Für mich bedeutet er ein paar Lesezeichen !
Die tiefsten Brunnen tragen die höchsten Wasser - Meister Eckhart
Lieber Leo Navis!
Dir zustimmend bemerke ich, daß ich nicht alles in mein Tagebuch schrieb, was ich als Backfisch erlebte und dachte. Darum teile ich Dir meine lückenhaften Erinnerungen aus dem Gedächtnis mit.
- In einem von Arthur Schopenhauer veröffentlichten Werk las ich, daß man die Werke Immanuel Kants (schlimmer noch: die Werke Platons) gelesen haben sollte, um ihn verstehen zu können. – Dies empfand ich damals für eine Zumutung, die ich heute noch für eine Frechheit sondergleichen halte. Denn um Immanuel Kants Hauptwerke (die „Kritiken“) verstehen zu können, hätte man so sprachlich begabt und kenntnisreich wie er selbst sein müssen. – Ich war damals nur eine verärgerte Suchende.
- [Links nur für registrierte Nutzer] schrieb und veröffentlichte im Jahr 1914 ein Buch mit dem Titel: „Nietzsche der falsche Prophet.“ Darin steht sinngemäß zu lesen, daß Friedrich Nietzsche ein Jugendverderber sei. – Diese Aussage veranlaßte mich, ins nächstgelegene Buchantiquariat zu eilen, um eine Gesamtausausgabe der Werke Friedrich Nietzsches zu erstehen. – Mehr als ein Jahrzehnt später tadelte mich mein Ehemann wie folgt: „Auf Erstausgaben schreibt man nichts!“
Gruß von Leila
Nur eine Frage richte ich an die bleichen kulturbewußten Deutschen, die sich gerne an der Riviera von der Sonne bräunen lassen: Was haben sie den beiden Italienern [Links nur für registrierte Nutzer] und [Links nur für registrierte Nutzer] zu verdanken?
Ich beantworte diese Frage: Die [Links nur für registrierte Nutzer] der Werke Friedrich Nietzsches.
Liebe Leila!
Nicht nur muss der, der Schopenhauer verstehen will, Kant nicht lesen; niemand muss das. Es ist auch ganz und gar unmöglich, außer man verwendet, wie mein ehemaliger Professor, sein ganzes Leben darauf; dann ist es durchaus möglich, Schritt für Schritt Kant zu dechiffrieren, und ich kann mir schon vorstellen, dass das mit Hegel ganz ähnlich ablaufen kann. Mich hat das ehrlich gesagt sehr erstaunt, und als ich Kant lesen konnte, war es wie ein Concerto in meinem Gehirn.
Dass irgendwer die Jugend verderbe, der Vorwurf dürfte so alt sein wie die Jugend selbst. Wie gesagt, de Sade landete im Irrenturm, - was bei seinen Texten zu der Zeit aber auch kein großes Wunder ist.
Meine Nietzsche-Gesamtausgabe steht hier im Schrank. Woher ich sie habe, das will ich verschweigen.
Gerade jedoch bestellte ich einerseits den Faustus erster Teil - nicht, dass ich ihn nicht gelesen hätte - und Kierkegaards Entweder-Oder. Irre ich nicht, so warst Du es doch, die mir Kierkegaard vor mittlerweile gut 9 Jahren empfahl?
Ich glaube aber, falls Du Dich noch mal (falls Du es nicht schon irgendwann getan hast) in Kant reinfuchsen willst, so möchte ich Dir meine Beziehung zu Kafka mit auf den Weg gehen, die sehr ähnlich ablief. Am Anfang verstand man noch nichts, aber es war irgendwo trotzdem eine Freude, zu lesen, mit großen Augen die großen, absurden Wandlungen zu beobachten, sich zu fragen "Was soll das eigentlich alles?" - doch irgendwann, irre ich nicht, fand ich Kafkas Humor, und wenn man den gefunden hat, so sind die Bücher plötzlich tatsächlich ob ihrer Absurdität häufig fröhlich und lustig, was ja zu Kafka eigentlich nicht passen würde, im allgemeinen Auge;
Und so ähnlich ist es mit Kant. Ich kann wohl mit Fug und Recht behaupten, die nicht-verstehende Lektüre von Kant hat mir einst das Leben gerettet, und die verstehende später dann die Augen geöffnet. Sapere aude!
Es fällt mir schwer das genauer zu fassen. Alles hat seine Bedeutung und seine Berechtigung im großen Ganzen, das wir da Natur nennen, und auch im Kleinen, das wir da Menschheit nennen, und auch im ganz kleinen, das wir da Individuum nennen. So auch die Religion, weswegen ich sie schätze. Im gewissen Sinne glaube ich an Wishnu und Odin und Zeus. Es sind die Götter der Menschheit, es sind auch meine Götter; und ebenso den Gott der Christen, der Moslems, der Juden, das Nirvana, das Dao, das Gute, das Böse, ... es ist doch eigentlich alles genau dasgleiche.
Nun gut, wenn ich so genau darüber nachdenke dann würde man diese Einstellung wohl eher als "Daoismus" und weniger als "Omnismus" bezeichnen.
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