Die Theatralität der Politik in der Mediendemokratie
Zitate
"In der Konkurrenz um die Öffentlichkeit haben Politiker Professionalität in der Plazierung und Inszenierung von Ereignissen wie auch in der Sachinformation entwickelt.
Im Verlauf dieser Metamorphose wandelt sich sachbezogene, auf verbindliche Entscheidungen bezogene Politik zunehmend in symbolische Politik (...) Diese vom Fernsehen provozierte Politik entspricht einer Rückkehr zur höfischen Öffentlichkeit (...)
Von den Politikern verlangt der Fernsehauftritt zudem vor allem darstellerische Qualitäten, die in keinem notwendigen Zusammenhang zu politischen Leistungen stehen, aber über den politischen Erfolg entscheiden. Denn als erfolgreich gilt der Politiker mit den darstellerischen Fähigkeiten auch dann, wenn seine politischen Leistungen deutlich dahinter zurückbleiben. Umgekehrt verblassen politische Leistungen, sobald das Talent zur Media Performance fehlt."[Links nur für registrierte Nutzer]
Die Inszenierung der Politik für die Medienbühne - nicht allein seitens der politikvermittelnden Medienakteure, sondern seitens der Politik selbst - wird zu einer Schlüsselstruktur, von der her die ganze Politik eine neue Prägung erfährt, und zwar in all ihren Dimensionen: von der Personalauswahl bis zur Rolle der Handlungsprogramme und ihrer Bedeutung für die Legitimation politischen Handelns, ja sogar mit Bezug auf die Rolle zentraler politischer Institutionen, wie Parteien und Parlamente im politischen Prozess.
Diese Bewertung schließt ein, dass staatsbürgerliche Entscheidungen unter diesen veränderten Umständen kaum noch autonom und rational, sondern vielmehr - indirekt - durch irrationale Inszenierungen gesteuert werden. Eine in diesem Sinne als "Inszenierungsstaat" zu kennzeichnende Republik wäre in der Tat von fragwürdiger demokratischer Substanz.
Erstens: In der Demokratie stellt sich die Legitimationsfrage für die Inhaber und Anwärter politischer Mandate und Ämter auf neue Weise und sehr viel dringlicher als in den vordemokratischen politischen Systemen. Heute stehen politische Konkurrenten vor der Aufgabe, beinahe täglich um die ungewisse Zustimmung des Publikums zu ringen. Die Inszenierungen politischen Handelns müssen für die politischen Akteure zu einer jederzeit bedachten Kommunikationsstrategie werden, mit der sich ein Massenpublikum erreichen lässt.
Zweitens: Da in der Demokratie in einem prinzipiell offenen Wettbewerb eine Vielzahl politischer Inhaber und Aspiranten öffentlicher Spitzenämter um die Gunst des Publikums ringen, entsteht ein erhöhter Druck reflexiver Selbstpräsentation der Politikerinnen und Politiker sowohl im Verhältnis zu allen anderen Mitbewerbern wie auch zum Publikum.
Drittens: Entscheidender für die neue Qualität und die neuen Wirkungsdimensionen politischer Inszenierung sind allerdings die technischen Veränderungen im Bereich der Massenmedien. Mit dem Fernsehen steht nämlich erstmals in der Geschichte ein Massenmedium zur Verfügung, das einerseits alle Grenzen von Raum und Zeit überwindet, in spezifischer Weise die Gesamtheit der handelnden Personen wahrnehmen und diese Wahrnehmungen an ein breites Publikum vermitteln kann und das darüber hinaus durch seine medialen Qualitäten und seine Allgegenwart in den häuslichen Lebenswelten der Menschen fortwährend dichteste Realitätsillusionen erzeugt.[Links nur für registrierte Nutzer]
Da das Fernsehen als kulturelles Leitmedium auf sein Publikum, jedenfalls den größten Teil, entscheidenden Einfluss hat und darüber hinaus wegen seiner unübertroffenen Reichweite für alle anderen Massenmedien eine gewisse Vorbild- und Schrittmacherfunktion ausübt, nimmt es im System der medialen Politikvermittlung eine Schlüsselstellung ein.
Es rückt - im Gegensatz zu allen anderen Massenmedien - die Gesamtheit aller Zeichensysteme, die von menschlichem Handeln ausgehen können: Mimik, Gestik, Proxemik, Paralinguistik, Kulissen und Requisitenkontext in den Focus seiner Vermittlungen.
Damit wird für die handelnden Politiker, welche die Bühne der elektronischen Medien betreten, die Gesamtheit ihrer körperlichen Performance zum zentralen Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit. Um auf dieser Bühne erfolgreich sein zu können - in den Augen fast aller Gegenwartspolitiker eine Vorbedingung -, ist gezielte Arbeit an sich selbst notwendig. Zumeist erfolgt diese mit Hilfe professioneller Beratung oder durch praktisches Training.
Diese Lernprozesse werden professionell organisiert, indem die politischen Inszenierungsstrategien zu einem substantiellen Handlungsfeld innerhalb des politischen Systems selbst gemacht und von einem rasch wachsenden Stab von Beratern und Planern aller Art wissenschaftlich und ästhetisch vorbereitet und umgesetzt werden.
Die Inszenierung der eigenen Politik oder oft auch nur ihrer Ansprüche wird unter dem Inszenierungsdruck, der von den modernen Massenmedien ausgeht, zu einem zentralen Handlungsfeld der Politik selbst.
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In diesem Jahr werden die besten Schauspieler nominiert vom Volk und wer gewinnt, darf den Kanzler spielen.