Wie bereits in diesem Strang teilweise ausgeführt, befinden wir uns derzeit am Ende des kurzfristigen Kreditzyklus. Im Lauf der letzten Tage hat sich die USD-Zinskurve deutlich bewegt, womit der Markt die Auffassung vertritt, dass die Federal Reserve spätestens im Frühjahr 2020 eine Zinssenkung um etwa 25-50 Basispunkte vollzogen hat.
Gestern insbesondere war ein Tag (daher auch kein Kommentar von mir, es war von den frühen Morgenstunden bis spät abends ein sehr erregter Tag), an dem die USD-Zinskurve sich erheblich neu ausgerichtet hat und mittlerweile deutlich invertiert ist. Der Geldmarkt unter einem Jahr liegt im Bereich von 240-250, also nahe der Fed Funds, während der mittelfristige Bereich kaum über 220 kommt und schließlich das lange Ende (etwa 30J.) nahe 295 liegt.
Die Zinskurve sagt damit, dass innerhalb der kommenden 12-18 Monate eine Rezession eintritt. Dazu passend werden die Fed-Funds für Anfang 2020(s.o.) zu Sätzen deutlich unter 250 gehandelt; es werden Zinssenkungen angenommen.
Wer einmal diesen Strang genauer betrachtet, wird feststellen, dass sich hier immer mehr das erhärtet, was bereits frühzeitig anzunehmen war.
Mit den letzten Zinsschritten (höher) hat die Federal Reserve den US-Dollar aufgewertet und verknappt. Auch traditionell führt das immer dazu, dass defizitäre Schwellenländer, die sich in US-Dollar verschulden, als erste Kollateralschäden fallen. In diese Kategorie fallen Länder wie Argentinien, Venezuela und die Türkei.
Diese Länder weisen Defizite in ihrer Leistungsbilanz(Im-, und Export v. Waren und Dienstleistungen) und in ihrer Kapitalbilanz(u.a. Investments) auf. Diese Defizite müssen refinanziert werden. Entweder durch Aufnahme weiterer US-Dollar Schuld oder durch die Schöpfung der lokalen Währung und den gleichzeitigen Tausch gegen die zu refinanzierenden US-Dollar. Üblicherweise werden beide Maßnahmen angewendet und führen zu mehr Verschuldung und einer Abwertung der lokalen Währung. (künstlich geschaffenes Überangebot am Devisenmarkt)
Um die Abwertung der lokalen Währung aufzuhalten, müssen die zuständigen lokalen Zentralbanken mitunter drastische Zinserhöhungen vornehmen. Diese Maßnahme führt zwangsläufig dazu, dass die lokale Wirtschaft abgewürgt wird und die Defizite meist noch weiter steigen. Irgendwann ist meist der Schuldenstand so hoch und die Kaufkraft in lokaler Währung so niedrig, dass diese Länder ausfallen. Also die Staatsschulden nicht mehr bedient werden und eine Restrukturierung notwendig ist.
Im speziellen Fall der Türkei trifft diese ohnehin ernste Lage auf grobes Missmanagement der politisch Verantwortlichen. Erdogan bestand ewig darauf, die Zinsen entgegen aller Notwendigkeit nicht anzuheben. Dies war fatal und hat zur massiven Entwertung der türkischen Lira geführt.
Nach mittlerweile mehreren Jahren hat er offenbar verstanden, dass höhere Zinsen auch jener Faktor sind, der exzessive Spekulation gegen die lokale Währung eindämmt. Vielleicht hat der den Tipp von den Chinesen erhalten. (
)
Was nämlich passiert wenn die nationale Zentralbank die Overnight-Sätze plötzlich und extrem anhebt, ist, dass Spekulanten gegen die türkische Lira die Wahl haben, ihre Positionen gegen astronomische Zinssätze zu halten, oder schließen müssen. Üblicherweise kommt es daraufhin zu schlagartigen Anstiegen der nationalen Währung, weil alle gleichzeitig versuchen müssen, ihre offenen Positionen zu schließen (Lira gegen Dollar zurückzukaufen), was ich übrigens schon vor etlichen Monaten als die notwendige Maßnahme identifiziert hatte.
Diese Maßnahme kommt jedoch zu spät und wird vom Markt auch als Schwäche gewertet. Der Markt greift die türkische Lira an, Kapital flieht und die lokale Notenbank verliert jeden Tag Milliarden damit, die lokale Währung zu verteidigen. Türkische Staatsschuld wird so billig wie 70 Cents pro Dollar gehandelt und die Lage ist (auch wegen der gleichzeitig angespannten Lage im US-Dollar-Raum) erregt. Wenn der Druck nicht schrittweise abnimmt und die Türkei mit viel Glück in der Lage ist, sich bis in den expansiven Teil des nächsten Kreditzyklus zu retten, wird die Türkei vermutlich in absehbarer Zeit ausfallen. Wenn die Lage sich nicht entspannt, wird die türkische Lira auf dem Weg dahin zu Monopoly-Geld.
Durch Erdogans dilettantische Handlungsweise ist die TRY unendlich schwerer zu verteidigen. Die globalen Primary Dealer werden nicht von Idioten betrieben. Die jetzige Zins-Maßnahme trifft nur noch selektiv die Spekulanten. Die Großen haben in Antizipation dieses Schachzugs längst Anleihen in TRY emittiert, dessen Erlöse gegen USD getauscht werden können und dabei keine Einflusssphäre der Zentralbank mehr besteht.
Wer kann leiht sich beispielsweise KfW-Anleihen oder EIB-Anleihen in Lira und verkauft diese, um halbwegs standfest Kredit in Lira zu erhalten. Der Königsweg wären geliehene Staatsanleihen oder noch besser Anleihen lokaler Banken, die eine Staatspleite wahrscheinlich nicht überleben.
EIB-Anleihen stehen übrigens in Milliarden aus in türkischer Lira. Wieder einmal erweisen die EU-Bürokraten der Völkerfreundschaft einen Bärendienst.
Aus systemischer Sicht wäre ein Ausfall der Türkei ein Schlag gegen viele europäische Banken, die diese Risiken halten. Das wäre vor dem Hintergrund der ohnehin schlechten Lage der europäischen Banken nicht gerade förderlich.