Zitat von
umananda
Das Wetter hat sich a bisserl schon am morgigen Tag orientiert und die Innenstadt ist weiträumig abgesperrt. Polizisten stehen vor den Absperrung und reden über private Dinge. Die Demonstranten haben den Stephansplatz erreicht. Wilde Gerüchte kursieren bei den Gegnern des Akademikerball. Angeblich soll schon die bayrische Polizei an der Grenze einen Charterbus mit Demonstranten gestoppt haben. Eine kleine Gruppe diskutiert wild durcheinander und versucht mittels Smartphone darüber Klarheit zu gewinnen. Ihnen gegenüber stehen Polizisten. Sie scheinen sich gegenseitig zu ignorieren ... die Gespräche mit einigen Demonstranten, die tatsächlich zustande kamen, endeten allesamt darin, dass ein faschistisches Bedrohungsszenario verhindert werden muss.
Die FPÖ wurde ebenso innerhalb der Sperrzone daran gehindert, mit einem Transparent eine demonstrative Position zu zelebrieren. Ja, es war erstaunlich ruhig, trotz 45 Festnahmen und ein paar bengalische Feuereinlagen. Mein abendlicher Spaziergang durch die Stadt hatte auch ein paar Impressionen einfangen können, obwohl oder gerade deshalb, weil die Innenstadt einer Festung glich ... auf der Ringstraße zeigte sich einschüchternd ein Wasserwerfer und wo auch immer eine Gruppe von Demonstranten, die verdächtig nach Randalierer gekleidet waren, sich versammelte, erschien ein Gruppe Polizisten, die mit wenig Aufwand die Zusammenrottung beendete. Entschlossen, notfalls mit körperlichem Nachdruck (aber immer angemessen). Die große Eskalation wie im Vorjahr blieb aus.
Eine kleine Impression ... eine junge Frau saß an einer Hausmauer gelehnt am Boden und hielt sich die Ohren zu. Eine angereiste Demonstranten aus Deutschland wie ich später erfuhr. Ich zoomte sie mit dem Teleobjektiv heran und sammelte eine Abfolge von Bilder, bis ich bemerkte, dass sie weinte und das Make-up um die Augen ziemlich verschmiert war. Ich steckte die Kamera ein und überquerte die Ringstraße und fragte sie, ob sie Hilfe benötige. Erst dann bemerkte ich, dass Ihre Jeans am Knie zerrissen war. Ich setzte mich zu ihr auf den Boden und sie fragte mich, wer ich sei. Wahrheitsgemäß erzählte ich ihr, dass ich hier in der Nähe wohnen würde ... ich sei einfach nur aus reiner Neugierde hier.
Ein Knallkörper sei in ihrer Nähe explodiert und dann wurde sie versehentlich von anderen Demonstranten umgestoßen. Anfänglich hätte sie nur ein lautes Pfeifen in den Ohren vernommen, dass aber nun abgeklungen sei. Ihr Knie blutete und ich versuchte mit Papiertaschentücher ihr Knie damit ein wenig zu reinigen. Plötzlich standen drei behelmte Polizisten vor uns und fragten mich, ob sie schlimm verletzt sei. Ich war verwundert, dass sie mich fragten. Aber bevor ich antworteten konnte, reichte mir einer von ihnen ein kleines Verbandssackerl, das sogar eine kleine Flasche Desinfektionsmittel enthielt. Gemeinsam mit der Demonstrantin versorgten wir ihre Wunde. Danach saßen wir noch eine halbe Stunde auf einer Bank und sie erzählte von ihren Schwierigkeiten, da ein WG-Mitbewohner die gemeinsame Miete drei Monate lang veruntreut habe. Alltagssorgen, weshalb sie Architektur studiere, ein Lachen und der Austausch der Handynummer und der Mailadresse, anschließend verabschiedeten uns voneinander und ich habe ihr eine Stunde später die Bilder, die ich vorher eingefangen habe, geschickt. Soeben habe ich eine SMS von ihr erhalten, in der sie sich für die Bilder bedankt. Sie wohnt in Berlin (kommt aber aus Konstanz) ... und wenn ich irgendwann nach Berlin kommen würde, sollte ich mich melden.
Randnotizen, der Akademikerball spulte sein Programm ungestört herunter, weil die Polizei einen teuren, aber gut organisierten Einsatz durchführte. Wer zahlt diesen Polizeieinsatz. Der Veranstalter des Akademikerball? Die Demonstranten? Nein, wir Bürger. Aber das soll uns nicht ärgern. Denn letztlich geht es um Versammlungsfreiheit, ein unverzichtbares demokratisches Grundrecht. Ob sie sich nun rechts oder links positionieren ... eine Demokratie muss wehrhaft sein und darauf achten, dass jeder zu seinem Recht kommt, auch die Bürger einer Stadt, die keine Gewalt auf ihren Strassen und Plätzen dulden möchte.
Servus umananda