Ich stelle einen Text vor aus Ludwig Friedländers Standardwerk „Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms in der Zeit von Augustus bis zum Ausgang der Antonine". Er ist im Kaptel Verkehrswesen zu finden, im Abschnitt „Handelsverkehr", Unterabschnitt „Handelsreisen". Der von mir geschätzte Friedländer geht insbesondere auf die Ausbreitung syrischer Kaufleute in Europa bis in die Spätantike ein.

Zunächst wird die beherrschende Stellung römischer Kauf- und Geschäftsleute beschrieben.

Doch am zahlreichsten waren allem Anschein nach überall die Orientalen. [...] Der den Apostel Paulus nach Italien begleitende Centurio fand ein dorthin segelndes alexandrinisches Schiff auf der Reede von Myra in Lycien. Bei weitem am häufigsten werden die Syrer genannt. Der Strangtitel ist etwas provokant und entspricht strenggenommen nicht dem aktuellen Verständnis von Invasion.

Dagegen fehlt es so gut wie ganz an Anhaltspunkten dafür, daß von den sehr zahlreichen auswärtigen Niederlassungen der Juden irgendeine des Handels wegen erfolgt sei, was schwerlich zufällig sein kann. Syrische Kaufleute aber und syrische Faktoreien finden wir überall: so in den Häfen Italiens, wie Portus, Neapel, Ravenna und am zahlreichsten wohl in Puteoli.

Eine spanische Inschrift nennt einen Vorsteher des Vereins der Syrer in Malaga; ein syrischer Handelsmann Aurelius Flavius war nach der Inschrift seines zu Salona von seinem Vater errichteten Grabmals in Sirmium gestorben; ein anderer, Bürger und Ratsherr zu Kanatha in Syrien, der Geschäfte von Aquitanien nach Lugdunum (Lyon) machte, am letzteren Orte; in Apulum in Dacien ist ein von zwei syrischen Kaufleuten dem Jupiter gesetzter Votivstein gefunden worden.

Als Kaufleute wird man mindestens zum größten Teil auch die nicht als solche bezeichneten Syrer in den Inschriften des Okzidents anzusehen haben. Die auf dem Begräbnisplatz der kleinen norditalischen Landstadt Concordia im 5. Jahrhundert bestatteten Ausländer sind alle Syrer, meist Apamener; ebenso rühren alle in Trier gefundenen griechischen Inscliriften von Syrern her.

Bis auf den heutigen Tag, schreibt Hieronymus gegen Ende des 4. Jahrhunderts, dauert bei den Syrern die angeborene Leidenschaft für den Handel fort. Aus Gewinnsucht durchstreifen sie die ganze Welt, und eine wahre Geschäftswut beherrscht sie so sehr, daß sie jetzt, wo das römische Reich (von Baibaren) eingenommen ist, zwischen Schwertergeklirr und Mord, unter steten Gefahren nach Reichtümern trachten.

In der Sprache des 5. Jahrhunderts scheint (wenigstens in Gallien) „Syrer" für Bankier gesagt worden zu sein, wie im MIittelalter „Lombarde". Salvianus spricht von den Massen der Kaufleute und Syrer, welche den größeren Teil fast aller Städte in Besitz genommen haben, und Apollinaris Sidonius sagt in einer Schilderung des Treibens zu Ravenna, welches er als eine verkehrte Welt darstellt, daß dort die Geistlichen wuchern, die Syrer Psalmen singen.

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Es geht nicht um oberflächliche Analogien oder billige Polemik. Aber der Eindruck entsteht aktuell doch: Nichts Neues unter der Sonne. Sie waren schon mal da, die Einwanderung erstreckte sich allerdings sicherlich über einen langen Zeitraum und war weniger konzentriert. Ein besonderes Verhältnis zum Handel und Geldgeschäften ist mir von den heutigen Syrern nicht bekannt. Der Strangtitel ist etwas provokant und entspricht strenggenommen nicht dem aktuellen Verständnis einer Invasion.