+ Auf Thema antworten
Seite 121 von 303 ErsteErste ... 21 71 111 117 118 119 120 121 122 123 124 125 131 171 221 ... LetzteLetzte
Zeige Ergebnis 1.201 bis 1.210 von 3025

Thema: Klassische Musik

  1. #1201
    Einsiedler Benutzerbild von Coriolanus
    Registriert seit
    05.10.2015
    Ort
    Maimont
    Beiträge
    7.471

    Standard AW: Klassische Musik



    *Wenn bei Jean Paul der Name Beethoven noch keine Rolle spielt, so liegt das daran, daß der Dichter trotz seines ausdrücklichen Wunschs niemals nach Wien kam, an die Hauptwirkungsstätte Beethovens. Die Zeitgenossenschaft des Komponisten mag überdies zu unmittelbar gewesen sein. Beethoven wurde sieben Jahre nach Jean Paul geboren und starb 1827, zwei Jahre nach diesem, während des Dichters Anschauungen über Musik sich um die Jahruhundertwende konstituieren, zu einem Zeitpunkt an dem sich Beethovens Schaffen seinem Höhepunkt gerade erst nähert. Nach eigener Aussage hat Jean Paul nur eine Beethoven-Symphonie gehört, was aber nicht gegen die Annahme spricht, daß Jean Paul den Diskurs um das Phänomen Beethoven kannte.*

    Geheime Texte: Jean Paul und die Musik, Band 251, von Julia Cloot
    « La haine impie accroîtrait vos misères »
    ("Der gottlose Hass erhöht euer Elend")


  2. #1202
    Einsiedler Benutzerbild von Coriolanus
    Registriert seit
    05.10.2015
    Ort
    Maimont
    Beiträge
    7.471

    Standard AW: Klassische Musik



    Die Liedkompositionen der Zeit gehören zu Jean Pauls musikalischem Umfeld, er kennt Lieder von Lorenz Schneider, Hans-Georg Nägeli, Friedrich Wilhelm Rust, Siegmund von Seckendorf, Zelter, Reichardt und anderen. Entscheidend ist jedoch stets der Kontext, in dem diese Lieder erscheinen. Eine Konzertszene wie aus dem Lehrbuch für empfindsame Romandichter gestaltet Jean Paul nicht ohne Ironie in der vierten Ruhestunde aus dem Heimlichen Klagelied der jetzigen Männer (1800) unter dem Titel Air à trois notes.
    « La haine impie accroîtrait vos misères »
    ("Der gottlose Hass erhöht euer Elend")


  3. #1203
    Einsiedler Benutzerbild von Coriolanus
    Registriert seit
    05.10.2015
    Ort
    Maimont
    Beiträge
    7.471

    Standard AW: Klassische Musik

    Nebenbei bemerkt, vorhin hörte ich im Autoradio ein, oder besser gesagt, das Streichquartett von Giuseppe Verdi.

    Habe mich oft gefragt, warum Verdi sich so übermäßig auf Opern fokussierte, und die instrumentale Musik bei ihm eine untergeordnete Stellung einnahm.

    Sein Quartett für Streicher vertonte er 1873, während sich die Erstaufführung seiner Oper 'Aida' in Neapel verzögerte; zum Glück der Nachwelt war die Sängerin verstimmt, die für die Titelrolle auserkoren war.

    Daß Verdi die freie Zeit nutzte, um ein Streichquartett zu komponieren, war insofern außergewöhnlich als daß kammermusikalische Werke zu jener Zeit in Italien alles andere als angesagt waren.

    Im Zusammenhang mit seinem Streichquartett soll Verdi die Ansicht geäußert haben, daß die Kammermusik zu Deutschland gehöre und die Oper, wo das gesungene Wort im Vordergrund stünde, zu Italien.

