Im Auftrag der Ostbeauftragten der Bundesregierung, Iris Gleichke (SPD), erstellte das Göttinger Institut für Demokratieforschung eine Studie zu Rechtsextremismus in "Ostdeutschland". In allen Medien zu finden, hier bspw die Alpen-Pravda zur Einleitung:

Schonungsloser Blick auf ostdeutsche Zustände



  • Eine aktuelle Studie untersucht die Ursachen und Hintergründe von Rechtsextremismus in Ostdeutschland.
  • Die Forscher zeigen auf, welche Faktoren zur Verbreitung von Rechtsextremismus beitragen.
  • Dazu zählt unter anderem die Sozialisierung in der DDR, der Wunsch nach einer eigenen Identität sowie ein Gefühl der Benachteiligung.


Nein, es gehe nicht darum zu generalisieren oder zu stigmatisieren. Dieser Hinweis ist den Forschern des Göttinger Instituts für Demokratieforschung wichtig. Im Auftrag der Ostbeauftragten der Bundesregierung, Iris Gleicke, untersuchten sie die Ursachen für [Links nur für registrierte Nutzer], Fremdenfeindlichkeit und fremdenfeindliche Übergriffe in den neuen Bundesländern. Das Thema hat in den vergangenen Jahren für eine emotionale und zuweilen völlig überhitzte Diskussion gesorgt. Sachsen wurde zum "dunkelsten Bundesland" erklärt, der Osten gilt als Hort von Neonazis. Klischees, die die Forscher explizit nicht bedienen wollen. Absolution wolle man aber auch nicht erteilen, wie es in der Studie heißt ([Links nur für registrierte Nutzer]).

Die Zahl rechtsextremer Übergriffe ist in den vergangenen Jahren deutschlandweit gestiegen. 1408 Vorfälle waren es 2015, die meisten wurden in Nordrhein-Westfalen verübt. Setzt man die Taten jedoch in Relation zur Einwohnerzahl, sticht der Osten hervor, besonders Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Das heißt im Umkehrschluss jedoch nicht, dass Ostdeutsche aufgrund ihrer Herkunft rechtsextremer sind als Westdeutsche. Vielmehr gibt es in den neuen Bundesländern bestimmte Faktoren, die Rechtsextremismus begünstigen. Hier setzt die Studie an.
Jetzt wird es interessant:

Die Forscher konzentrierten sich auf zwei ostdeutsche Gebiete: Die Region Dresden, insbesondere Freital und Heidenau - beide Städte waren 2015 wegen rechtsextremer Proteste aufgefallen. Sowie die thüringische Landeshauptstadt Erfurt mit Schwerpunkt auf den Stadtteil Herrenberg, wo sich eine rechtsextreme Szene etabliert hat. Für die Studie wurden zwischen Mai und Dezember vergangenen Jahres 40 Einzelinterviews geführt, mit Vertretern aus Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft sowie einfachen Bürgern.
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Warum interessant? Lassen wir Peter Grimm zu Wort kommen:

An jenem Donnerstag nun gab es in den Hauptnachrichten öffentlich-rechtlicher Medien eine Top-Meldung. Auch in der „tagesschau“, die sich immer noch als journalistisches Flaggschiff versteht, stand sie an erster Stelle: Im Osten sind Rechtsextremisten viel stärker als im Westen. Nun wird niemand bestreiten, dass es im Osten ein paar Landstriche gibt, in denen Rechtsextremisten auffällig stark vertreten sind. Und dass gewalttätiger Rechtsextremismus, dort wo er auftaucht, ein Problem ist, mit dem sich politische Verantwortungsträger zu beschäftigen haben, leugnet auch kaum jemand. Nur gibt es immer wieder Zweifel, ob das Problem so herausgehoben groß ist, dass all der steuerfinanzierte „Kampf gegen rechts“ eine Berechtigung hat. Irgendwie beschleicht einen doch immer öfter der Eindruck, dass hier auch an Stellen zu bekämpfende „Rechte“ gesucht werden, die möglicherweise Weltbildern anhängen, die einem nicht gefallen, von denen für Demokratie und Rechtsstaat keinerlei Gefahr ausgeht. Und das Gefühl, dass das Problem des Rechtsextremismus gern aufgebauscht wird, während die Verantwortlichen die linksextremistische und islamistische Gewalt lieber kleinzureden versuchen, setzt sich ebenfalls in immer größeren Teilen der Bevölkerung fest.

„tagesschau“ und Wissenschaftler können doch nicht unseriös sein

Dagegen stand nun die Top-Meldung von „tagesschau“ und anderen Nachrichten. Niemand Geringerer als die Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), präsentierte die Studie „Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland“ des Göttinger Instituts für Demokratieforschung. „Unter anderem kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass in gewissen Regionen Ostdeutschlands und in politisch-kulturellen Umfeldern eine historisch gewachsene Neigung zu Fremdenfeindlichkeit und rechtsextremem Denken existiere“, hieß es in der [Links nur für registrierte Nutzer].

