»Die Etablissements
Schneider & Cie (Le Creusot) werden allgemein als ein Gegenstück Krupps in Frankreich angesehen. Doch ist der innere Aufbau des französischen Rüstungskonzerns sehr verschieden von dem deutschen. Was die Stahlproduktion anbelangt, war Schneider immer viel kleiner als Krupp. Seine Macht fußt vor allem auf seinen Bankverbindungen. Zum Unterschied von der
U.S.Steel (Morgan-Bank) ist die Schneider-Gruppe nicht von einer Bank kontrolliert, aber sie spielt seit langem eine wichtige Rolle in den großen französischen Kreditorganisationen, vor allem in der
Banque de l'Union Parisienne.
Die Tätigkeit der Schneider hatte schon vor dem ersten Weltkrieg über die Grenzen Frankreichs hinausgegriffen. Nicht nur, daß sie neben Krupp die größten Kanonenexporteure waren, sie nahmen auch an mehreren Auslandsunternehmen teil, so an der
Hüttengesellschaft von Nikopol-Mariupol in Rußland. Sie arbeiteten mit dem
russischen Waffentrust Putilow zusammen -
der von der Sowjetregierung nationalisiert wurde - und hatten Interessen an Hochöfen und Stahlwerken in Chile und am Hafen von Rosario in Argentinien.
Doch die große internationale Ausdehnung der Schneider begann erst nach dem ersten Weltkrieg. Wie wir bereits erwähnt haben, erwarb Schneider eine Beteiligung an der
luxemburgischen Gesellschaft Arbed und mit dieser zusammen an der
Societe Metallurgique des Terres-Rouges, die zur Ausbeutung früherer deutscher Besitzungen gegründet worden war. Die wichtigsten Erwerbungen fanden in den Donauländern statt. Gemeinsam mit der Union Parisienne gründete Schneider 1920 die
Union Europenne Industrielle et Financiere, und diese von Eugene Schneider geleitete Gesellschaft kaufte in kurzer Zeit große Aktienpakete von Industrieunternehmen im Gebiet des ehemaligen Österreich-Ungarn.
Vor allem hatte die Schneider-Gruppe die Hälfte des Kapitals und praktisch die Kontrolle der
Skoda-Werke in der Tschechoslowakei erworben. Vor dem ersten Weltkrieg das wichtigste Rüstungsunternehmen Österreichs, bildete Skoda selbst einen weit verzweigten Trust für die Herstellung von Waffen, Maschinen und Automobilen. Unter den anderen Erwerbungen der Schneider-Gruppe befanden sich Anteile an den
Hütten- und Stahlwerken von Huta-Bankowa in Polen. Zudem
verschaffte sich Schneider auf dem Wege über die Union Europenne Beteiligungen an mehreren großen Banken der Donauländer - der österreichischen Credit-Anstalt, der Niederösterreichischen Escompte-Gesellschaft und der Ungarischen Allgemeinen Creditbank - und gewann dadurch Einfluß auf eine Anzahl anderer Unternehmen.
Der außerordentliche Aufschwung, den der Schneider-Konzern kurz nach dem ersten Weltkrieg nahm, war nicht von langer Dauer. Die eroberten Stellungen wurden nur zum Teil auf aktive Weise ausgenützt. Bereits mehrere Jahre vor dem „Anschluß" wurden die Beteiligungen Schneiders in Österreich liquidiert. In der Tschechoslowakei gelang es ihm, im letzten Augenblick den größten Teil seiner Interessen finanziell zu retten.
Nach dem Münchener Abkommen, noch ehe die Stadt Pilsen militärisch von den Deutschen besetzt wurde, verkaufte die Schneider-Gruppe die dort gelegenen Skoda-Werke gegen Zahlung in freien Devisen an die Brünner Waffenwerke. Dann gingen sie in deutsche Hände über und wurden
den Reichswerken „Hermann Göring" einverleibt. Nach dem Kriege wurde Skoda von der tschechischen Regierung verstaatlicht. Das Damoklesschwert der Verstaatlichung hing eine Weile auch über der französischen Rüstungsindustrie (1936), aber die Schneider-Werke wurden faktisch nicht davon betroffen und überstanden Krieg und Besatzung ohne größere Verluste. Die Nachkommen der Begründer sind in dem über hundert Jahre alten Unternehmen an leitender Stelle tätig.
