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Die Entwicklungshilfe ist doch auch eine Art Wiedergutmachung für den Kolonialismus.
Ich meine, es greift zu kurz, den Kolonialismus im Nachhinein als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verurteilen. Man muss ihn auch im Kontext seiner Zeit sehen. Es ging nicht nur darum, die afrikanischen Bodenschätze auszurauben. Es gab viele überzeugte Christen, die ihre Werte nach Afrika tragen wollten. Es ist zudem unverständlich, wie man 60 Jahre nach der Unabhängigkeit Afrikas so tun kann, als sei der Kontinent ferngesteuert. Wenn heute Nigeria mit 190 Millionen Einwohnern schlecht regiert ist, dann ist das in erster Linie die Verantwortung der Nigerianer – und nicht unsere. Wir müssen damit aufhören, die Afrikaner ständig als Opfer zu sehen und ihnen endlich auf Augenhöhe begegnen.
Die reichen Industrienationen beuten den afrikanischen Kontinent aus.
Diese Auffassung entspricht nicht mehr der Wirklichkeit. In den letzten 40 Jahren hat sich die Schere zwischen reichen und armen Ländern zunehmend verengt, weil Indien, China, Brasilien und die Türkei reicher geworden sind. Es gibt aber überall Globalisierungsgewinner und -verlierer. Auch in Afrika. Jede Gesellschaft muss solidarischer mit ihren Verlierern sein. Das gilt für uns – Europäer oder Amerikaner –, aber auch für reiche Afrikaner. Bislang geschieht da nicht viel.
Westliche Firmen bauen in Afrika Rohstoffe ab und lassen die Einheimischen unter übelsten Bedingungen schuften.
Was wir Afrika heute wirklich wegnehmen, ist seine Elite. Ein Beispiel: Mehr als ein Drittel der in Afrika ausgebildeten Ärzte und Krankenschwestern arbeiten heute in den höchstentwickelten Ländern.
In den überfüllten Schlauchbooten sitzt wohl kaum die afrikanische Elite.
Natürlich gibt es echte Flüchtlinge im Sinne der Konvention. Die Mehrheit der afrikanischen Asylanten ist jedoch auf der Suche nach einem besseren Leben.
Was sind das für Menschen?
Fast 80 Prozent der Migranten kommen aus Ländern, wo es Hoffnung gibt – Elfenbeinküste, Senegal, Nigeria, Ghana oder Kenia –, und gehören dort zum Mittelstand. Die Mehrheit der Wirtschaftsmigranten sind dynamische Leute. Sie haben sich emporgearbeitet und den Wunsch nach Veränderung und Abenteuer, ähnlich wie die europäischen Pioniere, die einst nach Amerika gingen, um dort etwas aufzubauen.