Europas erste Einwandererpartei Denk will keine Integration der Neubürger, sondern fordert „gegenseitige Akzeptanz“. Geplant sind eine Rassismuspolizei und Quoten in Betrieben und Behörden.
„Gewöhn dich dran!“ – so lautet der trotzige Schlachtruf der ersten europäischen Migrantenpartei. Denk tritt im kommenden März bei den niederländischen Wahlen an, ist bereits seit zwei Jahren mit zwei früheren Sozialdemokraten im Parlament vertreten und konnte seither mehrere Tausend Mitglieder werben, vorzugsweise mit Migrationshintergrund.
Das, woran sich die niederländischen Bürger in Zukunft gewöhnen sollen, erklärt die junge Bewegung jetzt in ihrem Parteiprogramm detailliert: Es geht um die Schaffung einer inklusiven Gesellschaftsordnung, in der jede Form von verbalem Rassismus unter Strafe steht.
Die Integration von Neubürgern wird durch eine gegenseitige Akzeptanz der Kulturen ersetzt. In den Worten des Parteiprogramms: „Die Niederlande brauchen eine neue Balance.“
Ehemalige Sozialdemokraten machen mobil
Auch sollen islamische Schulen, die oft den Koran auf Arabisch lehren und strenge Geschlechtertrennung vorschreiben, per Federstrich den niederländischen Schulen gleichgestellt werden.
Schlüsselwort „kultursensibel“
Die Sprachen der Herkunftsländer sollen vermehrt in Hollands Schulen auf dem Lehrplan stehen. In Krankenhäusern und Altersheimen wird es nach dem Willen der neuen Partei „kultursensibel“ zugehen, was bedeutet: Anpassung an islamischen Verhaltenskodex und an religiöse Speiseverbote.
Kaum verwunderlich, dass Denk eine gesetzliche Migrantenquote von zehn Prozent in allen Betrieben, Behörden und auch in Vorständen von Konzernen einführen möchte.
Dies ist nicht die einzige Formulierung, die an das „Impulspapier“ erinnert, das beim letzten Integrationsgipfel im Kanzleramt von Staatsministerin Özoguz vorgelegt und von Bundeskanzlerin Merkel gelobt wurde.
Wie die deutschen Islamverbände fordert auch Denk, das Staatsziel der Integration durch das der gegenseitigen Akzeptanz zu ersetzen.
Tausend Polizisten gegen Diskriminierung
Nicht mehr nur diejenigen, die – in Worten von Angela Merkel – „neu hinzugekommen sind“, müssen sich anpassen. Stattdessen soll ein neu geschaffenes „Ministerium für gegenseitige Akzeptanz“ streng darüber wachen, dass den Hinzugekommenen nicht zu viel abverlangt wird.Das soll erreicht werden, indem in den Schulen die Erziehung zum Multikulturalismus verpflichtend wird. Eine „Rassismuspolizei“ mit 1000 Beamten soll darüber wachen, dass es nirgendwo zu Diskriminierungen kommt.
Überführte Täter sollen gerichtlich bestraft und vom Staatsdienst ausgeschlossen werden. Auch sollen Richter Verurteilte zu Sozialdiensten bei Zuwanderern verpflichten können; in jedem Fall werden sie in einem staatlichen „Rassismusregister“ als dubiose Staatsbürger verzeichnet.
Damit die ehrgeizigen Ziele auch symbolisch klargemacht werden, müssen aus dem öffentlichen Leben alle Namen von historischen Seefahrern und Kolonisatoren verschwinden.
Von islamistischem Terror kein Wort
Eine Bezeichnung der Bevölkerung als „autochthone“ (ansässige) und „allochthone“ (fremdstämmige) Bürger, wie dies der niederländische Sprachgebrauch kennt, wird verboten.
Selbstredend muss sich nach einem Wahlsieg von Denk die niederländische Obrigkeit für Sklaverei und Kolonialismus offiziell entschuldigen, wohingegen die Sklaverei in arabischen Staaten oder in der Türkei mit keinem Wort erwähnt wird.