Die beiden großen englischen Rüstungskonzerne, Armstrong und Vickers, haben in den letzten Jahrzehnten wechselvollere Schicksale erlebt. Ebenso wie Schneider haben auch sie nach dem ersten Weltkrieg eine starke Expansionspolitik betrieben.
Armstrong-Witworth gliederte sich in England den Bergwerkskonzern Pearson and Knowles an, gründete eine Zweigstelle in Italien, eine Gesellschaft für Papierfabrikation in Neufundland und plante den Bau von Dämmen in allen Erdteilen.
Vickers sah noch größer,
kaufte die British Westinghouse Co. und die Metropolitan Carriage Wagon and Finance Co., zwei wichtige Unternehmen für den Bau von Eisenbahnwagen und die Fabrikation von Elektrizitätsmaterial,
lancierte eine Waffengesellschaft in Polen, beteiligte sich in der italienischen Elektrizitätsindustrie und in der spanischen Minenindustrie und gründete eine Zweigstelle in Frankreich. Die Neuinvestierungen stiegen auf 17 Millionen Pfund.
Da diese Erweiterungen zum großen Teil nicht die erwarteten Resultate ergaben, befanden sich Armstrong und Vickers um 1926 in einer äußerst peinlichen Finanzlage. Nur eine radikale Sanierungsaktion konnte sie vor dem vollkommenen Einsturz retten. Die Waffenfabriken der beiden Trusts wurden vereinigt und der Vickers Ltd. einverleibt, die seit der Wiederaufrüstung Englands einen bedeutenden Aufschwung nahm. Vickers bestand nunmehr aus zwei Hauptabteilungen: der
Vickers-Armstrong Ltd. für die Kriegsproduktion und der
English Steel Corporation für die Herstellung von metallurgischen, chemischen und anderen Produkten zu friedlicheren Zwecken. Der Flugzeugbau, ein Gebiet, auf dem Vickers zu den Pionieren gehört, hat ebenfalls eine kräftige Wiederbelebung erfahren. Doch für so extravagante Ausdehnungen, wie sie nach dem ersten Weltkrieg vorkamen, ist im heutigen England kein Platz mehr.
Die
Bethlehem Steel Corporation, das zweitgrößte Stahlunternehmen der Vereinigten Staaten, kann auch bis zu einem gewissen Grade zu den Rüstungstrusts gerechnet werden. Aus einer Kriegsschiffbauwerft entstanden, hat sie einen bedeutenden Aufschwung erlebt, seit der frühere
Direktor der United States Steel Corporation, Charles M. Schwab, 1914 die Leitung übernahm. Während des ersten Weltkrieges hatte sie große Gewinne, und zum Unterschied von den englischen Trusts gelang es ihr nach dem Waffenstillstand, ihre Produktion auf „Friedensstahl" umzustellen, indem sie sich mehrere andere große Stahlunternehmen angliederte. Die in der Kriegsindustrie investierten Kapitalien, ehemals 92 Prozent des Gesamtkapitals, wurden vorübergehend auf 1 1/2 Prozent reduziert, doch hat die Marineaufrüstung die Bethlehem Steel mehr und mehr auf ihr altes Tätigkeitsfeld zurückgeführt.
Der zweite Weltkrieg war natürlich auch für die Bethlehem Steel eine Periode außerordentlicher Gewinne und Erweiterung, wobei diese Gesellschaft immer darauf hielt, sich nicht nur in die Breite, sondern auch in die Tiefe zu entwickeln. Zum Unterschied von den anderen großen amerikanischen Stahlunternehmen ist sie ein ausgesprochener Vertikaltrust, der von Erzen und Kohlen bis zu Kriegsschiffen und Geschützen möglichst alles in eigenen Betrieben herstellt. Bedeutende Auslandsbesitzungen, namentlich in Südamerika, geben ihr auch ein internationales Gepräge, doch ihr Kapital ist rein amerikanisch.«