Rauswurf in Kassel
Für ihre Veranstaltungen keine Räume zu finden, war bisher ein Problem der NPD. Doch nun bekommt auch die AfD die Folgen ihrer Radikalisierung zu spüren.
Bisher waren in Deutschlands Veranstaltungshallen nur Rechtsextremisten unwillkommen: So musste die NPD ihren Parteitag zur Europawahl Anfang 2014 kurzfristig in das thüringische 170-Einwohner-Örtchen Kirchheim verlegen. Denn die Stadt Saarbrücken hatte der Partei ihre Veranstaltungshalle kurz vor knapp gekündigt. Gäste wurden wieder ausgeladen, weil die von einem NPD-Sympathisanten betriebene Tagungsscheune in Kirchheim nur für 200 Gäste zugelassen ist. Im selben Jahr versuchte die baden-württembergische Stadt Weinheim, die NPD und ihren Bundesparteitag auf Distanz zu halten. Jedoch erfolglos: Nachdem sie vor dem Staatsgerichtshof juristisch unterlag, musste sie der NPD ihre Stadthalle zur Verfügung stellen.
Mittlerweile kämpft auch die AfD vor Gericht um Veranstaltungshallen für ihre Parteitage. Seit der Abwahl des Parteigründers Bernd Lucke wird die Alternative für Deutschland immer häufiger als nationalistische Partei wahrgenommen. Denn Bundesvorsitzende Frauke Petry unternimmt wenig, die Islamhasser und Ausländerfeinde unter den Mitgliedern ruhig zu halten. Entsprechend fallen bundesweit die Reaktionen aus, wenn die AfD auf Herbergssuche geht. "Von etwa 30 Anfragen wurden weit über die Hälfte erkennbar aus politischen Gründen abgelehnt", sagte Pressesprecher Christian Lüth der Welt. Eine Absage kam aus Kassel.
Die Rathausführung der hessischen Großstadt fürchtete offensichtlich Rufschäden und hatte ein bereits an die AfD übermitteltes Vermietungsangebot für das Kongress Palais wieder zurückgezogen. Stadtkämmerer Christian Geselle sagte der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen, er sei als Privatperson "nicht unglücklich" darüber, dass die AfD nun doch nicht am kommenden Wochenende in der Stadt tage. Es wäre dadurch "ein falsches Signal von Kassel ausgegangen". AfD-Sprecher Lüth beklagt, das Vorgehen der Stadt sei "vollkommen inakzeptabel". Kassel habe das Angebot zurückgezogen, bevor die Partei überhaupt darauf habe reagieren können. Das bestätigt auf Nachfrage auch Stadtsprecher Ingo Happel-Emmrich. Er erläutert, die Halle sei am gewünschten Termin ursprünglich frei gewesen. Doch dann sollten die Räume doch für ein bereits geplantes Dankeschön-Fest für ehrenamtliche Helfer genutzt werden. Warum plötzlich das Fest wichtiger war, will Heppel-Emmrich ZEIT ONLINE nicht sagen. Fakt ist: Die AfD klagte, verlor aber in zwei Instanzen vor Gericht. Es habe kein gültiger Mietvertrag vorgelegen, begründeten die Richter ihr Urteil.
Wenige Wochen vor dem Termin musste die AfD ihr Mitgliedertreffen deshalb nach Hannover verlegen. Der Direktor des Kongresszentrums HCC, Joachim König, hat Erfahrung mit solchen Konflikten. Er musste sich jahrelang mit Anfragen der NPD auseinandersetzen. 2007 verlor er in drei Instanzen und musste die Halle zur Verfügung stellen. In den Folgejahren konnte er gerichtsfest nachweisen, dass die Hallen belegt sind. Grundsätzlich schreibt das Parteiengesetz in Paragraf 5 vor, dass die von Kommunen und kommunalen Unternehmen betriebenen Hallen allen Parteien offen stehen, die nicht verboten sind. Einzelne Parteien zu benachteiligen, ist rechtswidrig.
"Die Anwälte der Partei sind mittlerweile darauf spezialisiert, gegen Absagen vorzugehen", sagt König, der auch Präsident des Verbands europäischer Kongresszentren ist, ZEIT ONLINE. Auch wer kreativ vorgehe und etwa Wartungsarbeiten vorschütze, handele illegal und sei weitgehend chancenlos. Vor Gericht könne der Streitgegner die Herausgabe von Wartungsplänen, Auftragsbestätigungen oder anderer Planungsunterlagen verlangen. "Ich kenne das seit Jahrzehnten", sagt König...
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