NTV / 12.12.2017 / von Hubertus Volmer
Der Chanukka Leuchter am Brandenburger Tor
Licht über Dunkelheit
Mit Kippa nur am Brandenburger Tor
Am Pariser Platz in Berlin wird ein Chanukka-Leuchter entzündet, am Hauptbahnhof demonstrieren Palästinenser gegen Israel. Auf den ersten Blick hat das eine nichts mit dem anderen zu tun. Tatsächlich schon. Chanukka in Berlin, um 16 Uhr soll auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor eine Demonstration von Palästinensern stattfinden. Sie wollen dagegen protestieren, dass US-Präsident Donald Trump Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt hat. Doch es ist Chanukka, die Demo muss weichen.
Um 12 Uhr weiht Rabbiner Yehuda Teichtal den großen Leuchter auf dem Pariser Platz ein, am Abend soll das erste der acht Lichter leuchten. In diesem Jahr habe die Entzündung des Chanukka-Leuchters eine besondere Bedeutung, sagt Teichtal n-tv.de. Am Freitag und am Sonntag waren hier auf dem Pariser Platz israelische Fahnen verbrannt worden, hier sei "Kindermörder Israel" und "Tod den Juden" gerufen worden, sagt der Rabbiner. Das sei sehr beunruhigend. "Deswegen hat es eine ganz besondere Bedeutung, heute die Chanukka-Kerzen am Brandenburger Tor zu entzünden: als eine Botschaft von Licht über Dunkelheit."
Eigentlich ist Teichtal ein fröhlicher Typ. "Berlin ist ein Ort für Licht!", ruft er bei der Einweihung und lacht. Mit einer Hebebühne fahren er und ein weiterer Rabbiner hoch zu den Armen des Leuchters und rezitieren Psalmen dabei. Als der Korb, in dem auch ein Techniker steht, wieder runterfährt, fangen sie an zu tanzen. Der Korb wackelt bedenklich. "Wir tanzen nur ein bisschen", sagt Teichtal zum Techniker. Der guckt, als wolle er sagen: schon ok.
Wieder unten gibt Teichtal Interviews. Als ihm eine Gruppe israelischer Schüler auffällt, eilt er auf sie zu, fängt wieder an zu singen und zu tanzen. Die Jungs sind in einem Alter, in dem man so etwas eher peinlich findet, aber dann lassen sie sich doch darauf ein. "Am Yisrael Chai", singen sie und wirken wie Fußballfans, die ihre Mannschaft feiern, "das Volk Israel lebt".
"Gott ist groß" am Hauptbahnhof
Ein paar Stunden später am Hauptbahnhof in Berlin bleibt es bei der palästinensischen Demonstration, die hierher ausweichen musste, mehr oder weniger ruhig. Zunächst skandieren junge Frauen Sprüche wie "Stoppt den Wahn, stoppt den Krieg, Intifada bis zum Sieg" oder "Deutschland finanziert, Israel bombardiert" oder "Hoch die internationale Solidarität", aber auch allerlei arabische Parolen.
Auf Twitter teilt die Polizei mit, dass ein Dolmetscher für Arabisch sich die Gesänge anhöre. Dann übernehmen junge Männer das Megafon. Sie sind schon heiser, als sie anfangen, und auch sie erinnern an Fußballfans. Wenn sie "Allahu akbar", Gott ist groß, rufen, klingt das nicht nach einem melodischen Muezzin-Ruf, sondern durchaus aggressiv.
Hamas-Fahnen sind dieses Mal nicht zu sehen - vielleicht liegt es daran, dass diese Kundgebung von einem anderen Verein angemeldet wurde als die anderen, vielleicht daran, dass die Polizisten die mitgebrachten Fahnen kontrollieren. Ein paar Festnahmen gibt es dann doch noch - eine wegen Vermummung, zwei nach dem mutmaßlichen Zeigen eines
Symbols der Terrorgruppe IS. Einmal kurz brüllen zwei oder drei junge Männer "Israel Kindermörder".
Der Veranstalter distanziert sich in einer Lautsprecherdurchsage ausdrücklich von Antisemitismus und bekennt sich ausführlich zu rechtsstaatlichen Grundsätzen wie dem Gewaltmonopol des Staates. Dann spricht er über Jerusalem. Die Stadt gehöre nicht einer Religion allein. "Jerusalem gehört den Muslimen, Jerusalem gehört den Christen." An dieser Stelle ist der Satz zu Ende. Juden erwähnt er nicht.
Unter den Teilnehmern der Demonstration findet man Anhänger der Zwei-Staaten-Lösung und solche, die den Staat Israel durch Palästina ersetzen wollen. "Wir haben keine Probleme mit Juden, wir sind alle Menschen", sagt ein Mann, der seit 27 Jahren in Deutschland lebt.
Dass auf den Demonstrationen am Freitag und Sonntag "Tod allen Juden" skandiert wurde, findet er nicht gut. "Aber das sind junge Leute, die meinen das nicht wörtlich. Die sind eben wütend." Auf die Frage, ob es den Staat Israel seiner Meinung auch künftig geben sollte, antwortet er: "Natürlich."
Drei junge Männer sehen das anders. Sie verehren Jassir Arafat, halten die palästinensische Autonomieregierung für zu lasch und wollen in ihre Heimat zurück. In ihre Heimat? Einer von ihnen ist gebürtiger Berliner, die anderen beiden sind in einem Flüchtlingslager im Libanon zur Welt gekommen. Selbst ihre Eltern kennen Palästina nur aus Erzählungen. Seit zwei Jahren sind sie in Deutschland. Auch sie haben nichts gegen Juden, überhaupt nicht. Sagen sie jedenfalls. "Die Juden kontrollieren alles", sagt einer von ihnen dann.
"Wer Angst zeigt, wird leichter zum Opfer gemacht"
//Vollzitat gekürzt - wtf
[Links nur für registrierte Nutzer]