"Wie ich meine Zeitung verlor" von Birk Meinhardt
Was falsch läuft im Journalismus
Ein Buch, das Streit provoziert. Der preisgekrönte Reporter und Romancier Birk Meinhardt schildert in "Wie ich meine Zeitung verlor", warum er der Süddeutschen Zeitung den Rücken kehrte.
144 Seiten, mehr braucht Birk Meinhardt nicht für diese Geschichte, die seine ist und zugleich unser aller Geschichte. Es geht darin um das, was derzeit falsch läuft im Journalismus und warum gerade Medien, die doch beanspruchen, Mittler der Wirklichkeit zu sein, zu oft "Weglasser" und Ausblender derselben sind und deshalb fatalerweise "selber einen gehörigen Beitrag leisten zur Radikalisierung, die sich vor unseren Augen vollzieht. Wieso begreifen sie nicht, daß sie ohne Unterlaß mit erzeugen, was sie so dröhnend verdammen?"
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Birk Meinhardt kommt aus dem Osten, und er hat noch gut im Ohr, mit welcher Begründung man damals bei der FDJ-Zeitung, für die er als Sportreporter schrieb, missliebige Artikel ablehnte: Das könnte dem Klassenfeind in die Hände spielen. Bei der SZ hieß es hingegen: Dieser Artikel könnte "von Rechten als Testat dafür genommen werden, dass sie ungerechtfertigterweise verfolgt würden", er könnte von ihnen für ihre Zwecke genutzt werden. Meinhardt druckt den inkriminierten Text so wie auch die beiden anderen nie publizierten Reportagen im Buch vollständig ab – so dass jeder sich selbst ein Bild von ihnen machen kann. Unverständlich, warum sie nie in die Zeitung fanden.
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Mitschuld der Medien am Lagerdenken
Journalisten und Journalistinnen reden und schreiben viel über Spaltung und Polarisierung, sagt Birk Meinhardt, ohne zu sehen, dass sie selbst Teil des Problems seien: "Der Journalismus trägt meines Erachtens eine Riesenschuld an der Verhärtung der Fronten, die er selber beklagt. Er bringt sie maßgeblich mit hervor und er beklagt sie danach." Meinhardt macht es deutlich an einem unscheinbaren Satz, der einmal in der
Süddeutschen gestanden hat: "Da hieß es: Wir sollten schon mit den Ausgescherten, also mit den Populisten, den Wütenden, all denen, zu denen wir nicht mehr dringen, reden, auch wenn es fast sicher ist, dass wir sie nicht werden überzeugen können. Das ist ein scheinbar banaler Satz.
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"Was ihr 'Moral' nennt, das ist für mich Krampf ... Eure Ideale habt ihr diskret verschlampt wie ein gebrauchtes Tempotuch", heißt es in einem alten Lied von BAP - Meinhardt zitiert es in seinem klugen kleinen Buch, das nie selbstgerecht anklagt, sondern selbstkritisch ist und sich als "Selbstbefragung" versteht. Es erzählt in ruhigen Worten von einer "Desillusionierung".