Wegen meiner großen Neugier und meines wissenschaftlichen Interesses für
das Thema, eines gewissen Maßes an jugendlichem Eigensinn und vor allem
eines hilfsbereiten Umfeldes, wählte ich trotz der widrigen Umstände genau
dieses Forschungsprojekt für meine Doktorarbeit und widmete die nächsten
drei Jahre meines Lebens den Gladio-Recherchen. Zu Beginn basierten meine
Entschlossenheit, dieses Projekt weiter zu verfolgen, und die Fähigkeit, meine
beratenden Professoren zu überzeugen, lediglich auf einem einzigen historischen
Originaldokument aus dem italienischen Geheimdienst SIFAR, das vom 1. Juni
1959 stammte und den Titel trug «Die Spezialeinheiten des SIFAR und die
Operation Gladio». Dieses Dokument bewies, dass während des Kalten Krieges
in Italien eine mit dem CIA und der NATO verbundene Geheimarmee mit
dem Decknamen Gladio bestanden hatte.
Rückblickend muss ich gestehen, dass meine Freunde recht gehabt hatten,
denn viele Hürden, die sich während der Jahre meiner Recherchen ergaben,
hatten sie richtig vorhergesehen. Der zu untersuchende Bereich war sehr groß,
sowohl hinsichtlich der Anzahl der Staaten wie des Zeitrahmens. Anfangs konzentrierte
ich mich auf Italien, wo Gladio 1990 enttarnt worden war. Auf der
Grundlage der italienischen Quellen und zahlreicher Querverweise stellte ich
jedoch schnell fest, dass die Geheimarmeen nicht nur in Italien, sondern in
allen 16 NATO-Staaten existiert hatten. Meine Weltkarte im Büro, wo ich mit
Stecknadeln alle Verweise einzeichnete, zeigte deutlich an, dass das Forschungsfeld
stetig erweitert werden musste.
Weitere Recherchen führten zur Schlussfolgerung, dass von den 16 NATOStaaten
Island, das selbst keine Streitkräfte hatte, und Kanada, das weit entfernt
von der sowjetischen Grenze liegt, vernachlässigt werden konnten. Ich war ein
wenig erleichtert, dass ich es nur noch mit 14 Untergrundarmeen zu tun hatte.
Doch dann erkannte ich, dass es während des Kalten Krieges auch in den vier
neutralen Staaten Schweden, Finnland, Österreich und meinem Heimatland
Schweiz geheime Stay-behind-Armeen gegeben hatte, die indirekt mit den
amerikanischen und englischen Geheimdiensten und der NATO in Verbindung
standen. Die Existenz der Schweizer Geheimarmee P26 und ihre Verbindungen
zum englischen Geheimdienst MI6 waren 1990 durch die PUK EMD
und 1991 durch den Bericht Cornu bestätigt worden. Zu diesem Thema gäbe
es noch einiges darzulegen. In diesem Buch präsentiere ich indes nur Fakten,
die sich auf NATO-Staaten beziehen. In einem zukünftigen Buch wird sich
vielleicht die Gelegenheit ergeben, auf das sensible Thema der geheimen Staybehind-
Armeen in den neutralen Staaten und ihr Verhältnis zur NATO einzugehen.
Zudem erwies es sich auch als sehr schwierig, an Originaldokumente über
die Geheimarmeen und die verdeckte Kriegsführung zu gelangen. Es war
höchst erschreckend zu sehen, wie verschiedene Regierungen, die NATO, die
CIA und andere Geheimdienste sich strikte weigerten, das Thema Geheimarmeen
aufzuarbeiten, obschon das Parlament der Europäischen Union dies
explizit gefordert hatte. Geheime Dokumente wurden der Wissenschaft und
der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht. Und auch meine expliziten Nachfragen
bei der NATO, beim MI6 und bei der CIA wurden wiederholt abgewehrt.
In den USA nutzte ich ein Gesetz, den Freedom of Information Act
(FOIA), um von der CIA Dokumente zu den Geheimarmeen zu bekommen.
Der FOIA-Fall «Ganser versus CIA» ist noch immer nicht abgeschlossen, aber
Dokumente habe ich von der CIA keine bekommen. Mir wurde klar: Niemand
wollte über die Gladio-Geheimarmeen sprechen.
Neben sehr wenigen historischen Originaldokumenten musste sich die Untersuchung
daher auf zahlreiche Sekundärquellen stützen. Dazu zählten parlamentarische
Berichte, die internationale Presse, Bücher und Dokumentarfilme.
