Das Volk in Europa, wir Europaer muessen uns besser verstehen lernen
und nicht nur die viefaeltigen Unterschiedlichkeiten Abstammung, Kultur,
Sprachen und Religionen sondern die Gemeinsamkeiten sehen.

Nicht gegeneinander sondern miteinander!

Fuer eine gedeihliche, multiethnischen, multikulturelle, interreligioese
Gesellschaft mit den Vereinigten Staaten von Europa als gemeinsamen
Identitaetsstifter zur gefestigten Volksmoral des Europaeischen Volkes.


Die Zeit Online / Griechenland / 25.03.2015 / von Mely Kiyak

Jamtländer und Deutsche, Kalmücken und Griechen, setzt über!

Griechenlands Premier Alexis Tsipras besucht Berlin. Und Angela Merkel hat ihn angeschaut. Na sowas! Aber wurde alles auch korrekt übersetzt?


Vor einigen Wochen sagte Griechenlands Premier Alexis Tsipras im Spiegel: "Wenn ich eine Einladung von der Kanzlerin bekäme, würde ich sie sofort annehmen." Unter normalen Umständen hätte Tsipras sicher deutlich früher eine Einladung erhalten. Aber zwischen Griechenland und Deutschland gibt es seit zwei Monaten keine normalen Verhältnisse. Es gab einen Parteiwechsel, weil die Griechen von ihrer Vorgängerregierung die Nase gestrichen voll hatten. Es war zufällig jene Regierung, die wiederum von unserer deutschen Regierung eifrig unterstützt wurde. Die alte griechische Regierung abgewählt zu haben, bedeutet indirekt auch, dass man Deutschland eine Absage erteilt hat. Das deutsch-griechische Verhältnis ist beiderseitig – verwenden wir die größtmöglich neutrale Beschreibung – anstrengend.

Noch 2012 hatte Angela Merkel bei einem Besuch in Athen gesagt, dass sie sich wünsche, dass Griechenland in der Eurozone bleibe. Damals war Tsipras noch Oppositionsführer und benutzte Merkels Besuch, um auf sie zu schimpfen und ihr vorzuwerfen, dass sie gekommen sei, das korrupte griechische System zu unterstützen. Alles was man heute weiß, ist, dass Korruption eine Riesenrolle in Griechenland spielte. Nicht, dass Merkel etwas damit zu tun hätte, aber ein System unterstützen heißt nun einmal, ein System zu unterstützen. Wenn zu diesem System Korruption gehört, ist es ein System der Korruption. Damals versprach Merkel den Griechen auf ihrem "schwierigen Weg", dass Deutschland "ein guter Partner und Freund" sein werde. Nun ja, auf Hochzeiten verspricht man sich auch allerhand Freundliches und jeder der Beteiligten weiß, dass spätestens beim ersten Schwiegermutterbesuch der gute Partner und Freund allenfalls zum Partner zusammenschmelzen wird.

Zwischen der Aussage im Spiegel und diesem Montag vergingen erneut einige Wochen und in der Zwischenzeit muss wohl schnell jemand im Kanzleramt eine Einladungskarte gebastelt haben und den roten Teppich gesaugt haben. Tsipras ist diese Woche mit allem Tamtam in Berlin empfangen worden. Tamtam auf bundesrepublikanisch heißt Abholservice am Flughafen Tegel, militärische Ehren mit Parade und Posaune, gemeinsame Pressekonferenz. Stundenlang nahm sich die Kanzlerin Zeit für ihren Staatsbesuch und natürlich wünschte man sich nichts sehnlicher als einen Livestream, denn nichts ist unterhaltsamer als die auf die Verhöhnung folgende Versöhnung.

Kollegen diverser deutscher Zeitungen fanden es notwendig zu erwähnen, dass die Kanzlerin während der gesamten Pressekonferenz den griechischen Gast angeschaut habe. Nein, sowas! Die Kanzlerin hat ihn die g a n z e Zeit angeschaut. Das allein wäre schon Schlagzeilen wert gewesen: "Kanzlerin lässt Tsipras nicht aus den Augen!" und wer es missverstehen will – es gibt Knallblätter in diesem Land, die leben vom absichtlichen Missverständnis – hätten vielleicht gänzlich anders gedeutet: "Kanzlerin starrt Tsipras aus dem Euro raus". Ansonsten gab es keine aufsehenerregenden Neuigkeiten. Bis auf einen beiläufig hingeworfenen Satz, der leider viel zu wenig Beachtung fand.

Tsipras sagte nämlich:

Wir müssen uns besser verstehen!


Diese Äußerung ist angesichts eines Europas, das über 24 Amts- und Arbeitssprachen, fünf halbamtlichen (Baskisch, Galicisch, Katalanisch, Schottisch-Gälisch, Walisisch) und fast 200 weiterer Sprachformen mitsamt allen Dialekten (wie beispielsweise Jamtländisch, Kalmückisch oder Selonisch) verfügt, eine der schönsten, nützlichsten und poetischsten Forderungen.

Abseits von eurolinguistischer Forschung ist es wichtig, dass wir die Sprache des Anderen besser beherrschen.

Viel zu oft gerät in Vergessenheit, dass vor allem auf politischer Ebene übersetzt wird, nicht aber auf kultureller Ebene und so kennen wir unsere Sprachbilder nicht und holpern durch unsere "Partnerschaften". Die innereuropäische Kommunikation ist geprägt durch merkwürdige politische Begriffe (Rettungspaket, Hilfsmilliarden, Schutzschirm). Und nie ist man sich ganz sicher, ob korrekt übersetzt wurde. Man erinnert sich an Yanis Varoufakis Mittelfinger Video, das in Günter Jauchs Talksendung gezeigt wurde. Der griechische Finanzminister bezeichnete das Video auf Englisch als "doctored". Der Dolmetscher übersetzte: "Das Video ist falsch", was natürlich eine grundlegend andere Sache ist.

Ja, wir müssen uns besser verstehen, besser begreifen und besser miteinander auskommen, Jamtländer und Deutsche, Kalmücken und Griechen, und überhaupt alle in diesem beachtlichen Sprachengemisch namens Europa.

Der andalusisch-deutsche Lyriker und Wortdetektiv José F. A. Oliver machte einmal darauf aufmerksam, dass schon das Wort "übersetzen" eine herrliche Bedeutung in sich trage. Nicht nur Worte werden übersetzt, auch Boote setzen über. Von einem Ufer zum anderen. Das ist Sprache. Sich verstehen heißt, zum Anderen zu gelangen.

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