Albert Schweitzer und seine Beziehung zu Johann Sebastian Bach
Der am 14. Januar 1875 im oberelsässischen Kaysersberg als Pfarrerssohn Geborene kam nach dem Besuch von Dorf- und Realschule in Günsbach und erstem Klavierunterricht beim Vater zu Verwandten ins oberelsässische Mühlhausen, wo er von 1885-1893 das kaiserliche Gymnasium besuchte und ersten Orgelunterricht bei einer musikalischen Kapazität erhielt, Ernst Münch (1859-1928), Spross einer Familie, die mehrere regionale und auch internationale Musiker und Dirigenten hervorbrachte. Die Beschäftigung mit der Musik Bachs wird hier schon zu seinem Lebenselixier.
1893 schließen sich private Orgelstudien beim einflussreichen Pariser Organisten und Komponisten Charles Marie Widor (1844-1937) an, mit dem er sich von da an in intensivem Dialog insbesondere über die musikalische Exegese der Choralvorspiele Bachs befindet. Von diesem Jahr an datiert auch der Beginn seiner bis 1954 reichenden internationalen Konzerttätigkeit als Organist. 1905 und 1908 verfasst er – zunächst in Französisch, dann in Deutsch - seine umfangreiche Arbeit über Johann Sebastian Bach, die beim renommierten Verlag Breitkopf & Härtel in Leipzig verlegt wird. 1909 ist er führender Kopf einer internationalen Orgelbautagung in Wien, wo er ein Internationales Regulativ für Orgelbau ins Leben ruft, das sich auch an Vorstellungen einer "Bach-Orgel" auf der Grundlage der besten Charakteristika deutscher und französischer Orgelkultur orientiert.
Bereits 1906 hatte er dazu in einer Abhandlung Deutsche und französische Orgelbaukunst und Orgelkunst Grundlegendes geschrieben. Ab 1893 bis zur ersten Ausreise nach Lambarene wirkte Schweitzer als Organist bei Bach-Kantaten- und -Oratorienaufführungen an der Wilhelmerkirche in Strassburg, in Paris (wo er ab 1907 ständiger Organist der Pariser Bach-Gesellschaft in der Nachfolge von Alexandre Guilmant (1837-1911) wurde) und in Barcelona (Konzertsaal Orféo Cátalan) mit. Hier legte er Grund für seine enzyklopädisch zu nennende Kenntnis der Werke des Leipziger Thomaskantors.
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Schweitzers Bachverständnis lässt sich nach Feststellung des Schweitzer-Forschers Harald Schützeichel unter drei Gesichtspunkten zusammenfassen:
Bach
ist
1. vom Standpunkt der Ästhetik her gesehen Architekt und Vollender gotischer Kunst
in der Musik,
2. Dichter und Maler in Musik vom symbolischen Gehalt und
3. bedeutsam als Mystiker vom spirituellen Standpunkt.
An Bach geschulter und in ihm verankerter Rationalismus und Idealismus vereinen sich in der Person Schweitzers zu einem Idealbild, das Vorbildcharakter trägt, weil es sowohl im Diesseits tatkräftig steht als auch im Jenseits in unmittelbarer Forderung nach dem Humanum lebt.
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