Eine „süsse“ Umschreibung …
Der SS-Chef Heydrich war jüdischer Herkunft
Da es hier offenbar nur strenggläubige Ideologieverfechter verschiedener Seiten gibt, die fanatisch ihr fleckenloses Propaganda-Feinbild verteidigen wollen, müssen sie wissenschaftlich mal auf ein paar dunkle Flecken in ihrem Glauben hingewiesen werden, ehe sie an induziertem Wahnsinn krank werden. Nur keine Überhitzung, bitte kühl bleiben, möglicherweise war alles ganz anders.
»Aus der Reichswehr, dem Hunderttausend-Mann-Heer der Weimarer Republik, brauchten 1934 - nach amtlichen Angaben - nur fünf Offiziere und vierunddreißig Mann, aus der Reichsmarine bloß zwei Offiziere und neun Mann wegen "nichtarischer" Abstammung auszuscheiden. Indessen hatte eine Reihe von Offizieren schon vorher den Abschied genommen...
Nicht wegen seiner teilweise jüdischen Abstammung, sondern aufgrund "nicht standesgemäßen Verhaltens" bei einer Liebesaffäre mußte ein junger Marineoffizier bereits Ende 1930 die Uniform ausziehen:
Reinhard Tristan Eugen Heydrich, Sohn des Musikers und Begründers des "Ersten Hallischen Konservatoriums für Musik, Theater und Lehrberuf", Bruno Heydrich, der in Riemanns Musiklexikon von 1916 als "Heydrich, Bruno, eigentlich Süß" aufgeführt ist.
Der 1904 zu Halle an der Saale geborene Reinhard Heydrich stieß nach seiner Entlassung aus der Reichsmarine zu den Nationalsozialisten und wurde 1931 Himmlers Geheimdienst- und Sicherheitsbeauftragter.
Nach 1933 war Heydrich zunächst Chef der Politischen Polizei von Bayern, übernahm 1934 auch das preußische Geheime Staatspolizeiamt und avancierte 1936 zum "Chef der Sicherheitspolizei", dem die gesamte politische und Kriminalpolizei des Reiches unterstellt waren; daneben leitete er von Anfang an den von ihm selbst aufgebauten parteiinternen "Sicherheitsdienst" (SD) des "Reichsführers SS", und diesem außerordentlichen Machtinstrument verdankte er auch seinen raschen Aufstieg.
Im September 1939, kurz nach Kriegsausbruch, wurden seine Funktionen in Partei und Staat zusammengelegt: Als "Chef der Sicherheitspolizei und des SD" im Range eines SS-Obergruppenführers und Generals der Polizei leitete er seitdem das "Reichssicherheitshauptamt" (RSHA), dem die gesamte Sicherheits- und Kriminalpolizei, die Gestapo, der SD, ein eigener Auslands-Geheimdienst sowie im Kriege auch die berüchtigten "Einsatzgruppen" unterstanden.
Heydrich hatte somit eine der stärksten Machtpositionen und gebot über den gesamten Terrorapparat des "Dritten Reiches". Und da er dem "Reichsführer SS" Heinrich Himmler, seinem einzigen Vorgesetzten außer dem "Führer" selbst, an Energie, Intelligenz und Organisationstalent, erst recht an Brutalität, Skrupellosigkeit und Tücke überlegen war, fühlte er sich, auch schon ehe er dann noch kommissarischer "Reichsprotektor in Böhmen und Mähren" wurde und auf dem Hradschin als Prokonsul residierte, zum einstigen Nachfolger Hitlers berufen.
Dem "Führer" war Heydrichs jüdische Abstammung übrigens durchaus bekannt, und auch Himmler wußte davon. Robert M. W. Kempner, Vertreter der amerikanischen Anklage in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen der Jahre 1945/46, berichtet darüber in seinem Werk,
"Eichmann und Komplicen", daß er, als diese Vermutung während der Voruntersuchung auftauchte, mehrfach Angeklagte und Zeugen darüber befragt hätte.
