Bevor Adolf Hitler sich am 24. März 1933 per Ermächtigungsgesetz von jeder parlamentarischen Kontrolle befreite, mußten zunächst die 81 Abgeordneten der KPD durch Verhaftung am Erscheinen im Reichstag gehindert werden. Erst jetzt verfügte Hitler mit der DNVP und dem Zentrum die nötige Zweidrittelmehrheit.
Sultan Erdogan ist ein geschichtsbewußter Mann, wenn er auf dem Wege zur Präsidialdiktatur ähnliches mit den kurdischen HDP-Abgeordneten veranstaltet. Nicht immer wiederholt sich Geschichte als Farce.
Entscheidung in Ankara: Türkisches Parlament beschließt Aufhebung von Immunität
Die Mehrheit fiel überraschend deutlich aus: Das türkische Parlament hat für die Aufhebung der Immunität von mehr als einem Viertel der Abgeordneten gestimmt.
Bei einer Probeabstimmung am Dienstag hatte mit 348 Abgeordneten bereits eine deutliche Mehrheit, allerdings weniger als zwei Drittel des Parlaments dafür votiert.
Die Aufhebung der Immunität gibt den Staatsanwälten die Macht, darüber zu entscheiden, welcher Abgeordneter sein Mandat ausüben kann und welcher nicht. Der Schritt richtet sich vor allem gegen die Fraktion der pro-kurdischen HDP. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wirft den HDP-Abgeordneten vor, der "verlängerte Arm" der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu sein. Erdogan hatte dazu aufgerufen, ihre Immunität aufzuheben.
Die Aufhebung der Immunität geschieht über eine befristete Verfassungsänderung. Konkret stimmten 373 Abgeordnete dafür, einen Satz aus Artikel 83 für jene 138 Mitglieder der Nationalversammlung auszusetzen, denen Straftaten vorgeworfen werden. Der Satz lautet: "Ein Abgeordneter, der vor oder nach der Wahl eine Straftat begangen haben soll, darf nicht festgenommen, verhört, verhaftet oder vor Gericht gestellt werden, wenn die Versammlung nicht anderweitig entscheidet." 138 Abgeordnete stimmten dagegen.
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