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Thema: Deutscher Idealismus als Weltanschauung

  1. #1
    Mitglied Benutzerbild von Klopperhorst
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    Standard Deutscher Idealismus als Weltanschauung

    Hallo, da ich mich seit meiner frühen Jugend mit Philosophie beschäftige, will hier hier mal die philosophische Strömung des deutschen Idealismus beleuchten,in der Hoffnung auch einige Kenner und Vertreter dieser zu wenig im öffentlichen Bewusstsein vorhandenen Denkweise zu finden.

    Fangen wir also gleich mal an.

    Die Philosophie des europäischen Mittelalters endete mit Cartesius, der letztendlich, wie Luther, ein Kirchenkritiker war, überdies aber auch ein Kritiker der dogmatischen Wahrheit.

    Der aus dieser Zeit vorherrschende Rationalismus, stellt gewissermaßen den Gegensatz zur Philosophie des Idealismus dar (doch dazu unten mehr).

    Rationalistische Weltanschauung bedeutet nichts weiter, als daß die Naturerscheinungen mittels mathematischer Sätze beschrieben und alleine durch die Vernunft deduziert, also in einem System der Wissenschaften dargelegt, werden können.

    Während Cartesius und später Wolff/Leibnitz die rationalistische Weltanschauung entwickelten, sie wurden dabei durch den Fortschritt der Wissenschaften, insbesondere die Newtonschen Axiome, unterstützt - entwickelten Locke und Hume ein gegensätzliches System, was man auch als Empirismus bezeichnet und was nichts weiter heisst, als daß die Weltanschauung nicht durch die Vernunft und mathematische Sätze sondern durch die Sinne und somit empirisch aus der Erfahrung bezogen wird. Mathematische Wahrheiten hätten demzufolge also nur allgemeine Geltung und wären aus vielen ähnlichen Erfahrungsfällen induziert.

    Das Dilemma der beiden philosophischen Strömungen ist klar:

    Während der Rationalismus sich auf die Vernunft als gegeben beruft und mit dieser alle Naturerscheinungen, schließlich die menschliche Moral und auch Gott zu erklären sucht, aus einem System von Begriffen und logischen Schlüssen heraus, soll im Empirismus alle Wahrheit nur aus der Erfahrung bezogen werden, was an einem praktischen Beispiel bedeutet, der Satz, jede Wirkung hätte eine Ursache, würde nur deswegen wahr sein, weil der Mensch dies in der Allgemeinheit so wahrnehmen würde.

    Der große Königsberger, Kant, schließlich beendete den Streit zwischen Rationalismus und Empirismus mit der Begründung des deutschen Idealismus.

    Gemäß Kant, gibt es Wirklichkeit und Wahrheit nur für ein erkennendes
    Subjekt, demzufolge der bekannte Ausspruch 'Objekt für ein Subjekt sein'. Die menschliche Erkenntnis arbeitet nach gewissen Prinzipien (Formen), welche Raum/Zeit heissen. Nur in einem gedachten Raum und mit der Kausalkette der Zeit, lassen sich Objekte darstellen, somit sind Raum/Zeit nichts wirkliches oder objektives sondern lediglich die subjektiven Formen der Erkenntnis, in denen sich die Welt abzeichnet. Kant nannte dies auch die Erscheinung im Gegensatz des Dinges an sich.

    Wir können immer nur die Erscheinungen wahrnehmen und sie mit den Formen des Verstandes zu Objekten modelieren, niemals aber können wir das Ding an sich betrachten. Die Wirklichkeit ist also immer mittelbar, nicht unmittelbar erkennbar.

    Weiterhin sind alle Wissenschaften, die auf Sätzen der Mathematik und Geometrie basieren, synthetische Wissenschaften a priori.

    Dies bedeutet folgendes: Wenn man einen Satz aufstellt, z.B. in der Geometrie: 'Die gerade Linie zwischen Zwei Punkten ist die kürzeste', dann beruft man sich auf Erkenntnisquellen, die nicht aus der Erfahrung gelehnt sein können, denn man schließt hier von zwei gegebenen Dingen auf ein drittes mit strenger Allgemeinheit, ohne die Quelle zu nennen.

