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Thema: Klassische Musik

  1. #1191
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    Standard AW: Klassische Musik

    Zitat Zitat von Apostate Beitrag anzeigen
    Les plaisirs de Versailles:
    Wenn der Sonnenkönig aß, wurde Frankreich größer

    Wie früher der Tisch gedeckt wurde, war weniger eine Frage des Essens als vielmehr der Politik. Davon sind die europäischen Tafelsitten bis heute geprägt.

    Ein nacktes Wasserweib hebt in der rechten Hand einen Fisch. Der spuckt das edle Nass in eine Muschel, den die Nereide in der Linken hält. Keinem Gebildeten der Spätrenaissance konnte das erotische Gleichnis auf der Spitze eines bronzenen Tischbrunnens entgehen. Die Damen und Herren der höfischen Gesellschaft, der Aristokratie und des reichsstädtischen Patriziats freuten sich solcher Anspielung, die beides zeigte, sinnfrohe Weltlichkeit und klassische Bildung.

    Das Leben der Menschen war zu kurz und zu grausam, um auf Lustweil, Fest und Spiel zu verzichten. Die Mahlzeit war nur Vorwand und Anlass für solche Selbstinszenierung zwischen Zeit und Ewigkeit. "Homo ludens", so hat der niederländische Historiker Johan Huizinga den Zusammenhang beschrieben zwischen Spieltrieb und abendländischer Kultur. Tisch und Bett standen im Zentrum des Spiels; Krieg, Landbau und Handel bildeten den Rahmen.

    Trompeter durften nicht fehlen

    Essen, nur um sich zu sättigen, wäre den Humanisten als Barbarei erschienen, dem Adel als tierische Bedürfnisbefriedigung der geringen Leute. Deshalb war die gemeinsame Mahlzeit mit Gefolge und Gästen immer große Inszenierung, ein gelegentlich durch Jagd, Tanz, Turnier, Theater oder Musik, Feuerwerk und Gondelfahrten, selbstverständlich auch durch Gottesdienst unterbrochenes Festspiel. Trompeter durften nicht fehlen, die den Ruhm des Gastgebers in alle Himmelsrichtungen schmetterten.

    Das mindere Volk war Teil der Inszenierung: Auf öffentlichen Plätzen wurden Ochsen am Spieß gebraten, aus Brunnen ergossen sich Wein und Bier, es regnete mitunter goldene und silberne Gedenkmünzen über die Menge, Verurteilte wurden begnadigt.

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  2. #1192
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    Standard AW: Klassische Musik

    Das mindere Volk war Teil der Inszenierung: Auf öffentlichen Plätzen wurden Ochsen am Spieß gebraten, aus Brunnen ergossen sich Wein und Bier, es regnete mitunter goldene und silberne Gedenkmünzen über die Menge, Verurteilte wurden begnadigt.
    Kleiner, aber feiner Unterschied zur Demokratie, wo das Volk von jeher außen vor und verhasst ist, bestenfalls als Fußabtreter benutzt wird. Immerhin bleibt den Anhängern der demokratischen Religion das heilige Wahlrecht. So wie die Amis zwischen Trump und Clinton entscheiden durften und die Deutschen zwischen Merkel und Schulz. Wohl bekomms!

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  3. #1193
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    Standard AW: Klassische Musik

    Wie richtig ich mit meiner Wahrnehmung liege, hat doch unlängst der G20-Gipfel bewiesen? Das war doch ein sehr gutes Beispiel dafür, wie heute die Treffen der Staatschefs ablaufen? Und welche Rolle hat das Volk dabei gespielt? Es wurde vorgeführt, während die Damen und Herren eine geschlossene Gesellschaft bildeten und unter sich blieben. Daß die Demokraten sich vom Volk abschotten, spricht Bände, gerade heutzutage, wo sie alle naselang Weltoffenheit verlangen.
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  4. #1194
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    Wer verstehen will, wie man Ravel auf keinen Fall verstehen darf, sollte Jean Echenoz’ Roman Ravel lesen: als Impressionisten nämlich. Genau hier setzt Bertrand Chamayou an, 35 Jahre alt, Enkelschüler von Vlado Perlemuter, dem Ravel selber noch entscheidende Hinweise gab: "Meine Musik sollte nicht interpretiert, sondern gespielt werden." Und im Zweifelsfall eher flüssig.


