Zitat von
Jean Paul
Wahrlich, wer in Grimms Meister-Grammatik – diesem deutschen Sprachheroum – es lesen muß, wie unsere Sprache die reiche Klang-Singstimme ihrer Jugend durch die Jahre eingebüßt und sie nun, gleich einer alten Frau, da kreischt und pfeift, wo sie früher sang: der möchte weinen über einen Verlust auf ewig. Denn er muß in Grimm lesen, wie z. B. unsere Deklination Tag sonst in Taga, Tago, Tagum umgebogen wurde; unsere andere Hirt sonst in Hirti, Hirta, Hirto, Hirtum; und wie eine andere auf a, u, o, ono, om und wieder eine auf eo, eon, eono ausklang oder ein Adjektiv auf emo, u, an, ero, iu, era, eru, o. Ja man muß – denn an die oft griechischtönenden Beugungen der vorigen Zeitwörter darf man gar nicht denken – von Grimm noch erfahren, [Fußnote] wie Ort- und Flußnamen z. B. in Hessen und Thüringen sonst geklungen gegen jetzo; z. B. Phiopha lautet heut zu Tage Pfiefe – Fanaha jetzt Venne – Passaha jetzt Besse – Thiatmelli jetzt Ditmold – Mursenaha jetzt Morschen – Miminunga jetzt Meinungen – Slutiza jetzt Schlitz – Butinesbah jetzt Butzbach. – Aber ich muß die Grimmsche Grammatik bei Seite legen, um mit der Gelassenheit eines grammatischen Vorredners die jetzige Sprache anzuhören und anzusehen, bei ihrer S-Krätze von Außen und dem E-Gries von Innen, welche beide Samstag- oder Schabbes-Buchstaben an die Stelle der vollen Sonntagbuchstaben sich jüdelnd eingelispelt. Allerdings hat sie seitdem an Reichtum gewonnen, wie sie an Weichheit des Klangs verloren, wie ein Mensch zugleich reicher und härter wird. Neben ihre hellen Silbersaiten sind viele kostbare, aber dumpfe Goldsaiten aufgezogen.
Was ist zu tun? Wenigstens gewöhne man, da kein Echo des vorigen Wohlklangs aufzuwecken ist, ihr so viel Übellaute ab, als man kann. Ich werde, hoff' ich für meine langwierige Mühe doch zwei Kränze aufzusetzen bekommen – denn an den dritten und größten, durch zwölf Briefe hindurch Recht zu behalten und Recht einzuführen, zumal über die ungs, keits, ions, ist gar nicht zu denken –; aber der erste Kranz kann sein, daß das Näherbringen der Natur der Doppelwörter tausend Schreiber an einige Auslese im Gebrauchen alter, falscher Zusammensetzungen und an einige Behutsamkeit im Erschaffen ähnlicher neuer erinnert, wie z. B. leider Eidsgenossenschaft ist; denn bei so vielen alten Ausnahmen von der Regel sind neue desto sündiger, gleichsam ein Auswuchs aus dem Auswuchs, oder kleinste Staaten eines Staats im Staate. In der Tat wär' es endlich gut, Ohr und Zeit und Recht zu schonen.
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