    Indirekt kann man das natürlich als feine Spitze gegen Richard Wagner auffassen.
    « La haine impie accroîtrait vos misères »
    ("Der gottlose Hass erhöht euer Elend")


  4. #1204
    Einsiedler Benutzerbild von Coriolanus
    Registriert seit
    05.10.2015
    Ort
    Maimont
    Beiträge
    7.471

    Standard AW: Klassische Musik

    Zurück zu Jean Paul, der als Schriftsteller ähnlich polarisierend wirkte, wie Ludwig van Beethoven als Komponist. Wolf Schneider, der Verfasser des netten Büchleins "Deutsch für Profis", schrieb:

    Zitat Zitat von Wolf Schneider
    So habe ich mir mit diesem Buch dreierlei vorgenommen: dem guten Willen Mut zu machen, wo er im Ansatz da ist; die bequemsten Wege zu besserem Deutsch (oder mindestens die am wenigsten unbequemen) darzulegen; schließlich die nachwachsende Journalisten-Generation auf diese Aufgabe einzustimmen.

    Ein Quantum Systematik scheint mir dazu der beste Weg: Übersicht, handfeste Beispiele und, wo immer möglich, praktische Rezepte. Systematisch bin zunächst ich selber vorgegangen: Ich habe nicht den Ehrgeiz, meine eigenen höheren Einsichten unter die Kollegen zu bringen, sondern ich habe mich vollgesogen mit allen umlaufenden Ratschlägen über gutes und verständliches Deutsch – nicht gerade bei den alten Germanen beginnend, doch bei Lessing und Jean Paul (und ohne Scheu vor Homer); endend mit dem Studium aller Sprachfibeln und Schwarzen Listen, die mir aus deutschen Redaktionen bekannt geworden sind.

    Deutsch für Profis, Kapitel 1, Der Duden hat kapituliert
    Die Sprachfibeln und Schwarzen Listen lassen wir hier mal außen vor, aber nicht gerade unbedeutend erscheint mir, daß Schneider für sein Buch nicht an Jean Paul vorbeikam, wenn es ums Deutsche geht. Das hat natürlich seine Gründe, da sich Paul wie kaum ein anderer um die deutsche Sprache verdient machte, und obendrein ein großes Fachwissen auf diesem Gebiet vorweisen konnte, das über den allgemeinen Standard eines heutigen Germanisten weit herausragen dürfte:

    Zitat Zitat von Jean Paul
    Wahrlich, wer in Grimms Meister-Grammatik – diesem deutschen Sprachheroum – es lesen muß, wie unsere Sprache die reiche Klang-Singstimme ihrer Jugend durch die Jahre eingebüßt und sie nun, gleich einer alten Frau, da kreischt und pfeift, wo sie früher sang: der möchte weinen über einen Verlust auf ewig. Denn er muß in Grimm lesen, wie z. B. unsere Deklination Tag sonst in Taga, Tago, Tagum umgebogen wurde; unsere andere Hirt sonst in Hirti, Hirta, Hirto, Hirtum; und wie eine andere auf a, u, o, ono, om und wieder eine auf eo, eon, eono ausklang oder ein Adjektiv auf emo, u, an, ero, iu, era, eru, o. Ja man muß – denn an die oft griechischtönenden Beugungen der vorigen Zeitwörter darf man gar nicht denken – von Grimm noch erfahren, [Fußnote] wie Ort- und Flußnamen z. B. in Hessen und Thüringen sonst geklungen gegen jetzo; z. B. Phiopha lautet heut zu Tage Pfiefe – Fanaha jetzt Venne – Passaha jetzt Besse – Thiatmelli jetzt Ditmold – Mursenaha jetzt Morschen – Miminunga jetzt Meinungen – Slutiza jetzt Schlitz – Butinesbah jetzt Butzbach. – Aber ich muß die Grimmsche Grammatik bei Seite legen, um mit der Gelassenheit eines grammatischen Vorredners die jetzige Sprache anzuhören und anzusehen, bei ihrer S-Krätze von Außen und dem E-Gries von Innen, welche beide Samstag- oder Schabbes-Buchstaben an die Stelle der vollen Sonntagbuchstaben sich jüdelnd eingelispelt. Allerdings hat sie seitdem an Reichtum gewonnen, wie sie an Weichheit des Klangs verloren, wie ein Mensch zugleich reicher und härter wird. Neben ihre hellen Silbersaiten sind viele kostbare, aber dumpfe Goldsaiten aufgezogen.