Es ist müßig zu sagen, dass solch zweitrangige Quellen für einen Historiker
kein Ersatz für wichtige Originaldokumente von NATO und CIA sein können,
und alle künftigen Recherchen müssen unbedingt darauf abzielen, an diese
historischen Originaldokumente zu gelangen. Wenn jedoch die hier präsentierten
Fakten es erstens der historischen Forschung in Zukunft ermöglichen,
einen Überblick über ein Phänomen zu gewinnen, das ansonsten unzugänglich
geblieben wäre, und wenn zweitens durch diese Arbeit Prozesse in Gang gesetzt
werden, die dazu führen, dass Originaldokumente zugänglich werden, dann
sind damit wichtige Ziele dieses Buches erreicht.
Viel über verdeckte Kriegsführung und Geostrategie habe ich selber vom
Amerikaner William Blum aus Washington gelernt, der kritisch über die CIA
geschrieben hatte und damals als Erster meine Aufmerksamkeit auf Gladio
lenkte. Herzlichen Dank schulde ich auch Professor Noam Chomsky in Boston,
der mich nicht nur zu meinen Recherchen ermutigte, sondern mir auch
während unserer Treffen in den USA und in der Schweiz zu wertvollen Kontakten
verhalf. In Cambridge fand ich bei Professor Christoph Andrew Unterstützung
zu meinen Recherchen, während Professor Christopher Simpson in
Washington meine Aufmerksamkeit auf interessante Kontakte in den USA
lenkte. In London kopierte ich zahlreiche wertvolle Dokumente am Statewatch
Institute, wo Trevor Hemmings mir bewies, wie man mit wenig Geld hervorragende
Arbeit leisten kann. Ohne diese Hilfe aus den USA und aus Großbritannien
wäre es mir nicht möglich gewesen, das Netzwerk der Geheimarmeen
zu durchleuchten.
Bei meiner Arbeit war ich davon überzeugt, dass Sprachbarrieren nicht zu
Forschungsgrenzen werden dürfen. Da ich aber selber nur fünf der behandelten
Sprachen beherrschte, war ich auf Hilfe angewiesen. In den Niederlanden
bedanke ich mich bei Dr. Paul Koedijk und Dr. Cees Wiehes, bei Frans Kluiters,
die Mitglieder der Netherlands Intelligence Studies Association sind und
mir während meiner Zeit in Amsterdam freundlicherweise wertvolles Material
zu Gladio zur Verfügung gestellt haben. Mein Dank geht auch an Micha
de Roo, der mir bei der Übersetzung aus dem Niederländischen beistand. In
Dänemark möchte ich mich bei Professor Paul Villaume von der Universität
Kopenhagen bedanken, der mir ebenfalls interessantes Material zur Verfügung
stellte, und bei Eva Ellenberger von der Universität Basel, die mir half,
die dänischen Texte zu verstehen. In Norwegen möchte ich mich bei meinem
Freund Pal Johansen für die wunderbare Zeit an der London School of Economics
and Political Science und für die Übersetzung der norwegischen Texte
bedanken. In Österreich unterstützten mich der Journalist Markus Kemmerling
und die politische Zeitschrift Zoom bei meinen Recherchen. In Basel half
mir Ali Burhan Kirmizitas, wichtige Texte über Gladio in der Türkei zu finden
und diese zu übersetzen. Der Wissenschaftler Ivo Cunha stellte mir
freundlicherweise Fakten über Gladio in Portugal und Spanien zur Verfügung,
während mir meine Kommilitonen Baptiste Blanch und Francisco
Bouzas mit den Übersetzungen aus dem Portugiesischen und dem Spanischen
behilflich waren. In Deutschland möchte ich mich beim Journalisten Leo
Müller bedanken, der früh zu Gladio publizierte, aber auch bei Erich Schmidt
Eenboom vom Forschungsinstitut über Frieden und Politik. Mein Freund und
Kollege Martin Kamber brachte letztlich die Energie auf, sich durch eine
frühere, viel längere Version des Textes zu pflügen, wonach er mir den guten
Rat gab, den Text zu kürzen. Bedanken möchte ich mich auch bei Ruth Eymann,
welche mir ihre schöne und ruhige Wohnung in einem entlegenen Tal
nahe Sils Maria in den Schweizer Bergen zur Verfügung stellte, wo ich den
Text in grosser Ruhe überarbeiten konnte.