Zitat Zitat von Klopperhorst Beitrag anzeigen
Mal ne blöde Frage: Wenn jetzt in jeder Bank so Finanzjongleure sitzen, die mit Derivaten & Co. auf den Absturz spekulieren, dann können doch unzweifelhaft nicht alle gewinnen. Also hängt es wieder vom Zufall ab, wer den großen Reibach macht.

Ich vermute sowieso, dass die großen Spieler sich alle absprechen.

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Da ich bereits seit nun fast zehn Jahren nicht mehr als Angestellter in dieser Branche bin, kann ich nur die damalige Situation erläutern. Eigenhandel in Banken findet heute auch (wenn überhaupt noch) nicht mehr ansatzweise in dem Maßstab statt, wie es noch vor 2008 üblich war. Aus verschiedenen Gründen war es und (vermutlich) ist es noch immer nicht üblich, Portfolios gegen "unwahrscheinliche" Extrem-Ereignisse("jenseits zwei Sigma") in nichtlinearen Instrumenten abzusichern. Der Hauptgrund ist, dass die Aufgabe der Angestellten im aktiven Kapitalmarktgeschäft die kontinuierliche Erzielung von Gewinnen ist. D.h. Vorgesetzte wollen quartalsweise Gewinne sehen (u.a. auch weil die Vergütung von den Gewinnen abhängt). Diese Absicherungen zahlen sich bekanntlich jedoch nur alle 7-10 Jahre aus. Die wenigen unbedingt notwendigen Absicherungen, die vorgenommen werden(Zinsen, Kurs- und Marktrisiko im Inventar), sind üblicherweise in linearen Instrumenten. Das heißt, was bereits einen weiteren Grund aufzeigt, beispielsweise der Händler in Aktien (üblicherweise in der Funktion eines Market-Makers: muss Aktien, die Kunden loswerden wollen, abnehmen und für Kunden Aktien beschaffen ) berechnet aus seinem Inventar das Beta (historische Korrelation) zum Index und verkauft entsprechende Anzahl Index-Future oder Total-Return-Swaps. Das bedeutet einerseits, dass enorme Abweichungen auftreten, da historische Korrelationen ständig schwanken.

Unabhängig davon entstehen mit dieser Absicherung auch keine Kursgewinne in Aktien mehr. Market-Making in Standardprodukten ist darüber hinaus nicht wirklich intellektuell anspruchsvoll, dementsprechend sind auch die eingesetzten Kräfte in diesen Positionen (welche die Mehrheit sind) eher durchschnittlich und meist unfähig, nichtlineare Instrumente zu begreifen und vorteilhaft einzusetzen. Die "Gewinne" dieser Gruppe sind meist 100% Komissionen - 20-70% Verluste im Inventar.

Die kleine Gruppe von Angestellten in nichtlinearen Derivaten (meist Naturwissenschaftler,Mathematiker, Informatiker), deren Tätigkeit sich vollständig oder teilweise auf diskretionäre Spekulationen (Eigenhandel) im Zusammenhang mit globalen makroökonomischen Trends konzentriert operiert in kleinen Gruppen mit Risikolimits meist 250-750Mio., was nicht mehr sinnvoll in wirklich effizienter und günstiger Absicherung gegen jene Extremereignisse unterzubringen ist. Ferner besteht selbstverständlich auch hier die Erwartung, jedes Quartal ansehnliche Rendite(30+%p.a., besser 50+%p.a.) auf die verfügbaren Risikolimits zu generieren.

Eine beliebte Strategie in Banken (aufgrund der kontinuierlichen Gewinne) ist die Replikation von Optionen durch Dynamic Hedging, wobei nackt Optionen verkauft werden und die vermeintlich identischen Payoffs durch dynamisches Kaufen und Verkaufen des Underlyings repliziert werden. Diese Gruppe nimmt also die Gegenposition zu beispielsweise Absicherungen gegen seltene Extrem-Ereignisse ein, indem sie die Payoffs der veräußerten Optionen vermeintlich repliziert. Der Kern dieser Strategie ist allerdings ein Preismodell für nichtlineare Instrumente. Die üblichen Modelle setzen voraus, dass Märkte immer geöffnet bleiben, dass verwendete Underlyings stetige Preisverläufe aufweisen und immer liquide handelbar sind. Ferner enthalten die Modelle, die Bedingung reeller Preise innerhalb eines Kontinuums , obwohl die gültigen Preise tatsächlich eine Vereinigung diskreter Elemente sind. Das Schlimmste ist jedoch die unbegründete Annahme normalverteilter Wahrscheinlichkeiten für Kursabweichungen, welche zu einer völligen Fehlbewertung aller außen liegenden (außerhalb von zwei Sigma) Wahrscheinlichkeiten und dazugehöriger Instrumente führt.

Allein die Idee der Replikation hochgradig konvexer, nichtlinearer Instrumente mittels vollständig linearer Instrumente ist, meine ich, unklug. Mathematisch ist allein aufgrund der inkompatiblen Zahlenkörper bestenfalls eine Approximation möglich.

In ruhigen Zeiten funktioniert Dynamic Hedging hinreichend genau, um kontinuierliche Gewinne zu generieren. Wenn die Volatilität allerdings steigt und Kreditzyklen enden, treten mitunter nicht vorhergesehene Preissprünge, Liquiditätslöcher und Extremabweichungen auf, was einerseits die Replikation von Payoffs unmöglich macht und andererseits zu gewaltigen Verlusten in weit außerhalb liegenden Optionen führt (aufgrund eben jener falschen Annahme der Normalverteilung).