Schaumburger Nachrichten / 13.11.2013
Thema des Tages / Kfz-Steuer Abgefahren: Zöllner kassieren künftig Kfz-Steuer
Wer in Hameln oder in Stadthagen am Finanzamt vorbeifährt, ahnt wohl nicht, dass auch sein Auto in einer der dortigen Amtsstuben für Arbeit sorgt. Und zunehmend für Aufregung. Denn jeder Wagen ist davon betroffen, wenn im nächsten Jahr in Deutschland die große Umstellung beim Verwalten der Kraftfahrzeugsteuer vollzogen wird. Was ein Akt der Vereinfachung sein sollte, bringt nun Finanzbeamte, Zöllner und Ex-Beschäftigte von Bundeswehr, Post und Telekom in Wallung.
Wer den langen Brief vom Finanzamt zur Sepa-Umstellung sehr aufmerksam gelesen hat, könnte sich als zumindest halbwegs informiert betrachten. Wenn er also auch den Satz in Klammern nicht ausgelassen hat, dann weiß der Steuerbürger, dass „bis längstens“ 30. Juni 2014 „die Landesfinanzbehörden bei der Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer gemäß §18a Abs.1 Finanzverwaltungsgesetz als Bundesfinanzbehörden tätig“ werden. Ja, und danach? Das lässt das Schreiben offen. Aber kurz gesagt: Danach läuft’s anders.
Derzeit werden im Finanzamt Hameln rund 145000 Fahrzeuge steuerlich verwaltet, in Stadthagen sind es 130000. 2014 muss das Festsetzen und Einziehen der Kfz-Steuer von den Ländern auf den Bund übertragen sein; in Niedersachsen soll der Prozess bereits zum 15. Februar abgeschlossen werden, bestätigt Hans-Werner Vischer, Sprecher des Hauptzollamtes Hannover.
Dann ist der Zoll für diese Steuer zuständig.
Wie sich zeigt, ist das ganze Verfahren viel mehr als nur ein fixes Umschalten in den Ämtern. Für die Landkreise Hameln-Pyrmont und Schaumburg bedeutet es vor allem:
Die Kfz-Steuerstellen in den Finanzämtern werden Mitte Februar aufgelöst. 160 laufende Meter Akten müssen dann vom Zoll zum Beispiel in Stadthagen abgeholt werden. Die bisher für die Kfz-Steuer zuständigen Mitarbeiter erhalten nach Angaben aus der Oberfinanzdirektion Hannover (OFD) andere Aufgaben im Hause. Ein Stellenabbau ist nicht vorgesehen, denn die niedersächsische Finanzverwaltung gilt als unterbesetzt. Im Finanzamt Stadthagen müssen nach Worten von Sachgebietsleiterin Isrun Speer sechs Beschäftigte umlernen, in Hameln sind es drei und möglicherweise weitere aus dem Erhebungsbereich, wie Vorsteherin Sigrid Gabler sagt.
Im Zollamt in Hameln sowie in der Zweigstelle Holzminden werden zwar Beamte in Sachen Kfz-Steuer kundig gemacht. Allerdings dienen sie nur in speziellen Fällen als ortsnahe Ansprechpartner – etwa, wenn sich ein Gehbehinderter von der Kfz-Steuer befreien lassen möchte, wozu er persönlich ins Amt humpeln muss. Auch für die Schaumburger ist in solchen Fällen künftig das Zollamt Hameln zuständig.
Die Sachbearbeitung für Fahrzeuge mit HM-, SHG- oder RI-Kennzeichen erfolgt dann durch Zöllner in Lüneburg, etwaige Mahn- und Vollstreckungsverfahren übernehmen deren Kollegen in Braunschweig. Standorte für die Kfz-Steuerfestsetzung oder -eintreibung werden unter anderem auch Hannover, Hildesheim, Paderborn und Bielefeld sein – die Landkreise an der Oberweser tauchen in der Liste der bundesweit 80 neuen Kfz-Steuer-Dienststellen nicht auf.
Die Kfz-Steuer gehört seit vier Jahren allein dem Bund; zuvor wurde die Einnahme mit den Ländern geteilt. Um die staatlichen Abläufe zu optimieren, hatten sich Bund und Länder geeinigt, der Bundesebene die 8,5 Milliarden Euro aus dieser Steuer komplett zu überlassen. Die Länder erhalten zum Ausgleich die 9,0 Milliarden Euro aus der Versicherungssteuer.
Um diese Entflechtung auch verwaltungstechnisch zu vollziehen, müssen nun die Daten zu 58 Millionen Fahrzeugen an den Bund übertragen werden, allein in Niedersachsen geht es um 6,5 Millionen Autos. „Das ist ein immenser technischer Aufwand“, bestätigt OFD-Sprecher Bernhardt. Und er unterstreicht: „Die Übergabe der Kfz-Steuer an den Bund ist aufgrund der Größenordnung der Maßnahme arbeitsintensiv.“
Bei der OFD sind eine Reihe von Mitarbeitern aus verschiedenen Bereichen mit der Umstellung befasst. Ihnen sitzen die Vertreter der Hauptzollämter gegenüber, die nun eine entsprechende Kfz-Steuerverwaltung mit bundesweit 1771 Bediensteten aufbauen. Deutschlands 39000 Zöllner sind angeblich auch ohne Kfz-Steuer mehr als ausgelastet – unter anderem mit der Bekämpfung der Schwarzarbeit oder dem Inkasso für andere Behörden. Deshalb sollen Hunderte bisherige Mitarbeiter aus der Bundeswehr-Zivilverwaltung beispringen und in Steuerfragen fit gemacht werden.