Die „tagesschau“, eine Beauftragte der Bundesregierung und Wissenschaftler – die können ja nicht alle zusammen unseriös sein, oder?
Erste Zweifel konnten einem schon in einem Nebensatz der „tagesschau“-Kollegen kommen:
Für ihre Studie untersuchten sie insbesondere zwei Regionen: Die Metropolregion Dresden, konkret die Städte Freital und Heidenau, in denen es im Sommer 2015 „asylfeindliche Proteste“ gegeben hatte, sowie den Erfurter Stadtteil Herrenberg, „der seit langem für seine rechtsextreme Szene bekannt ist“.

„Metropolregion Dresden“: Das klingt nach Pegida, aber eigentlich sollen nur die „Forschungsergebnisse“ aus zwei kleinen Städten im Umland und einem Erfurter Stadtteil beweisen, wie rechtsextrem Ostdeutschland tickt? Hätte da die auftraggebende Beauftragte der Bundesregierung nicht stutzig werden müssen? Oder wenigstens die Kollegen aus der „tagesschau“-Redaktion?

Vielleicht liegt es daran, dass sie sich die Studie nicht durchgeblättert haben. Sonst hätten sie auf [Links nur für registrierte Nutzer] stutzig werden müssen. Denn dass der Studie, die immerhin den Rechtsextremismus des Ostens beweisen soll, gerade einmal 40 Interviews zu Grunde liegen, könnte vielleicht etwas Skepsis bewirken.

Merkwürdige Auswahl

Doch nicht nur die geringe Zahl lässt an der Seriosität zweifeln. Auch bei der Auswahl der Gesprächspartner liegt der Verdacht nahe, dass das [Links nur für registrierte Nutzer] von vornherein angestrebt wurde. Dort, wo eine politische Präferenz erkennbar ist, sind die Gesprächspartner vor allem Vertreter der Linken, Grünen und der SPD. Aber vielleicht verbergen sich ja Liberale und Konservative unter den anonymen Positionen „Lokaler politischer Akteur“, „Journalist des MDR“, „Vertreter des Gemeindevorstands Ahmadiyya“, „Person aus der Bildungspolitik“, „Lokale zivilgesellschaftliche AkteurInnen“ oder „Zwei Personen aus der Zivilgesellschaft, die anonym bleiben wollen“.

Manche Gesprächspartner haben einen Namen, viele andere nicht. Diese Mischung aus anonymen und nichtanonymen Befragten mag merkwürdig anmuten. Aber die Autoren der Studie erklären [Links nur für registrierte Nutzer], dass es heutzutage in Deutschland viel zu gefährlich sei, mit seinem Namen in einer Studie im Auftrag der Bundesregierung aufzutauchen. Die vielen „Gesicht zeigen“-Initiativen scheinen noch nicht allzu viel bewirkt zu haben:

In Anbetracht des brisanten Themenkomplexes der in einem sehr kleinräumigen Ort durchgeführten Interviews und der damit einhergehenden potenziellen Gefährdung bitten insbesondere die zum Komplex Erfurt-Herrenberg, aber auch einige der in Heidenau und Freital befragten InterviewpartnerInnen/Quellen um Anonymität innerhalb der Öffentlichkeit. Im Rahmen der geführten Interviews innerhalb des Stadtteils greift diese Maßnahme direkt im vorliegenden Bericht. Ebenso wurden die Namen der FokusgruppenteilnehmerInnen entfremdet, um deren Anonymität zu gewährleisten.

40 Menschen repräsentieren den Osten?

Also eigentlich haben einige Thüringer und Sachsen, die gezielt ausgewählt wurden und dennoch zum Teil völlig anonym bleiben, den Göttinger Wissenschaftlern erzählt, wie rechtsextrem der Osten ist, und die Beauftragte der Bundesregierung verkündet dieses Ergebnis über alle Medien. Das allein würde für ein ungläubiges Dauerkopfschütteln schon reichen. Doch nun wird diesem Irrwitz noch die Krone aufgesetzt. Selbst unter den wenigen Namen, die genannt werden, scheinen nicht alle echt zu sein. [Links nur für registrierte Nutzer] berichtet von einem Verdacht, dass im Auftrag der Bundesregierung auch Fake-News verbreitet worden sein könnten:

Dass Interviews gefälscht wurden, dafür spricht die Tatsache, dass es in der Sächischen Landeszentrale für Politische Bildung [Links nur für registrierte Nutzer], wie von den Göttingern behauptet. Wie sie also ein Interview mit dem führenden Mitarbeiter Reese geführt haben wollen, ist eine derzeit offene Frage. Angesichts der Tatsache, dass Interviews mit Personen geführt worden sein sollen, die es auf den angegebenen Positionen nicht gibt, stellt sich die Frage, ob die Interviewpartner, die anonym bleiben wollen, überhaupt vorhanden sind.

Vielleicht sollte die Bundesregierung, die gerade angeblich Fake-News im Netz durch schnelle Löschungen bekämpfen will, damit anfangen, zuerst die eigenen Studien zu überprüfen.
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