    Was ist zu tun? Wenigstens gewöhne man, da kein Echo des vorigen Wohlklangs aufzuwecken ist, ihr so viel Übellaute ab, als man kann. Ich werde, hoff' ich für meine langwierige Mühe doch zwei Kränze aufzusetzen bekommen – denn an den dritten und größten, durch zwölf Briefe hindurch Recht zu behalten und Recht einzuführen, zumal über die ungs, keits, ions, ist gar nicht zu denken –; aber der erste Kranz kann sein, daß das Näherbringen der Natur der Doppelwörter tausend Schreiber an einige Auslese im Gebrauchen alter, falscher Zusammensetzungen und an einige Behutsamkeit im Erschaffen ähnlicher neuer erinnert, wie z. B. leider Eidsgenossenschaft ist; denn bei so vielen alten Ausnahmen von der Regel sind neue desto sündiger, gleichsam ein Auswuchs aus dem Auswuchs, oder kleinste Staaten eines Staats im Staate. In der Tat wär' es endlich gut, Ohr und Zeit und Recht zu schonen.


    [Links nur für registrierte Nutzer]
    « La haine impie accroîtrait vos misères »
    ("Der gottlose Hass erhöht euer Elend")


  5. #1205
    Einsiedler Benutzerbild von Coriolanus
    Registriert seit
    05.10.2015
    Ort
    Maimont
    Beiträge
    7.471

    Standard AW: Klassische Musik

    Zitat Zitat von Jean Paul
    Dem Anschein nach ist nichts regelloser als die Art, auf welche unsere Sprache in den Doppelwörtern das Bestimmwort mit dem Grundworte [Fußnote] verknüpft; und die menschlichen Ehen werden bei den verschiedenen Völkern kaum mannigfaltiger geschlossen als bei uns die grammatischen der Doppelwörter. Das gewöhnlichste Band zwischen zwei Wörtern – was auch bei Menschenehen das gewöhnlichste – ist das bloße Zusammenstellen ohne Weiteres von Trauformel und Band, z. B. Halsband, Brautkranz – dann mit einem s und es, z. B. Staatsmann, Landesherr – sogar bei weiblichem Geschlecht, z. B. Erziehungsfach – ferner in der Einzahl ungeachtet der Mehrzahl, z. B. Fußbad, Schafherde – ferner in der Mehrzahl ungeachtet der Einzahl, z. B. Kindermörderin – ferner mit en und ens, z. B. Frauenkleid, Herzenskummer – ferner mit dem e und er der Mehrzahl, z. B. Mäusegift, Eierschale – ferner mit Wegschneidung des e, z. B. Sachregister – und endlich mit Zusetzung eines s an Bestimmwörter, die sich mit einem zweiten Bestimmwort verlängern, z. B. Nachttraum verlängert Sommernacht s-Traum. So werden demnach, um die meisten Beispiele in einem zusammen zu geben, dem Worte Krone die Bestimmwörter Baum, Kaiser, König, Fürst, Mann, Frau, Herz, Friede, Schlange, Schule, Liebe sämtlich anders verändert angefügt und nur die beiden ersten unverändert gelassen: Baum- und Kaiserkrone; dann Königs-, Fürsten-, Männer-, Frauen-, Herzens-, Schlangen-, Schul- und Liebes-krone.

    Aber, Himmel, können wahre Kronenvereine und Verträge auf verschiedenere Weisen geschlossen werden als diese Wortvereine? Wenn man inzwischen bei einer solchen außerordentlichen Mannigfaltigkeit von Leittönen, womit ein Bestimmwort ins Grundwort übergeht und übertönt, bei den Sprachlehrern nach der Regel, welche den jedesmaligen bestimmten Leitton festsetzt, die Frage tut, so haben sie in ihren Büchern (wie z. B. Adelung) gar nicht an die Frage gedacht, sondern nur bloß die einzelnen Beispiele des Gebrauchs aufgeführt, es aber völlig uns und – was noch jämmerlicher ist – dem Ausländer überlassen, durch Sprachübung die dreißigtausend Doppelwörter unserer Sprache unter die verschiedenen Fahnen ihrer Regimenter richtig einzureiben.

