Warum Ladendiebstahl heute so einfach geworden ist
Ladendiebstahl hat den Handel zuletzt mehr als zwei Milliarden Euro gekostet. Der jüngste Trend: Attacken ganzer Banden. Ein Trend im Einzelhandel hat den Kriminellen das Leben erleichtert.
Jährlich kommt es bundesweit zu 26 Millionen Ladendiebstahldelikten. Das geht aus einer am Mittwoch vorgelegten Studie des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI hervor. Der Handel leide unter Milliardenschäden. Während die Zahl einfacher Ladendiebstähle eher gleich bleibe, hätten schwere Ladendiebstähle dramatisch zugenommen.
Rund 1,3 Milliarden Euro investiert der deutsche Einzelhandel jährlich in Technik und Personal zum Diebstahlschutz, doch es ist bislang offenbar nicht gelungen, das Problem einzudämmen. Mehr Technik zur Vorbeugung stehe dabei weniger Personal zur Beaufsichtigung gegenüber, heißt es in der Studie.
Der deutsche Einzelhandel macht es Ladendieben allerdings heute oft nicht allzu schwer. Das liegt vor allem an den vielerorts verlängerten Öffnungszeiten. "Obwohl die Ladenöffnungszeiten stark erweitert wurden, sind die Detektiveinsatzstunden nicht erhöht worden", heißt es in der Studie.
"Die Waren werden frei zugänglich präsentiert und das Personal wird radikal abgebaut", beschreibt Stephan Hegger, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Nordrhein-Westfalen, das Dilemma. Doch die Polizei sieht sich an den Grenzen ihrer Belastbarkeit angelangt.
Organisierte Banden am Werk
Um die Beamten zu entlasten, hat die Gewerkschaft vorgeschlagen, bei einfachen Ladendiebstählen auf aufwendige Ermittlungen zu verzichten und nur noch Bußgelder zu verhängen. Damit sieht sich die GdP in NRW als bundesweiter Vorreiter. Mit Ermittlungsverfahren geahndet werden sollten nur schwere Vergehen wie etwa Bandendiebstähle. "Diese Leute müssen wir anders behandeln als die Oma, die vergessen hat, die Butter zu bezahlen", sagt Hegger.
Der Hauptverband des deutschen Einzelhandels (HDE) fordert dagegen eine konsequente Bestrafung. "Ladendiebstahl ist kein Kavaliersdelikt", betont HDE-Sprecher Stefan Hertel. Der Handel leide derzeit vor allem unter einer Zunahme von organisierten Bandendiebstählen. "Zwei Mann stürmen in den Laden und räumen das Regal aus", beschreibt er die oft drastische Vorgehensweise.
Für das vergangene Jahr beziffert das EHI die sogenannten Inventurdifferenzen in Deutschland unverändert auf rund 3,9 Milliarden Euro. Diebe unter den Kunden haben daran nach den Berechnungen mit geklauten Waren für 2,1 Milliarden Euro den größten Anteil.
Weitere Diebstähle im Wert von 900 Millionen Euro gingen auf das Konto unehrlicher Mitarbeiter. 300 Millionen Euro werden Lieferanten und Servicekräften zugerechnet. Die verbleibenden rund 600 Millionen Euro Inventurschwund entstünden durch organisatorische Mängel wie Fehlbuchungen, verlegte Ware oder Fehletikettierungen.
Halbe Milliarde an Mehrwertsteuer
Beliebte Klauartikel seien erfahrungsgemäß kleine, teure Waren wie Parfüm, Rasierklingen, Brillen oder Smartphones. Bei Bekleidung zeigten Diebe eine Vorliebe für hochwertige Marken und modische Accessoires. "Was sich gut verkauft, wird auch oft geklaut", so der EHI-Experte Frank Horst.
Die Branche will als Gegenmittel die Videoüberwachung ausbauen und Mitarbeiter verstärkt schulen. Fast jedes dritte Unternehmen plant, künftig das Kassenpersonal oder auch Verkäufer und Führungskräfte besser auszubilden, 70 Prozent der Unternehmen setzen zudem auf Kamera- und Videotechnik.
Neben den Verbrauchern wird auch der Staat geschädigt. Ihm entgingen 2014 rund 450 Millionen Euro an Mehrwertsteuer. Für die Studie wurden 110 Unternehmen mit fast 21.000 Standorten befragt – vom Möbelhaus über den Baumarkt bis zum großen Warenhaus.
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