    Diese Quelle kann also nur in der Form unserer Anschauung liegen, hier in der Form des Raumes. Weitergehend können auch alle Sätze der Mathematik, z.B. ’7+5=12’, nur unter Zuhilfenahme der Anschauung, hier der Form der Zeit, d.h. des Zählens, als wahr erkannt werden. Raum/Zeit sind also nichts objektives sondern gehören immer der Form der Erkenntnis an. Sie sind die Grundlage aller Sätze der Vernunft.

    Das Hauptwerk Kants, ‚Die Kritik der reinen Vernunft’, beschäftigt sich mit diesen Sätzen der Vernunft im Sinne der Metaphysik, also der Vernunftserkenntnisse, welche die Existenz Gottes beweisen sollen. Kant wies nach, daß Gott unbeweisbar ist und das Ding an sich nicht erkannt werden kann.

    Ich möchte mit den weiteren wichtigen Vertretern des deutschen Idealismus, Hegel, Schelling, Fichte, Schopenhauer fortfahren, nachdem ich mir sicher bin, daß dieses Thema hier auf Interesse gestossen ist.
    Geändert von Klopperhorst (17.12.2005 um 18:56 Uhr)
    "Groß ist die Wahrheit, und sie behält den Sieg" (3. Esra)

  2. #2
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    Standard AW: Deutscher Idealismus als Weltanschauung

    Ich interessiere mich sehr dafür und war einst Hegelianer, aber nachdem ich merkte, dass der liberalistische Rationalismus zu viel Platz im Hegelianismus einnimmt, habe ich mich zu Nietzsche,Spengler und Jünger gewandt.Fahre bitte fort!

    PS: Ich bezweifle ,dass Schopenhauer Idealist war, eher genau das krasse Gegenteil.

  3. #3
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    Standard AW: Deutscher Idealismus als Weltanschauung

    Zitat Zitat von Klopperhorst
    Hallo, da ich mich seit meiner frühen Jugend mit Philosophie beschäftige, will hier hier mal die philosophische Strömung des deutschen Idealismus beleuchten,in der Hoffnung auch einige Kenner und Vertreter dieser zu wenig im öffentlichen Bewusstsein vorhandenen Denkweise zu finden.

    Fangen wir also gleich mal an.

    Die Philosophie des europäischen Mittelalters endete mit Cartesius, der letztendlich, wie Luther, ein Kirchenkritiker war, überdies aber auch ein Kritiker der dogmatischen Wahrheit.

    Der aus dieser Zeit vorherrschende Rationalismus, stellt gewissermaßen den Gegensatz zur Philosophie des Idealismus dar (doch dazu unten mehr).

    Rationalistische Weltanschauung bedeutet nichts weiter, als daß die Naturerscheinungen mittels mathematischer Sätze beschrieben und alleine durch die Vernunft deduziert, also in einem System der Wissenschaften dargelegt, werden können.

    Während Cartesius und später Wolff/Leibnitz die rationalistische Weltanschauung entwickelten, sie wurden dabei durch den Fortschritt der Wissenschaften, insbesondere die Newtonschen Axiome, unterstützt - entwickelten Locke und Hume ein gegensätzliches System, was man auch als Empirismus bezeichnet und was nichts weiter heisst, als daß die Weltanschauung nicht durch die Vernunft und mathematische Sätze sondern durch die Sinne und somit empirisch aus der Erfahrung bezogen wird. Mathematische Wahrheiten hätten demzufolge also nur allgemeine Geltung und wären aus vielen ähnlichen Erfahrungsfällen induziert.