    [Links nur für registrierte Nutzer]
    Vor allem die abschließende Bemerkung sollte man sich genüsslich auf der Zunge zergehen lassen. Obwohl Jean Paul den Ausländer in seiner Ausführung in Schutz nimmt, grenzt er sich als Deutscher eindeutig ab. Daraus lässt sich ableiten, daß Jean Paul gewiss kein Fremdenfeind war, aber dennoch in einem völkischen Denken verhaftet, was ja heutzutgage als ultimativer Nachweis für Dummheit, Rückwärtsgewandheit oder Ewiggestrigkeit gilt.
    « La haine impie accroîtrait vos misères »
    ("Der gottlose Hass erhöht euer Elend")


  6. #1206
    Einsiedler Benutzerbild von Coriolanus
    Registriert seit
    05.10.2015
    Ort
    Maimont
    Beiträge
    7.471

    Standard AW: Klassische Musik

    Zitat Zitat von Apostate Beitrag anzeigen
    Im Zusammenhang mit seinem Streichquartett soll Verdi die Ansicht geäußert haben, daß die Kammermusik zu Deutschland gehöre und die Oper, wo das gesungene Wort im Vordergrund stünde, zu Italien.[...]


    nina1608 vor 8 Monaten
    I really think that there is no music as satisfying and delicious as a well played string quartett...
    Was die Streichquartette aus meiner Sicht so angenehm und reizvoll macht, ist die noch überschaubare Zahl der Stimmen. Bei einem Sextett oder Septett wird es schon schwieriger, allen Instrumenten separiert voneinander zu folgen, ganz zu Schweigen von großen Orchestern.
    « La haine impie accroîtrait vos misères »
    ("Der gottlose Hass erhöht euer Elend")


  7. #1207
    Einsiedler Benutzerbild von Coriolanus
    Registriert seit
    05.10.2015
    Ort
    Maimont
    Beiträge
    7.471

    Standard AW: Klassische Musik

    Der Lübecker Totentanz war eine der bekanntesten und wirkungsmächtigsten Totentanz-Darstellungen. Er wurde beim Luftangriff auf Lübeck in der Nacht zum 29. März 1942 vollständig zerstört.


    Vorkriegsaufnahme des Lübecker Totentanzes (Kopie von 1701) (ohne Inschriften)

    Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs hatte man die Kapelle und den Totentanz mit einer massiven Holzverschalung gegen Sprengbombeneinwirkung gesichert, jedoch nicht bedacht, dass dies gegen Brandbomben nicht nur nichts helfen würde, sondern die Zerstörung sogar beförderte. So verbrannte der Totentanz beim Bombenangriff auf Lübeck in der Nacht zum Palmsonntag 1942 vollständig. Eine genauere Vorstellung vermittelt heute nur noch die Fotodokumentation des Lübecker Fotografs Wilhelm Castelli.

    [Links nur für registrierte Nutzer]
    Im Mittelalter kam der Tod für die Menschen mit der Pest, zur Zeit der Romantik war die Syphilis ein sicheres Todesurteil. Und für Deutschland tritt Freund Hein in Gestalt Angloamerikas auf.

    « La haine impie accroîtrait vos misères »
    ("Der gottlose Hass erhöht euer Elend")


  8. #1208
    Einsiedler Benutzerbild von Coriolanus
    Registriert seit
    05.10.2015
    Ort
    Maimont
    Beiträge
    7.471

    Standard AW: Klassische Musik

    Liebestod, ein literarisches Motiv, das Richard Wagner zugeschrieben wird. Darüberhinaus, wie das Liebesleben, ein liebreizendes Beispiel für die zuvor hier beschriebene Willkür hinsichtlich der deutschen Doppelwörter. Jean Paul übrigens hoffte darauf, daß der 'Bundtag' eines Tages dieses Wirrwarr in der deutschen Sprache bereinigen wird.
    « La haine impie accroîtrait vos misères »
    ("Der gottlose Hass erhöht euer Elend")


