Geuther: Jetzt ist es dem Kirchenasyl ja geradezu immanent, dass man sich damit über Gesetze hinwegsetzt, weil man die christliche Nächstenliebe im Einzelfall für das höhere Gut hält.
De Maizière: Ja, das geht eben nicht, dass eine Institution sagt: "Ich entscheide jetzt mal, mich über das Recht zu setzen." Ich will mal ein etwas anderes Beispiel nehmen: Die Scharia ist auch eine Art Gesetz für Muslime, sie kann aber in keinem Fall über deutschen Gesetzen stehen. Das ist, glaube ich, ganz eindeutig. Und trotzdem gilt, dass, wie gesagt, in wenigen Fällen, wo es um Erbarmen geht - um das Wort noch mal zu verwenden - auch ein Innenminister eines Bundes oder eines Landes irgendwie Verständnis zeigen muss.
Aber eine richtige förmliche Berufung und hunderte von Fällen, das geht zu weit.
Flüchtlinge in einer Kirche in Berlin-Kreuzberg:
Laut de Maizière stellen die hunderte Fälle von Kirchenasyl ein Missbrauch dar. (imago/Christian Mang)
Geuther: Was folgt daraus? Derzeit sind rund 360 Menschen in Kirchenasyl.
De Maizière: Ich wollte hier gar keine Diskussionen auslösen, sondern das war eine Wortmeldung in einem internen Gespräch. Wenn jetzt darüber auch in Kirchen eine Diskussion stattfindet, fände ich das gut.