Die Versehlaterne und die alten Totenbräuche
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Erst einmal sei Ursula Hueber vorgestellt. Die 92-jährige verwitwete Wackersbergerin hat sich ein Leben lang für die Ortsgeschichte interessiert und unzählige Fotografien und Dokumente gesammelt. Nicht minder bemerkenswert sind auch die Erinnerungen an die alte Zeit, die die „Mesner-Usch“ ungemein lebendig und spannend erzählen kann.
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n jenen Zeiten nach dem Krieg – dem Ersten Weltkrieg versteht sich – ging noch die Totensagerin in Wackersberg herum und meldete den Tod eines Dorfbewohners und den Termin der Beerdigung.
Vorher hatten der Pfarrer und Mesner den letzten Dienst an dem Sterbenden vollzogen und ihm die letzte Ölung, heute sagt man Krankensalbung, gespendet. Autos gab es nur ganz wenige. Also musste der Pfarrer in aller Regel zu Fuß ausrücken. Auch mitten in der Nacht. „Es gab ja noch keine Straßenlampen, da war es stockduster“, erinnert sich die alte Frau. Deshalb musste der Mesner dem Pfarrer im Chorrock, der Allerheiligstes und Kommunion trug, den Weg leuchten. Und zwar mit besagter Versehlaterne.
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Huebers Vater Joseph Simon war einst der Mesner von Wackersberg. Und seine Tochter erinnert sich auch acht Jahrzehnte später noch genau, wie unheimlich das für sie und ihre Geschwister gewesen sei, wenn nachts jemand ans Fenster klopfte und nach dem „Verseher“ rief. Am Tag, so hat es die langjährige Poststellenleiterin von Wackersberg noch selbst erlebt, „sind die Leute vom Feld an die Straße gelaufen und haben sich hingekniet, wenn der Pfarrer mit dem Allerheiligsten vorbeigegangen ist“.
Gewöhnlich wurde der Verstorbene im Haus gewaschen und eingesargt. Es waren die Nachbarn, die den Sarg zum Friedhof trugen und das Grab zuschaufelten. Der Mesner und Totengräber hatte hingegen das Grab auszuheben.