  9. #1209
    Einsiedler Benutzerbild von Coriolanus
    Registriert seit
    05.10.2015
    Ort
    Maimont
    Beiträge
    7.471

    Standard AW: Klassische Musik

    Das Reichsgesetzblatt (Abkürzung: RGBl.) war das amtliche Verkündungsblatt des Deutschen Reiches von 1871 bis 1945. Bis 1922 wurde es vom Reichsministerium der Justiz in Berlin herausgegeben, danach vom Reichsministerium des Innern. Soweit nichts anderes bestimmt war, traten Reichsgesetze erst „mit dem vierzehnten Tage nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Reichs-Gesetzblatt in der Reichshauptstadt ausgegeben worden“ war.[1]
    Bereits vorher bestand ein Reichsgesetzblatt für die Frankfurter Nationalversammlung (1848/49).


    Vorläufer des Reichsgesetzblattes waren das Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes (Erste Ausgabe 2. August 1867, letzte Ausgabe 20. Januar 1871) und das Bundesgesetzblatt des Deutschen Bundes (Erste Ausgabe 27. Januar 1871). Die letzte Ausgabe vom „Bundes-Gesetzblatt des Deutschen Bundes“ war vom 29. April 1871 und erschien am 2. Mai 1871 als Nr. 18 auf der Seite 91 des Jahrgangsbandes 1871.
    Die erste Ausgabe des Reichsgesetzblatts erschien am 8. Mai 1871 als Ausgabe Nr. 19 auf der Seite 95 mit der Veröffentlichung Nr. 636, da das Bundesgesetzblatt des Deutschen Bundes unter dem Namen „Reichsgesetzblatt“ im selben Band fortgeführt wurde.

    [Links nur für registrierte Nutzer]
    Wieso wird das Gesetzblatt beim Reich und dem Bund einmal mit "s" und im anderen Fall mit "es" geschrieben und somit also anders verbunden? Das ergibt überhaupt keinen Sinn, und in der Tat, je mehr ich darüber nachdenke, hätte es sehr viel vereinfachen können, wenn man sich an die Ratschläge, nicht "Ratsschläge", von Jean Paul gehalten hätte. Im ersten Moment mag es schräg klingen, vom Bundgesetzblatt, bzw. dem Reichgesetzblatt zu sprechen, aber die Vorteile, die man mit einer einheitlichen Linie hätte, sind wohl kaum von der Hand zu weisen.

    Auf der anderen Seite, was soll's? So wie es derzeit abläuft, wird in Deutschland zukünftig sowieso jedes Kauderwelsch zulässig sein, und das auch noch staatlich gefördert.

    Wenigstens beim Hammerflügel war der Zufall gnädig, und hat das Ohr geschont. Stellt euch mal vor, es hieße 'Hammersflügel':

    « La haine impie accroîtrait vos misères »
    ("Der gottlose Hass erhöht euer Elend")


  10. #1210
    Einsiedler Benutzerbild von Coriolanus
    Registriert seit
    05.10.2015
    Ort
    Maimont
    Beiträge
    7.471

    Standard AW: Klassische Musik

    Zitat Zitat von Jean Paul
    Endlich, geehrteste reizende Freundin, erfüll' ich das Ihnen schon im vorigen Jahr vorgestern gegebene Versprechen, Sie mit meinem grammatischen Funde der Hauptregel über das Paaren des Bestimmwortes mit dem Grundworte zu unterhalten.

    Das Bestimmwort – oder auch die Beifüge, wie es der vortreffliche Spate in seiner »Lehrschrift von der hochdeutschen Sprachkunst« nennt – ist eigentlich ein verstärktes oder ein verstärkendes Adjektiv, das sich mit dem Grundworte zu einem Worte verschmelzt und daher die gewöhnlichen Trenn- und Regierzeichen zwischen zwei Wörtern ablegt und dadurch das allgemeine Grundwort zu einer eingeschränkten Bedeutung bestimmt; z. B. es gibt viele abendliche Sterne, oder auch Sterne des Abends, aber der Abendstern ist ein besonderer und bestimmter; so wird aus großem Handel und großem Kreuze Großhandel und Großkreuz durch Einschränkung.

