Insekt
Die Papierfresser kommen
Sie vernichten Dokumente, Fotos und Bücher, in den Niederlanden haben sie Tausende Häuser bevölkert. Jetzt fallen die widerstandsfähigen Insekten auch in Deutschland ein.
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16. März 2017, 2:43 UhrEditiert am 16. März 2017, 20:58 UhrDIE ZEIT Nr. 10/2017, 2. März 2017[Links nur für registrierte Nutzer]
Die Lage ist vielleicht nicht dramatisch, aber die Invasion ist offensichtlich. Sie sind einfach überall: Papierfischchen ("Ctenolepisma longicaudata").
Die schlechte Nachricht zuerst: Wir Mitteleuropäer werden von huschenden und lichtscheuen Biestern unterwandert und können uns kaum dagegen wehren. Ihr Name: Papierfischchen, lateinisch Ctenolepisma longicaudata, "geschuppte, langschwänzige Fischchen". Sie ernähren sich von unseren manchmal geschätzten, manchmal teuren Dokumenten wie alten Papieren, Büchern, Kartons, Fotos oder Pergamenten. Aber auch von Tapeten oder Vorhängen. Alles wird angeknabbert.
Noch schlechter: Wir kennen diese Insekten so gut wie gar nicht. In Deutschland ist allenfalls eine verwandte Spezies aus der Gattung der Lepismatiden bekannt: die Silberfischchen. Das sind jene flott davonhuschenden Minitorpedos, die sich als nachtaktives Gesindel unter Badezimmermatten und in Ritzen verbergen. Wer es schafft, erschlägt die unbefugten Badbewohner, tritt sie tot oder versucht sie anderweitig aus dem Haus zu schaffen – meist mit geringem Erfolg. Fischchen leben im Verborgenen.
Ctenolepisma longicaudata ist die weitaus unangenehmere Spezies; sie ist bis heute besonders in den Niederlanden verbreitet. Unser Nachbarland ist schon fast flächendeckend befallen. Und nachdem die papiervisjes die Niederlande erobert haben, setzen sie gerade zum Sprung nach Deutschland an. Das ist nicht nur unangenehm. Ein Überfall von Papierfischchen kann tatsächlich zu großen Schäden führen: Da sie es trocken und warm mögen, finden sie ideale Bedingungen in Museen und Sammlungen.
Fischchen sind ubiquitär. Insektenforscher der North Carolina State University hatten die Idee, einmal die Artenvielfalt im Inneren menschlicher Behausungen zu erforschen. Also sammelten sie und zählten, wer alles die properen und hygienisch einwandfreien Einfamilienhäuser von Raleigh, der Hauptstadt North Carolinas, nebst den bekannten Einwohnern noch bewohnt. Das unerfreuliche Ergebnis verkündeten sie Anfang 2016: Alle Häuser beherbergen zahllose Schwarzbewohner in reicher Artenvielfalt. Kein einziges Haus ist clean.