Wir sind das Volk!
Seine Liebesgedichte rührten Generationen. Seine politische Lyrik inspirierte noch die Bürgerrechtler der DDR: Zum 200. Geburtstag Ferdinand Freiligraths ein Lebensbild
Marlene Dietrich weint. In Maximilian Schells Filmporträt von 1984 versagt ihr die Stimme, als sie es vorliest, dieses berühmteste Liebesgedicht des Dichters: "O lieb, solang du lieben kannst! [...]Als Marlene Dietrich abbricht, fährt Maximilian Schell fort: "Der Mund, der oft dich küsste, spricht / Nie wieder: Ich vergab dir längst!" Da bricht es aus der Schauspielerin heraus: "Ich kann das nicht sagen, ich muss nur heulen… Entschuldigung… Das sagen doch so viele Leute: ›Es war nicht bös gemeint‹ … Und was die schönste Zeile ist: ›Der andre aber geht und klagt.‹"
Die Gedichte des Ferdinand Freiligrath, sie haben ihre seltsam suggestive Kraft bewahrt. Das gilt für seine Liebespoesie wie für seine politische Lyrik. Und wenn sein Name auch aus manchem Schullesebuch verschwunden sein mag, seine Verse leben auf vielfältige Art weiter, wie nicht nur diese ergreifend rätselhafte Szene aus Schells Dietrich-Film zeigt.
Freiligrath war neben Heinrich Heine und Georg Herwegh der populärste deutschsprachige Lyriker zur Mitte des 19. Jahrhunderts, sein Einfluss immens. Seine Gedichte konnte ganz Deutschland auswendig; Schumann, Mendelssohn Bartholdy, Liszt und Carl Loewe haben sie vertont. Und wie in seinem Werk zwischen biedermeierlicher Romantik und revolutionärem Agitprop, so spiegelt sich in seinem ganzen Schicksal die deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts.
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