Zitat von
Jean Paul
Das Bestimmwort – oder auch die Beifüge, wie es der vortreffliche Spate in seiner »Lehrschrift von der hochdeutschen Sprachkunst« nennt – ist eigentlich ein verstärktes oder ein verstärkendes Adjektiv, das sich mit dem Grundworte zu einem Worte verschmelzt und daher die gewöhnlichen Trenn- und Regierzeichen zwischen zwei Wörtern ablegt und dadurch das allgemeine Grundwort zu einer eingeschränkten Bedeutung bestimmt; z. B. es gibt viele abendliche Sterne, oder auch Sterne des Abends, aber der Abendstern ist ein besonderer und bestimmter; so wird aus großem Handel und großem Kreuze Großhandel und Großkreuz durch Einschränkung. Das bittere Salz wird ein bestimmtes Salz, wenn das Adjektiv-Trennzeichen wegfällt und so Bittersalz sich bildet; Ehre wirft sein Nominativ-e weg und bildet Ehrliche; andere Substantive geben die Pluralzeichen auf, z. B. in Fußbad; Zeitwörter das Infinitiv-en, z. B. fühlen in Fühlhorn. Daher gibt es wohl in der ganzen deutschen Sprachlehre keinen vielfachern Irrtum, meine Verehrteste, als den, das Bestimmwort im Verhältnis des Genitivs zum Grundworte zu denken.
Denn erstlich tritt das Bestimmwort, wenn es ein Substantivum ist, aus jedem Beugefall an sein Grundwort, z. B. Mannweib, Zwergbaum (Nominat.) – göttergleich, ehrwidrig, Geldarmer (Dativ) – wahrheit-, ehrliebend (Akkusat.) – Berggipfel (Genitiv). – Zweitens gattet jede Wörterklasse sich mit einem Grundwort: Adverbien, z. B. Jetztwelt; Ausrufungen, z. B. Achgeschrei; Adjektive, z. B. Sauerhonig; so wie sogar Adjektive sich mit ihres Gleichen, z. B. bittersüß. – Drittens hab' ichs schon vorgeführt, wie die Bestimmwörter gerade ihre Eigentümlichkeiten und Trennzeichen fallen lassen, um mit ihren heiratenden Grundwörtern ein Leib und eine Seele zu werden. – Viertens könnt' ich noch anführen, daß daher die Genitiv-es und -s, die den Bestimmwörtern als Auswüchse anhangen, nicht bloß überflüssig, sondern oft sogar regelwidrig stehen, z. B. gesundheits-, ordnungswidrig, standesgemäß, wo offenbar der Dativ, oder wahrheitsliebend, wo der Akkusativ sein mußte.
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