    Chamayou ist ein so freier wie höchst redlicher Geist: Er begreift die Kompositionen aus ihrem inneren Zusammenhalt heraus, ohne sich blind verliebt im Detail zu verlieren. So sucht er in Jeux d’eau von 1901 mit stupender Technik nicht nach der Beschaffenheit jedes Tropfens (was er jederzeit könnte), sondern danach, im Flow zu bleiben.

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  5. #1195
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    "Freund Hein spielt auf":

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  6. #1196
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    Von Mahlers meisterhafter 4. Sinfonie aus, findet sich, ähnlich wie bei "Titan", eine direkte Verbindung zur Literatur von Jean Paul, der seinerzeit eine Ikone für die deutschen Nationalisten und Burschenschaften war.
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  7. #1197
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    Standard AW: Klassische Musik

    ZEIT ONLINE: Worin gründet die große Bewunderung seiner Zeitgenossen? Was ist das Besondere an Jean Pauls Sprache?

    Pfotenhauer: Er wollte auf seinem Grabstein stehen haben, dass niemand so viele Vergleiche gemacht habe wie er. Es gibt kaum einen ähnlich bilderseligen, metaphernsüchtigen Autor wie Jean Paul. Das macht ihn ja oft auch schwer zu lesen. Diese Häufung von wunderbaren Bildern, die sprachlichen Möglichkeiten, die alles bis dahin Veröffentlichte überschreiten, machen ihn zu einem der größten Sprachschöpfer der deutschen Sprache. Lineare Geschichten sind ihm eigentlich unwichtig. Das empfindet er eher als lästig. Er möchte keine Spannung aufbauen, sondern es sind einzelne Blöcke, die er aufeinander schichtet – ein nicht-lineares Schreiben, würde man heute sagen. Das ist einer der Gründe, warum Jean Paul noch immer aktuell ist. Das sind im Grunde postmoderne Schreibweisen. Navid Kermani, einer der großen Jean Paul-Verehrer unter den zeitgenössischen Schriftstellern, sagt, dass er nicht die Postmoderne vorweggenommen, sondern sie weit übertroffen habe.

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    Die Bildersprache von Jean Paul hat Gustav Mahler vertont, oder sich zumindest darin versucht. Einer hier im Strang war der Meinung, es sei besser die Finger von Mahler zu lassen, da es möglich sei, daß dieser Komponist aufgrund seiner jüdischen Abstammung insgeheim die Absicht verfolgte, das Unterbewusstsein der Gojim zu manipulieren. Im Nachhinein betrachtet halte ich diesen, wohlgemerkt unbegründeten, Vorwurf, für an den Haaren herbeigezogen.

    Wenn man es recht bedenkt, war Mahlers Bewusstsein, bzw. wohl auch das Unterbewusstsein, selbst sehr stark von Außen beeinflusst, durch die Anregung und die Inspiration, die ihm zum Beispiel Jean Paul lieferte. Weitere Schriftsteller, die auf ihn gewirkt hatten, waren Achim von Armin und Clemens Bretano, die man wie Jean Paul, zweifellos zu den deutschen Meistern zählen kann, die es zu ehren gilt.

    Christian Thielemann meinte in einem Interview, mit Mahler hätte er es schwer, da sich in dessen Musik Abgründe auftun, deren Doppelbödigkeit ihm nicht behage. Ich weiß nicht mehr genau, ob er es konkret auf die Kindertotenlieder bezog, wenngleich dieser Liederzyklus ein gutes Beispiel dafür ist, worauf er hinauswollte. Selbst dabei hatte Gustav Mahler aus meiner Sicht wohl keine hinterfotzigen Gedanken, sondern lediglich die Eindrücke verarbeitet, die er zuvor aufnahm, in dem er sie vertonte:

    Seine Frau Alma konnte nicht verstehen, dass er 1904, während seine beiden Kinder vergnügt im Garten spielten, seine Kindertotenlieder komponierte, auf Texte von Friedrich Rückert, die dieser nach dem Tod seiner Kinder geschrieben hatte: »Ich kann es wohl begreifen, dass man so furchbare Texte komponiert, wenn man keine Kinder hat, oder wenn man Kinder verloren hat. Ich kann es aber nicht verstehen, dass man den Tod von Kindern besingen kann, wenn man sie eine halbe Stunde vorher, heiter und gesund, geherzt und geküsst hat!«