    Das Dilemma der beiden philosophischen Strömungen ist klar:

    Während der Rationalismus sich auf die Vernunft als gegeben beruft und mit dieser alle Naturerscheinungen, schließlich die menschliche Moral und auch Gott zu erklären sucht, aus einem System von Begriffen und logischen Schlüssen heraus, soll im Empirismus alle Wahrheit nur aus der Erfahrung bezogen werden, was an einem praktischen Beispiel bedeutet, der Satz, jede Wirkung hätte eine Ursache, würde nur deswegen wahr sein, weil der Mensch dies in der Allgemeinheit so wahrnehmen würde.

    Der große Königsberger, Kant, schließlich beendete den Streit zwischen Rationalismus und Empirismus mit der Begründung des deutschen Idealismus.

    Gemäß Kant, gibt es Wirklichkeit und Wahrheit nur für ein erkennendes
    Subjekt, demzufolge der bekannte Ausspruch 'Objekt für ein Subjekt sein'. Die menschliche Erkenntnis arbeitet nach gewissen Prinzipien (Formen), welche Raum/Zeit heissen. Nur in einem gedachten Raum und unter der Wirkung der Kausalkette der Zeit, lassen sich Objekte darstellen, somit sind Raum/Zeit nichts wirkliches oder objektives sondern lediglich die subjektiven Formen der Erkenntnis, in denen sich die Welt abzeichnet. Kant nannte dies auch die Erscheinung im Gegensatz des Dinges an sich.

    Wir können immer nur die Erscheinungen wahrnehmen und sie mit den Formen des Verstandes zu Objekten modelieren, niemals aber können wir das Ding an sich betrachten. Die Wirklichkeit ist also immer mittelbar, nicht unmittelbar erkennbar.

    Weiterhin sind alle Wissenschaften, die auf Sätzen der Mathematik und Geometrie basieren, synthetische Wissenschaften a priori.

    Dies bedeutet folgendes: Wenn man einen Satz aufstellt, z.B. in der Geometrie: 'Die gerade Linie zwischen Zwei Punkten ist die kürzeste', dann beruft man sich auf Erkenntnisquellen, die nicht aus der Erfahrung gelehnt sein können, denn man schließt hier von zwei gegebenen Dingen auf ein drittes mit strenger Allgemeinheit, ohne die Quelle zu nennen.

    Diese Quelle kann also nur in der Form unserer Anschauung liegen, hier in der Form des Raumes. Weitergehend können auch alle Sätze der Mathematik, z.B. ’7+5=12’, nur unter Zuhilfenahme der Anschauung, hier der Form der Zeit, d.h. des Zählens, als wahr erkannt werden. Raum/Zeit sind also nichts objektives sondern gehören immer der Form der Erkenntnis an. Sie sind die Grundlage aller Sätze der Vernunft.

    Das Hauptwerk Kants, ‚Die Kritik der reinen Vernunft’, beschäftigt sich mit diesen Sätzen der Vernunft im Sinne der Metaphysik, also der Vernunftserkenntnisse, welche die Existenz Gottes beweisen sollen. Kant weist nacht, daß Gott unbeweisbar ist und das Ding an sich nicht erkannt werden kann.

    Ich möchte mit den weiteren wichtigen Vertretern des deutschen Idealismus, Hegel, Schelling, Fichte, Schopenhauer fortfahren, nachdem ich mir sicher bin, daß dieses Thema hier auf Interesse gestossen ist.
    Ich bin in diesem Punkt leider nicht so bewandert wie du. Daher die interessierte Frage: siehst du im Empirismus den konträren Gegenspieler zum Rationalismus oder ist das sogar Allgemeingut in der Philosophie?
    Ich persönlich neige nämlich im alltäglichen Sprachgebrauch (ohne philosophische Ansprüche) dazu, den Versuch mit Erfahrungen vernünftig umzugehen (also sich aufdrängende Erkenntnisse möglichst objektiv zu bewerten) was die Empirie doch im wesentlichen ausmacht, als eine Randform des rationalen Denkens zu verstehen.
    "Free your mind - and your ass will follow"
    (George Clinton, 1970)

  4. #4
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    Standard AW: Deutscher Idealismus als Weltanschauung

