Wenn der Sonnenkönig aß, wurde Frankreich größer
Wie früher der Tisch gedeckt wurde, war weniger eine Frage des Essens als vielmehr der Politik. Davon sind die europäischen Tafelsitten bis heute geprägt.
Ein nacktes Wasserweib hebt in der rechten Hand einen Fisch. Der spuckt das edle Nass in eine Muschel, den die Nereide in der Linken hält. Keinem Gebildeten der Spätrenaissance konnte das erotische Gleichnis auf der Spitze eines bronzenen Tischbrunnens entgehen. Die Damen und Herren der höfischen Gesellschaft, der Aristokratie und des reichsstädtischen Patriziats freuten sich solcher Anspielung, die beides zeigte, sinnfrohe Weltlichkeit und klassische Bildung.
Das Leben der Menschen war zu kurz und zu grausam, um auf Lustweil, Fest und Spiel zu verzichten. Die Mahlzeit war nur Vorwand und Anlass für solche Selbstinszenierung zwischen Zeit und Ewigkeit. "Homo ludens", so hat der niederländische Historiker Johan Huizinga den Zusammenhang beschrieben zwischen Spieltrieb und abendländischer Kultur. Tisch und Bett standen im Zentrum des Spiels; Krieg, Landbau und Handel bildeten den Rahmen.
Trompeter durften nicht fehlen
Essen, nur um sich zu sättigen, wäre den Humanisten als Barbarei erschienen, dem Adel als tierische Bedürfnisbefriedigung der geringen Leute. Deshalb war die gemeinsame Mahlzeit mit Gefolge und Gästen immer große Inszenierung, ein gelegentlich durch Jagd, Tanz, Turnier, Theater oder Musik, Feuerwerk und Gondelfahrten, selbstverständlich auch durch Gottesdienst unterbrochenes Festspiel. Trompeter durften nicht fehlen, die den Ruhm des Gastgebers in alle Himmelsrichtungen schmetterten.
Das mindere Volk war Teil der Inszenierung: Auf öffentlichen Plätzen wurden Ochsen am Spieß gebraten, aus Brunnen ergossen sich Wein und Bier, es regnete mitunter goldene und silberne Gedenkmünzen über die Menge, Verurteilte wurden begnadigt.
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