    Das bittere Salz wird ein bestimmtes Salz, wenn das Adjektiv-Trennzeichen wegfällt und so Bittersalz sich bildet; Ehre wirft sein Nominativ-e weg und bildet Ehrliche; andere Substantive geben die Pluralzeichen auf, z. B. in Fußbad; Zeitwörter das Infinitiv-en, z. B. fühlen in Fühlhorn. Daher gibt es wohl in der ganzen deutschen Sprachlehre keinen vielfachern Irrtum, meine Verehrteste, als den, das Bestimmwort im Verhältnis des Genitivs zum Grundworte zu denken. Denn erstlich tritt das Bestimmwort, wenn es ein Substantivum ist, aus jedem Beugefall an sein Grundwort, z. B. Mannweib, Zwergbaum (Nominat.) – göttergleich, ehrwidrig, Geldarmer (Dativ) – wahrheit-, ehrliebend (Akkusat.) – Berggipfel (Genitiv). – Zweitens gattet jede Wörterklasse sich mit einem Grundwort: Adverbien, z. B. Jetztwelt; Ausrufungen, z. B. Achgeschrei; Adjektive, z. B. Sauerhonig; so wie sogar Adjektive sich mit ihres Gleichen, z. B. bittersüß. – Drittens hab' ichs schon vorgeführt, wie die Bestimmwörter gerade ihre Eigentümlichkeiten und Trennzeichen fallen lassen, um mit ihren heiratenden Grundwörtern ein Leib und eine Seele zu werden. – Viertens könnt' ich noch anführen, daß daher die Genitiv-es und -s, die den Bestimmwörtern als Auswüchse anhangen, nicht bloß überflüssig, sondern oft sogar regelwidrig stehen, z. B. gesundheits-, ordnungswidrig, standesgemäß, wo offenbar der Dativ, oder wahrheitsliebend, wo der Akkusativ sein mußte.

    [Links nur für registrierte Nutzer]
    Präziser kann man es nicht auf den Punkt bringen, und Jean Paul ist dabei unwiderlegbar, indem er klar aufzeigt, daß diese 's'-Auswüchse in deutschen Doppelwörtern überflüssig sind und sogar regelwidrig stehen, also nicht *übersflüssig* und *regelswidrig*, wie es sonst heißen müsste.
    « La haine impie accroîtrait vos misères »
    ("Der gottlose Hass erhöht euer Elend")


+ Auf Thema antworten

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)

Ähnliche Themen

  1. Große Männer der Zeitgeschichte: Klassische Musik, .....die Menschen verbindet!
    Von Simplex im Forum Kunst - Literatur - Architektur - Musik - Film
    Antworten: 19
    Letzter Beitrag: 26.10.2013, 12:59
  2. Klassische Stücke - Empfehlungen gesucht
    Von Oni im Forum Kunst - Literatur - Architektur - Musik - Film
    Antworten: 48
    Letzter Beitrag: 07.08.2007, 07:52
  3. klassische rollenverteilung in der familie?
    Von ernesto, die katze im Forum Gesellschaft / Soziales / Arbeit / Bildung / Familie
    Antworten: 95
    Letzter Beitrag: 08.05.2006, 19:21
  4. Quiz - Klassische Musik - Neu
    Von WALDSCHRAT im Forum Kunst - Literatur - Architektur - Musik - Film
    Antworten: 7
    Letzter Beitrag: 07.08.2005, 10:03
  5. Klassische Musik.
    Von Nebukadnezar im Forum Kunst - Literatur - Architektur - Musik - Film
    Antworten: 9
    Letzter Beitrag: 13.11.2003, 19:26

Nutzer die den Thread gelesen haben : 113

Du hast keine Berechtigung, um die Liste der Namen zu sehen.

Forumregeln

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •  
nach oben