, dass sich an ihrem Recht auf Überwachung nichts ändern dürfe.
Verkauft hat man das damit, dass die Vorbehaltsrechte der Alliierten abgelöst würden und die Bundesrepublik souveräner würde. Die gleichen geheimdienstlichen Rechte der drei Westmächte waren aber längst im Zusatzvertrag zum Nato-Truppenstatut von 1959 dauerhaft gesichert. Die gelten bis heute.
ZEIT ONLINE: Anders als von Merkel behauptet, gilt also in Deutschland nicht nur deutsches Recht?
Foschepoth: Was die Kanzlerin im Sommer gesagt hat, war ziemlich zynisch. Denn sie hat den Eindruck erweckt, als würden Deutsche in Deutschland durch hiesige Gesetze vor einer Überwachung geschützt. Dem ist nicht so.
Die Interessen der ehemaligen Alliierten sind in deutschen Gesetzen verankert. Sie sind damit deutsches Recht. Dazu gehört nicht nur die intensive Kooperation der Geheimdienste, sondern auch die Möglichkeit der USA, von ihren militärischen Standorten in Deutschland aus selber zu observieren.
Wir werden noch staunen, was von dem geplanten großen NSA-Zentrum in Wiesbaden alles möglich sein wird. Das "souveräne Deutschland" lässt zu, dass so etwas auf dem eigenen Staatsgebiet passiert!
ZEIT ONLINE: Die Bundesregierung schützt nicht die Grundrechte der Bürger, sondern die Interessen der USA?
Foschepoth: So ist es!
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Merkel kann nicht ganz koscher sein. Sie ist zu intelligent. Sie wusste von Anfang an, was gespielt wurde. Dessen bin ich mir sicher. Aber um die Schaefchen ruhig zu halten, spielte sie die Ahnungslose. Ist auch keine schlechte Politik. Es war und ist ruhig im Land. Was mehr koennen die Deutschen erwarten, nachdem sie die Schlacht verloren?
The winner takes all!