Sie wurden nie verurteilt und kamen dennoch jahrelang nicht frei. Wie kann das sein?
Ich würde es mexikanisches Patt nennen. Es war ein Konflikt, der von keiner der beiden Seiten gewonnen werden konnte. Der Richter wollte meine Unterlagen, und ich weigerte mich, sie ihm zu geben. Also behielt man mich einfach in Beugehaft – ohne weitere Begründung.
Ihnen wurde vorgeworfen, Kunden per Schnellballsystem um über 700 Millionen Euro geprellt zu haben.
Ja, aber das ist falsch. Meine Bank hat sich – wie es viele Banken tun – das Geld über Nacht von mir geliehen. Doch sie hat es am nächsten Morgen nicht auf unsere Konten zurücküberwiesen. Es war weg. Wir haben kein Schneeballsystem geschaffen. Die Bank hat uns betrogen. Sie hat das Geld behalten.
Was ist dann passiert?
Wir wollten klagen und haben ein Eilverfahren beantragt. Doch die Regierung erhob Einspruch. Sie schützte also die Bank, während sie mich anklagte.
Mutet es für Sie nicht paradox an, dass kein einziger der Banker für die Machenschaften der Finanzkrise ins Gefängnis musste, Sie jedoch zwölf Jahre lang hinter Gittern saßen?
Das ist nicht paradox. Das ist logisch. Schließlich arbeiten die Banken doch Hand in Hand mit den Regierungen. Sie haben den Auftrag, die Staatsanleihen zu verkaufen. Das ist das zentrale Problem. Sie blasen die Welt zusammen jeden Tag ein bisschen weiter auf. Die enge Verflechtung von Politik und Banken ist das zentrale Problem unserer Ökonomien. Sie sprechen sich ab.
Bear Stearns und Lehman ließ man über die Klinge springen.
Ja, genau. In Washington hat man es nicht verwunden, dass sich Bear Stearns 1998 geweigert hatte, sich an der Rettung des Hedgefonds LTCM zu beteiligen. Und Lehman war einer der größten Konkurrenten der regierungsnahen Bank Goldman Sachs. Finanzminister Hank Paulson hat seinem ehemaligen Haus einen Konkurrenten vom Hals geschafft.
Das könnten Verschwörungstheoretiker nicht schöner erklären.
Es ist die Wahrheit. Die enge Verflechtung zwischen Politik und dem Banker-Klub ist der Grund, warum ich meine Zustimmung für den Film gegeben habe.
Sie haben angeblich die Weltformel gefunden und sind wieder ein gefragter Mann, der vor dem großen Schulden-Kollaps warnt. Haben Sie auch eine Lösung für dieses Problem?
Wir müssen diese
[Links nur für registrierte Nutzer] in produktives Kapital überführen. Bei überschuldeten Unternehmen werden die Verbindlichkeiten umgetauscht in Anteile an dem Unternehmen. Die Gläubiger einer insolventen Firma sind plötzlich deren Eigentümer. Genauso müssen sie es bei den Staatsschulden machen.
In welche Eigentumsrechte wollen Sie denn die Staatsschulden umwandeln? Bekommen dann die Halter von Bundesanleihen Anteile am Bundeskanzleramt oder anderem Staatsbesitz wie öffentlichen Firmen?
In meinem Modell bekommen die Gläubiger keine festen Zinszahlungen mehr vom deutschen Staat. Vielmehr fließt das Geld in produktive Investments, in Firmen, die Arbeitsplätze schaffen.
Klingt nach großem Staatskapitalismus, in dem Bürokraten Geld in irgendwelche Unternehmen packen.
Um Gottes willen. Die Kupons, die die deutschen Gläubiger für ihre Bundesanleihen bekommen, können sie in Unternehmensbeteiligungen ihrer Wahl umtauschen. Auf diese Weise steht viel Kapital zur Verfügung, mit dem privates Unternehmertum und dynamisches Wachstum finanziert wird.
Oder ein System staatlich orchestrierten Volkseigentums.
Ich möchte kein System von Staatsbetrieben. Es müssen rein private Unternehmen sein. Staaten schaffen nichts, produzieren nichts. Regierungen sind nicht imstande, irgendetwas clever zu managen, noch nicht einmal Kaugummi-Automaten.
Bitte?
Regierungen konnten noch nie ihre Schulden vollständig zurückzahlen.
Warum sollten Staaten auch ihre Schulden zurückzahlen, wenn sie – anders als Wirtschaftssubjekte – ewig leben?
Weil das System einfach nicht funktioniert. Wie gesagt, Regierungen produzieren rein gar nichts, sie sind nicht imstande, Sachen effizient zu managen. Als Mittel der Wahl erhöhen Regierungen immer nur die
[Links nur für registrierte Nutzer], um die immer höheren Schulden bedienen zu können.
Welchen Politikwechsel wollen Sie?
Die Politik lernt nicht aus Fehlern. Schon Marx oder Keynes meinten, Regierungen müssten das Auf und Ab im Wirtschaftsleben bekämpfen und glätten. Aber das funktioniert nicht. Der Zyklus hat noch immer gewonnen. Das liegt in der menschlichen Natur. Das habe ich mit meiner historischen Forschung herausgefunden.