Im Gegenteil – die Anerkennung des türkischen Völkermordes an den Armeniern wird ausgesetzt und in einer „unabhängigen“ Kommission neu verhandelt.
Dass Denk den Palästinenserstaat umgehend offiziell anerkennen lassen will, ist da fast nur mehr eine Fußnote. Das Schlagwort „Terrorismus“ kommt im Parteiprogramm durchaus vor, jedoch nicht als islamistische Gewalt, sondern einzig als Taten von Rechtsradikalen.
Keine Partei, sondern eine „Bewegung“
Dass es bei der Anhängerschaft von Denk nicht nur liberal und antikolonial zugeht, sondern durchaus auch rabiat, zeigt der Programmpunkt Kindesmissbrauch. Hier wird für Täter die „chemische Kastration“ gefordert.
Denk präsentiert auf der eigenen Webseite dieses Programm als Weg zur Erneuerung und Modernisierung der niederländischen Gesellschaft. Der Parteivorstand posiert in moderner, modischer Kleidung, aber auch eine Funktionärin mit islamischem Kopftuch ist vertreten.
Die beiden Parteigründer Tunahan Kuzu und Selcuk Öztürk waren bei den Sozialdemokraten, die in Den Haag ähnlich wie in Berlin als Juniorpartner einer großen Koalition mitregieren, mit großem Aplomb ausgestiegen, weil sie eine verschärfte Integrationspolitik nicht mittragen wollen.
Schlagzeilen machte Spitzenkandidat Kuzu im September, als er dem israelischen Premierminister Netanjahu in Den Haag den Handschlag verweigerte.
Die neue Partei konnte dann vor allem durch das Mitmachen von Sylvana Simons, einer Fernsehmoderatorin mit karibischen Wurzeln, das Bild der reinen Moslemlobbyisten nuancieren.
Geprägt von islamischen Vorstellungen
Simons, die auch in Tanzshows auftrat und im „Playboy“ schrieb, setzt sich für Rechte von Schwarzen, Frauen und für eine antikoloniale Zielrichtung ein. Dennoch wird das Parteiprogramm vor allem geprägt von islamischen Vorstellungen.
Alltagsprobleme zahlreicher Marokkaner und Türken mit doppelter Staatsbürgerschaft – etwa die abzugsfreie Überweisung von Renten in die Herkunftsländer – will Denk im Sinne der Zuwanderer lösen.
Kuzu und Öztürk stehen bewusst für eine neue Generation von Niederländern, die meistens bereits im Land geboren sind, aber ihre Abkunft nicht verleugnen, sondern für die eigenen Gebräuche offensiv einstehen.
Jeder soll im Land die gleichen Chancen bekommen – und wenn dafür die erwünschte Inklusion von oben mittels Strafen durchgesetzt werden muss.
Dass sich Denk nicht als Partei, sondern ganz bewusst als Bewegung präsentiert, wirkt in den Niederlanden nicht ganz so provokant wie auf Deutsch, wo dieser Begriff seit der NSDAP politisch kompromittiert ist.
Denk kann mit zehn Prozent Stimmen rechnen
Die niederländischen Wähler wissen jetzt, woran sie sind. Dass ihr Parlament in dieser Woche das Tragen von Burka und Nikab in Ämtern, Schulen, Krankenhäusern und in öffentlichen Verkehrsmitteln unter Strafe stellte, ist ein Zeichen, dass die Regierung einen zunehmend härteren Kurs gegen offensiven Islamismus fährt – und damit auch gegen Denk.
Die Umfragewerte des EU- und Islamgegners Geert Wilders sind zuletzt stark angestiegen; er dürfte mit seiner Freiheitspartei im Frühjahr eine der beiden stärksten Fraktionen stellen und womöglich sogar mitregieren.
Gleichzeitig sagen die Demoskopen aber auch Denk ein gutes Ergebnis von bis zu zehn Prozent der Stimmen voraus. Wahrscheinlich müssen sich die Niederländer im wirklichen Leben vorerst also nicht an alle Programmpunkte der Migrantenpartei gewöhnen. An ihre starke und wachsende Präsenz im politischen Leben sehr wohl.