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    Geändert von Coriolanus (08.08.2017 um 22:49 Uhr)
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  8. #1198
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    Zitat Zitat von Apostate Beitrag anzeigen
    Wenn man es recht bedenkt, war Mahlers Bewusstsein, bzw. wohl auch das Unterbewusstsein, selbst sehr stark von Außen beeinflusst, durch die Anregung und die Inspiration, die ihm zum Beispiel Jean Paul lieferte.[...]
    Zugegeben, das ist an und für sich nicht außergewöhnlich, gerade im Kunstbetrieb. Was ich hier aufzeigen möchte ist, daß unsere Ahnen längst nicht so geschichtsvergessen waren wie ihre demokratischen Erben es heutzutage sind. Ein weiteres schönes Beispiel dafür, wäre Carl Schmitt, der leider das Pech hatte, in den 1930er Jahren im besten Alter zu sein, und so zumindest zeitweillig in das NS-System involviert war.

    Prägende Einflüsse für sein Denken bezog Schmitt von politischen Philosophen und Staatsdenkern wie Thomas Hobbes,[5] Niccolò Machiavelli, Aristoteles,[6] Jean-Jacques Rousseau, Juan Donoso Cortés oder Zeitgenossen wie Georges Sorel[7] und Vilfredo Pareto.[8]

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    Die Parallele zwischen Carl Schmitt, Jean Paul und damit sicherlich auch Gustav Mahler, ist der französische "Erzieher" Jean-Jaques Rousseau, der wohl wie kaum ein anderer auf das Denken der europäischen Intellektuellen in den vergangenen 200 Jahren wirkte.
    Geändert von Coriolanus (08.08.2017 um 23:59 Uhr)
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  9. #1199
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    Guy de Valk vor 3 Jahren
    This music brings tears to my eyes every single time I listen to it ... It reminds me of the one I loved and who died suddenly after 44 years of life together.
    *Dies ist musikalisch das letzte Wort der Kindertotenlieder: dass der Tod zwar mächtig, stärker als er aber die Liebe ist.*

    Andreas Dorschel, 'Trost für die Untröstlichen. Mahlers Kindertotenlieder und Bergs Violinkonzert', in: Musikfreunde Jg. 25 (2012/13)

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    Mir kam eben spontan Verdi und 'La traviata' in den Sinn, weil da gestorben wird, ohne daß die Tränen fließen. Der Gedanke stammt nicht einmal von mir, was mir schön vor Augen führt, wovon zuvor die Rede war.
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  10. #1200
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    Helmut Pfotenhauer: Jean Pauls Werk ist Work in Progress, ein unabschließbarer Schreibprozess.

    ZEIT ONLINE: Er scheint mit diesem Work in Progress verzweifelt und heiter zugleich gegen den Tod anzuschreiben. Wenn etwas nicht abgeschlossen ist, ist auch das Leben nicht zu Ende.

    Pfotenhauer: Genau so ist es. Das ist ein ganz wichtiges Element bei Jean Paul. Je älter er wird, desto deutlicher sieht man das. Sein Spätwerk, er nennt es selber "Papierdrache", zusammengeleimt aus Textfetzen, soll ein Sammelsurium von Texten sein, die man immer wieder neu kombinieren kann, die niemals fertig sind, sodass eigentlich andere auch über seinen Tod hinaus seine Werke weiterschreiben könnten. Das ist eine erschriebene Unendlichkeit oder Unsterblichkeit. Gegen den Tod anzuschreiben ist ohnehin das Grundmotiv der Literatur. Aber es gibt wenige Autoren, bei denen es so obsessiv betrieben wird wie bei ihm.

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    Richard Wagner und Jean Paul

    Dichterkomponist Am Bayreuther Hofgarten, unmittelbar am Wagnerschen Haus Wahnfried, erinnert eine Station des Jean-Paul-Wegs an ein "prophetisches Wort" des Romantikers über einen künftigen Dichterkomponisten. Ausgerechnet 1813, im Geburtsjahr Wagners, schrieb Jean Paul: "Denn bisher warf immer der Sonnengott die Dichtergabe mit der Rechten und die Tongabe mit der Linken zwei so weit auseinander stehenden Menschen zu, dass wir noch bis diesen Augenblick auf den Mann harren, der eine echte Oper zugleich dichtet und setzt." Für die Bayreuther war natürlich später klar, dass diese Prophetie sich in dem Musikdramatiker Richard Wagner erfüllte.

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