Aber wenn alle Akteure ihre Weltformel kennen und entsprechend kontrazyklisch handeln, dann ist die Formel wertlos.
Der Zyklus wird niemals sterben. Selbst wenn man Kindern sagt, nicht ins Feuer zu fassen, möchte jedes Kind die Erfahrung selbst machen. Genauso verhält es sich auch bei erwachsenen Wirtschaftsakteuren.
Wie sollen wir im stetigen Auf und Ab unser Geld anlegen?
Sie gehen am besten mit dem Zyklus, statt zu versuchen, ihn zu bekämpfen. Immer da, wo es aufwärts geht, sind Sie dabei, und wo der Höhepunkt war, ziehen Sie sich zurück.
Leichter gesagt als getan. Was sollen wir konkret tun?
Aktuell lassen Sie auf alle Fälle die Finger von Staatsanleihen. Die sind heillos überbewertet. Hier wird es zum großen Crash kommen. Mein Modell sagt den Crash für den 1. Oktober voraus.
Aber Aktien sind doch auch schon gut gelaufen, vor allem der
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Viele Investoren spekulieren noch immer auf den Zerfall des Euro. Sie kaufen deutsche Aktien oder Bundesanleihen, weil sie wissen, dass diese Anlagen im Zweifelsfall in harten D-Mark notieren und nicht in Schwachwährungen. Und die Wahrscheinlichkeit, dass der Euro scheitert, ist sehr hoch.
Können Sie das genauer beziffern?
Ich würde sagen, dass das Risiko für den Zerfall bei 90 Prozent liegt. Das ganze Projekt ist völlig falsch aufgezogen worden. Damit der Euro eine Chance gegen den Dollar hat, hätte man von Anfang an einen einheitlichen Anleihemarkt schaffen müssen. Die großen Investmentgesellschaften wollen ihre Hunderte Billionen in einheitliche Euro-Staatsanleihen anlegen und nicht in Bundesanleihen oder italienischen Schuldtiteln.
Sie sind für eine Schuldenunion?
Sie können Amerika als Vorbild nehmen. Dort hat Alexander Hamilton auch am Anfang die Staatsschulden der Bundesstaaten in einheitliche
[Links nur für registrierte Nutzer] zusammengepackt. Später dann waren die Bundesstaaten auf sich selbst gestellt. Sie mussten ihre Schulden selbst aufnehmen und sind dafür auch selbst verantwortlich. Wenn nun Kalifornien pleitegeht, ruiniert das nicht den Dollar oder das US-Bankensystem. Genau das amerikanische System haben wir der EU-Kommission, die uns vor der Einführung des Euro um Rat fragte, ans Herz gelegt. Schafft einheitliche Anleihen, um eine Anlagebasis für den Euro zu legen, ein Rückgrat für die Gemeinschaftswährung.
Wie lautete die Antwort?
Man sagte uns, das sei politisch nicht durchsetzbar, man müsse erst mal mit dem Euro starten und später die Sache mit den Schulden regeln. Daher war die Bundesbank auch gegen den Euro und steckte uns immer wieder vertrauliche Informationen zu.
Die Bundesbank hat den Geburtsfehler des Euro gesehen?
Auf alle Fälle war es ein Fehler, den Euro damals nicht mit gemeinsamen Anleihen ausgestattet zu haben. Deshalb ist heute auch das europäische Bankensystem so labil. Die Institute konnten nicht einheitliche, sichere Papiere kaufen, sondern haben griechische, italienische oder spanische Papiere gekauft, und immer wenn ein Staat in Probleme geriet, taumelten auch die Banken. Hätte man durch gemeinsame Anleihen einheitliche Reserven gebildet, stünde die Euro-Zone heute viel besser da. Nun haben wir dieses schreckliche Geflecht aus staatlichen Problemen und Bankenschieflagen.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann spricht sich heute dafür aus, den Teufelskreis zwischen Banken und Staaten zu durchbrechen.
Es ist zu spät. Das ganze System wird früher oder später zusammenbrechen.
Wann kommt der Kollaps?
Die Wirtschaft der Euro-Zone befindet sich allen Zahlen zum Trotz noch in der Rezession, selbst in den USA erleben wir lediglich eine kleine Erholung nach der Finanzkrise von 2008. Noch immer stehen viele Büros leer. Die Rallye an den Aktienmärkten übertüncht die wirkliche Lage der realen Ökonomie aber nur. Denn alle wollen ihr Geld sichern.
Und nun?
Es gibt nichts mehr, wo man sein Geld guten Gewissens reinstecken kann. Vielleicht wird es in Amerika nach dem Platzen der Staatsanleihenblase noch mal die Möglichkeit geben, nach einem Rücksetzer bei Aktien, einzusteigen. Aber auch dann ist irgendwann Schluss.
Was sagt Ihr Modell?
Der große Crash wird kommen. 2017 oder 2018.