„Toleranz ist manchmal eine Zumutung“
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Eine erweiterte Toleranz gegenüber „rechts“ hatte Altbundespräsident Joachim Gauck vor einigen Tagen in einem „Spiegel“-Interview gefordert – ausgerechnet kurz bevor nach der Verhaftung des mutmaßlichen Todesschützen Walter Lübckes (CDU) eine neue Debatte über Rechtsextremismus entstanden ist. Im ZDF-Talk bei Markus Lanz erklärte Gauck nun, wie er seinen Vorstoß genau gemeint habe.
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Für jeden Menschen gebe es Dinge, die er „total widerlich“ finde, aus inhaltlichen oder menschlichen Gründen. Doch solange diese Dinge nicht gegen das Grundgesetz verstießen, hätten sie ein Recht zu existieren. Toleranz bedeute jedoch nicht, diese Positionen zu mögen – „Toleranz ist manchmal eben eine Zumutung“, so Gauck. Das habe er sich auch selbst erst richtig bewusst machen müssen.
Dennoch: Ohne Toleranz sei Pluralität nicht möglich, „deshalb müssen wir die Toleranz schützen“.
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Wenn er von „rechts“ spreche, meine er nicht Rechtsradikale oder Rechtsextremisten, „ich verachte diese Leute“. Doch das Wort „rechts“ sei in Deutschland zu negativ konnotiert. Es gehe ihm um Menschen, die so „schwer konservativ“ seien, dass sie auf ihn und andere Leute zwar reaktionär wirkten, aber: „Sie sind noch nicht Gegner der Demokratie – die wollen noch keinen Hitler.“
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Es gebe unter den Wählern und Mitgliedern der AfD Menschen, mit denen wolle er nichts zu tun haben, und deswegen sei er auch „Gegner dieser ganzen Bewegung, dieser Partei“. Aber: In der Wählerschaft der AfD gebe es viele Protestwähler. Sie wünschten sich „eine homogene Gesellschaft, wo das Fremde uns nicht bedrückt“.
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Gauck wirbt für einen anderen Umgang mit der AfD, als er aus seiner Sicht derzeit vielerorts praktiziert wird. Gleichzeitig würde er sich nicht mit AfD-Fraktionschef Alexander Gauland auf eine Bühne setzen. „Inkonsequent“, gibt er bei Lanz schmunzelnd zu. Das sei aber normal: Selbst tolerante Menschen wie er hätten ihre persönliche Toleranzgrenze und würden immer selbst entscheiden, mit wem sie sich in welchem Setting streiten wollen.
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