    Zitat Zitat von Stahlhelm
    Ich interessiere mich sehr dafür und war einst Hegelianer, aber nachdem ich merkte, dass der liberalistische Rationalismus zu viel Platz im Hegelianismus einnimmt, habe ich mich zu Nietzsche,Spengler und Jünger gewandt.Fahre bitte fort!
    So war es bei mir auch, ich wurde durch Platon, den ich nach wie vor als den größten Philosophen überhaupt ansehe, auf den Idealismus gelenkt und habe mich mittlerweile von Hegel abgewendet. Dazu sage ich noch was.
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  5. #5
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    Standard AW: Deutscher Idealismus als Weltanschauung

    nur mal am Rande gefragt:

    Was soll an Platon so besonders sein, dass er dieses Prädikat heute noch verdienen würde ?


    PS: Ich bin auf die DiaMaten gespannt, ob sie den Fehdehandschuh aufnehmen...
    MfG LL

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  6. #6
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    Standard AW: Deutscher Idealismus als Weltanschauung

    Zitat Zitat von Manfred_g
    Daher die interessierte Frage: siehst du im Empirismus den konträren Gegenspieler zum Rationalismus oder ist das sogar Allgemeingut in der Philosophie?
    Ich persönlich neige nämlich im alltäglichen Sprachgebrauch (ohne philosophische Ansprüche) dazu, den Versuch mit Erfahrungen vernünftig umzugehen (also sich aufdrängende Erkenntnisse möglichst objektiv zu bewerten) was die Empirie doch im wesentlichen ausmacht, als eine Randform des rationalen Denkens zu verstehen.
    Ja, das sehe ich persönlich auch so. Erkenntnisse sind natürlich immer gemischt. Die Hauptfrage der Unterschiede zwischen Rationalismus, Empirismus und Idealismus ist, wo die Erkenntnisquelle zu suchen ist. Es wäre im Rationalismus als Vernunft (Begriffe), im Empirismus als Erfahrung (Sinne) und dt. Idealismus als Anschauung (Idealität von Raum/Zeit) zu begreifen, wenn ich das mal ganz primitiv vereinfachen will.
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  7. #7
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    Standard AW: Deutscher Idealismus als Weltanschauung

    Zitat Zitat von LuckyLuke
    Was soll an Platon so besonders sein, dass er dieses Prädikat heute noch verdienen würde ?
    Platon nimmt mit der platonischen Ideenlehre eigentlich schon den dt. Idealismus voraus, auch wenn bei ihm die Ideen eigenständige Existenz ohne die Anschauung besitzen, was sein Grundfehler war.

    Ich erinnere auch an das Höhlengleichnis, was im Grunde schon Kants Erscheinungen stigmatisiert.
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  8. #8
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    Standard AW: Deutscher Idealismus als Weltanschauung

    Nun, das Höhlengleichnis mag ja noch eine nette, philosophische Spielerei sein, allerdings sein idealer Staat ist Faschismus pur
    MfG LL

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  9. #9
    Mitglied Benutzerbild von Klopperhorst
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    Standard AW: Deutscher Idealismus als Weltanschauung

    Zitat Zitat von LuckyLuke
    Nun, das Höhlengleichnis mag ja noch eine nette, philosophische Spielerei sein, allerdings sein idealer Staat ist Faschismus pur
    Mag sein, aber die Idee der Fortpflanzung der Fähigsten und Angepasstesten, ist nur ein Vorläufer des heutigen Sozialdarwinismus.
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  10. #10
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    Standard AW: Deutscher Idealismus als Weltanschauung

    Zitat Zitat von Klopperhorst
    Mag sein, aber die Idee der Fortpflanzung der Fähigsten und Angepasstesten, ist nur ein Vorläufer des heutigen Sozialdarwinismus.
    Es ist aber auch das Vernünftigste.Von daher nicht unbedingt Sozialdarwinismus.
    Geändert von Waldgänger (18.12.2005 um 16:22 Uhr)

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