Der Wechsel von Olivgrün zu Mintgrün
Im Zuge der Bundeswehrreform fallen bei der Armeeverwaltung 20000 der im vorigen Jahr noch 75000 Stellen weg. Die letzten von einst 123 Kreiswehrersatzämtern wurden vor einem Jahr aufgelöst; die Wehrbereichsverwaltungen – wie die in Hannover mit 750 Beschäftigten und einer 250-köpfigen Außenstelle in Kiel – sind seit vier Monaten Geschichte. Da könnten also viele Mitarbeiter vom oliv- zum mintgrünen Arbeitgeber wechseln. Der Zulauf von der Bundeswehr zum Zoll war Ende September allerdings mit rund 600 Vermittelten, davon 84 in Niedersachsen, so mäßig, dass schon das Scheitern des Projektes befürchtet wurde.
Ex-Beschäftigte von Post und Telekom sind deshalb inzwischen ebenfalls eingeladen worden, ins Steuerfach zu wechseln. „Unter anderem im Rahmen von Hospitationen und Schulungen werden die Beschäftigten der Bundesverwaltung mit den Abläufen bei der Festsetzung und Erhebung der Kfz-Steuer vertraut gemacht“, schildert Bernhardt. Auch das Finanzamt Hameln beteiligt sich an diesen Unterweisungen; in Stadthagen hat sich noch kein Neu-Zöllner angekündigt.
Zwar wird der Zoll im Kfz-Bereich neue Steuernummern vergeben, der Eigentümer des Autos kann aber die alte Zahlenkombination bei Anfragen weiterverwenden. In den meisten Fällen ist ja auch gar nicht der Finanzbeamte oder künftig der Zöllner sein Ansprechpartner, sondern der Mitarbeiter bei der Zulassungsbehörde des Landkreises. Von der Kreisverwaltung werden weiterhin die An-, Um- und Abmeldungen sowie Halterwechsel registriert.
Die Landkreis-Angestellten übermitteln die Daten nach Flensburg ans Zentralregister des Kraftfahrtbundesamtes. Dort werden die Informationen von den Kfz-Steuerbeamten abgerufen.
Die Autofahrer sollen von der Umstellung nach Planung der Verantwortlichen nicht viel mehr bemerken als den neuen Briefkopf auf dem Kfz-Steuerbescheid. Ob das so reibungslos und planmäßig klappt, ist jetzt die große Frage. Und noch bevor sich die Neuen mit der geltenden Kfz-Steuer vertraut gemacht haben, müssen sie schon die nächste große Herausforderung befürchten.
Denn wenn die sich abzeichnende Große Koalition aus CDU/CSU und SPD tatsächlich die Autobahngebühr für Pkw beschließt, sind – zum versprochenen Ausgleich – auf einen Schlag zig Millionen Steuerbescheide zu ändern und zu verschicken.
Dass die Kfz-Steuer durch die Autobahngebühr für Pkw ersetzt wird, erwarten Fachleute nicht mehr. Denn die Steuer benutzt der Staat auch als umwelt- und verkehrspolitisches Instrument. Sie ermöglicht zum Beispiel die Bevorzugung von abgasarmen Fahrzeugen. Das wäre mit einer Maut, die nur von Autobahnbenutzern verlangt wird, in diesem Maße nicht zu erreichen. Wie auch immer:
Ab 2014 hat der Bund alle wichtigen Verkehrsabgaben in seiner Hand: neben der Kfz-Steuer auch die Mineralölsteuer und die Lkw-Maut.
Die Kraftfahrzeugsteuer bei Pkw bemisst sich am Hubraum, der Art des Motors und dem Schadstoffausstoß. Bei Benzinern, die bis zum 4. November 2008 erstmals zugelassen wurden, reicht die Steuer von 6,75 Euro pro 100 Kubikzentimeter Hubraum (Euro 3) bis 25,36 Euro, bei Dieselmotoren von 15,44 bis 37,58 Euro. Seit Juli 2009 spielt bei Neuwagen der Kohlendioxidausstoß für die Steuerberechnung eine größere Rolle. Seit Anfang 2012 gilt ein Grenzwert von 110 Gramm pro Kilometer (zuvor 120 Gramm). Wer darunter liegt, wird von der Steuer befreit. Für jedes Gramm oberhalb dieser Schwelle fallen 2,00 Euro an, zusätzlich zum Sockelbetrag, der sich aus Kraftstoffart und Hubraum ergibt.
Wer in Hameln oder in Stadthagen am Finanzamt vorbeifährt, ahnt wohl nicht, dass auch sein Auto in einer der dortigen Amtsstuben für Arbeit sorgt. Und zunehmend für Aufregung. Denn jeder Wagen ist davon betroffen, wenn im nächsten Jahr in Deutschland die große Umstellung beim Verwalten der Kraftfahrzeugsteuer vollzogen wird. Was ein Akt der Vereinfachung sein sollte, bringt nun Finanzbeamte, Zöllner und Ex-Beschäftigte von Bundeswehr, Post und Telekom in Wallung.
(…) die Kraftfahrzeugsteuer und sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuern (…) werden durch Bundesfinanzbehörden verwaltet. Der Aufbau dieser Behörden wird durch Bundesgesetz geregelt. (…)
Grundgesetz, Artikel 108, Absatz 1
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