»Das Ergebnis führte zu der Feststellung, daß Reinhard Heydrich im Sinne der Rassegesetze des Dritten Reiches keineswegs »reinrassig« war ... Der für solche Rassefragen maßgebendste Beamte des Dritten Reiches, der ehemalige Staatssekretär im Reichsinnenministerium Wilhelm Stuckart (1), »federführend« für Rasse- und Mischlingsfragen, erklärte mir am 26. Mai 1946: „ ... Ich hatte durch meinen Abteilungsleiter, den für dieses Gebiet zuständigen Ministerialdirigenten Hering, erfahren, daß Heydrich, dessen Vater in Halle eine Musikschule gehabt habe, als jüdisch oder teilweise jüdisch gegolten habe. Ich ließ daher die Angelegenheit durch den Abwehrchef Admiral Canaris prüfen; diesem gelang es, die Photokopien der Abstammungsurkunde in seinen Besitz zu bringen. Sie wiesen die nichtarische Abstammung Heydrichs aus. Canaris deponierte die Photokopien im Ausland und ließ dies Heydrich wissen. Er selbst konnte sich dadurch vor einem Zugriff Heydrichs schützen“...«
Diese Aussage wurde später auf mehrfache Weise bestätigt: Wie Joachim C. Fest in "Das Gesicht des Dritten Reiches" berichtet, hat ein Mitarbeiter des in scharfem Gegensatz zu Heydrich stehenden Abwehr-Chefs Canaris, der Pianist Helmut Maurer, noch 1940 auf dem Standesamt von Halle die Unterlagen über Heydrichs "nichlarische" Abstammung abschriftlich erhalten. Nach Maurers Erinnerung waren Heydrichs Vorfahren väterlicherseits jüdischer Herkunft. Dieser Annahme scheint ein Dokument zu widersprechen, das in Fotokopie beim Institut für Zeitgeschichte in München vorliegt. Es handelt sich um ein Gutachten, das auf Antrag des Gauleiters von Halle-Merseburg, Jordan (!), 1932/33 bei der Parteileitung der NSDAP erstellt wurde. Darin wird nur Heydrichs Abstammung
väterlicherseits untersucht und für unbedenklich erklärt. In der Personalakte, die Martin Bormann, Hitlers "grau-braune Eminenz", über Heydrich führte, befindet sich eine Ahnenliste, die Namen, Eltern und Herkunft der Muttersmutter unerwähnt läßt. Ob Heydrich väter- oder mütterlicherseits oder gar von beiden Seiten her ganz oder teilweise "nichtarischer" Abstammung war, läßt sich nicht mehr sicher feststellen. An der Tatsache seiner mindestens teilweise jüdischen Herkunft kann indessen nicht mehr gezweifelt werden, weil auch zahlreiche Äußerungen Himmlers und Hitlers zu dieser Frage von mehreren glaubwürdigen Zeugen, zum Teil nach deren Tagebuchaufzeichnungen, überliefert sind. Sie wußten zweifellos beide, daß Heydrich "Nichtarier" war. Doch während der bürokratische "Reichsführer SS" meinte, sich deshalb von seinem Geheimdienstchef trennen zu müssen, fand Hitler, nachdem er sich lange mit Heydrich unterhalten hatte, die "blonde Bestie" (2) sei ein hochbegabter, aber auch sehr gefährlicher Mann, dessen Gaben man der Bewegung erhalten müsse. Solche Leute könnte man jedoch nur arbeiten lassen, wenn man sie fest in der Hand behielte, und dazu eigne sich seine nichtarische Abstammung ausgezeichnet ... (3).
Voller Erbitterung äußerte Hitler - so vermerkte Himmlers Vertrauter, Felix Kersten, in seinem Tagebuch -, Heydrichs Tod gleiche einer "verlorenen Schlacht" ... «
* * *
1) Gemeinsam mit Hans Maria Globke, dem späteren Staatssekretär Konrad Adenauers, verfaßte Stuckart den Kommentar zu den sogenannten “Blutschutzgesetzen”.
2)
”Blonde Bestie”: So wurde Heydrich von seinen SD-Mitarbeitern genannt. Vgl. hierzu: Willi Frischauer, “Himmler, The Evil Genius of the Third Reich”, London 1953, S. 35.
3) Zitiert nach Felix Kersten, "Totenkopf und Treue. Heinrich Himmler ohne Uniform. Aus den Tagebuchblättern des finnischen Medizinalrates Felix Kersten", Hamburg o. J., S. 128)
(Quelle: Bernt Engelmann "Deutschland ohne Juden – Eine Bilanz", Wilhelm Goldmann Verlag, München 1979, S. 212-216)
Aus dem Klappentext:
»Der Dichter Alfred Döblin, der geniale Naturwissenschaftler und Philosoph Albert Einstein, der Maler Max Liebermann, der große Theatermann Max Reinhardt, die Schauspieler Fritz Kortner und Therese Giehse. der Tenor Richard Tauber, der streitbare Publizist Kurt Tucholsky - sie stehen für viele glanzvolle Namen aus Wissenschaft undKunst. Sie waren Deutsche und - Juden.
Die Herkunft wurde ihr Verhängnis. Der schleichende Antisemitismus der Deutschen, der im Dritten Reich zum fanatischen Rassenhaß umschlug, trieb sie aus dem Land, das ihnen längst Heimat war. Wer Jude war, blieb oder bleiben mußte, endete in den Todeslagern, die sich nur Unmenschen ausdenken konnten.
Was die Deutschen den Juden zugefügt haben, ist immer noch unfaßbar. Doch Bernt Engelmann geht es in diesem Buch nicht um Schuld und Sühne, er fragt vielmehr, was die Deutschen Deutschland mit der Vertreibung und Vernichtung der Juden angetan haben. Denn die deutsche Geistes- und Kulturgeschichte ist ohne Juden nicht denkbar.«
Die Angaben sind wasserdicht. Engelmann (SPD) hat die Informationen für seine zahlreichen systemkritischen Bücher nicht nur aus Stasi-Quellen geschöpft, sondern in diesem Fall haben ihm zahlreiche jüdische Personen Unterstützung geleistet:
»
Der Dank des Autors
gilt allen, die bei der Vorbereitung und Herstellung dieses Buches auf die eine oder andere Weise geholfen haben, u.a. besonders Herrn Ludwig Lazarus, Hannover, für umfangreiche Literatur- und Materialbeschaffung und wertvolle Hinweise; den Redakteuren des “Jüdischen Pressedienstes”, Herrn Dr. H. G. van Dam, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, und Herrn Paul Spiegel, für ihre Hilfsbereitschaft und kollegiale Unterstützung; Heinz Stuckenbrock und den gewerkschaftlich organisierten Kollegen der Firma Mohndruck, Gütersloh; Herrn Hans Uhlig für sorgfältige Korrektur, Erstellung des Registers und der Bibliographie; vor allem aber meinem Freund Moses Gercek, der den letzten Anstoß dazu gab, daß dieses seit Jahren geplante und vorbereitete Buch nun tatsächlich geschrieben wurde.«