Zitat von
Suppenkasper
Dem kann ich nur zustimmen.
Ich will versuchen deine Fragen so kurz und unaufgeregt wie möglich zu beantworten. Jeder einzelne der von Dir angesprochenen Themenkomplexe ist vielschichtig und erfordert zum richtigen Verständnis eine ausführliche, und - was angesichts der Erreichbarkeit von relevanter und zuverlässiger Literatur, nicht obskuren Internetquellen, hierzulande schwierig ist - möglichst vorurteilsfreie Beschäftigung mit dem Thema.
Rassengesetze: gab es selbstverständlich, wie in zahllosen anderen Staaten, nicht zuletzt den USA zu dieser Zeit, und auch viel später noch, ebenfalls. Die Rassenfrage war natürlich eines der zentralen Themen des Nationalsozialismus, das abzustreiten wäre widersinnig und in höchstem Maße unredlich. Die Nationalsozialisten waren aber, im Gegensatz zu dem propagandistisch zur Unkenntlichket verzerrten Schmonzes der nach dem Zweiten Weltkrieg propagiert wurde, keine dezidierten Rassisten, sondern vielmehr Ethnozentristen. Ihr Ziel war nicht die Unterdrückung oder gar Ausrottung anderer Rassen, sondern die Reinhaltung und möglichst auch Verbesserung des eigenen genetischen Erbes. "Germany first", in dieser wie auch in jeder anderen Hinsicht. Was andere Völker untereinander trieben war ihnen im Grunde genommen weitgehend gleichgültig. Wer sich mit der nationalsozialistischen Rassenlehre aufgrund von Origalschriften aus der Zeit beschäftigt wird sehr schnell merken, dass ihnen beispielsweise selbstverständlich vollkommen bewusst war, dass "die Deutschen" keine Rasse sind (eine absurde Behauptung) sondern ein Mischvolk, dessen von den Nationalsozialisten als am wertvollsten betrachtete nordische Komponente möglichst gefördert werden sollte. Die Gesetze die sich explizit gegen die Juden richteten waren nun allerdings nicht nur durch die Rassenfrage, sondern vor allem auch durch die als zersetzend empfundene Wirkung der Juden auf die deutsche Volkgemeinschaft, die deutsche Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur motiviert.
Die Bücherverbrennungen waren ein einmaliger propagandistischer Zinnober, der am 10. Mai 1933 auf Initiative der deutschen Studentenschaft stattfand. Selbst führende NS-Propagandaleute betrachteten sie als eine große Dummheit. Bücherverbrennungen gab es bereits im China des dritten Jahrhunderts vor Christus, sie fanden und finden auch heute noch in großem Ausmaß weltweit immer wieder statt. Warum gerade diese, die nicht einmal von oberster Stelle angeordnet wurde, daher so aus dem historischen Kontext gerissen wird, das kannst du dir an den 5 Fingern deiner rechten Hand abzählen.
Enteignungen gab es nur in sehr geringem Ausmaß vor dem Zweiten Weltkrieg. Es wurden gewisse Vermögen eingezogen, die nach Meinung der Nationalsozialisten unredlich und zum Schaden des deutschen Volkes erworben worden waren.
Deportationen gab es selbstverständlich auch. In welchem Umfang und zu welchem Zweck, das hier näher zu diskutieren verbietet mir ein sattsam bekannter Paragraph und ich kann also dazu nicht mehr sagen als: es gab sie, natürlich, niemand bestreitet das.
Lager ebenso. Siehe oben. Konzentrationslager gab es vor, während und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg allerdings auch betrieben von u. A. von den USA, Sowjetrußland, Japan, China, Polen, der Tschechoslowakei, Jugoslawien und vielen anderen Nationen. Das Vorhandensein von Konzentrationslagern allein ist also zunächst einmal ein zu dieser Zeit für praktisch alle kriegführenden Großmächte zutreffendes Charakteristikum, und keineswegs eine deutsche Erfindung oder ein deutsches Spezifikum. Diese Frage im Detail zu diskutieren ist mir wiederum aufgrund der Rechtslage nicht gestattet.
Zwangsarbeit: insbesondere Juden und Kriegsgefangene wurden zur Zwangsarbeit herangezogen, da praktisch alle wehrfähigen Männer an den Fronten vom Nordkap bis zum Schwarzen meer kämpfen mussten. das war eine von allen der großen kriegsführenden Mächte angewandte, und von den Siegermächten nach dem Krieg geradezu perfektionierte Sache, in der Deutschland ebenfalls in keinster Weise ein "Alleinstellungsmerkmal" besitzt. Hohe Mortalitätsraten unter den zwangsarbeitern sind insbesondere in den letzten Kriegsmonaten zu verzeichnen, als die Infrastruktur des reiches weitgehend zusammenbrach und die versorgungslage, auch der deutschen Zivilbevölkerung, immer katastrophaler wurde. Auch der Krankheiten wurde man nicht mehr Herr.
Ermordungen: Ein heikles Thema. ich formuliere es unverdächtig so: in einem Krieg von solchem Ausmaß, wie es der Zweite Weltkrieg als größter bewaffneter konflikt der Menschheitsgeschichte nun einmal zwangsläufig hatte, ist es völlig unmöglich, dass irgendeine der kriegführenden Großmächte sich nicht irgendwann irgendwo die Finger schmutzig gemacht hat. Es gab insbesondere Vergeltungsaktionen gegenüber Partisanen in Frankreich, der Tschechei (einmalig) und vor allem auf dem Balkan, in Polen, der Sowjetunion und in Griechenland. Es gab den Kommissarbefehl von 1941, der aber bereits 1942 wieder ausgesetzt wurde, erstens weil hohe Wehrmachtsoffiziere dagegen protestierten, zweitens weil er die deutsche Autorität und die initialen Sympathien für die deutschen an der Ostfront untergrub und man Vergeltungsmaßnahmen der roten Armee gegen deutsche Kriegsgefangene keinen zusätzlichen Nährboden mehr liefern wollte. Tatsächlich aktenkundig nachgewiesen sind im Zusammenhang mit dem Kommissarbefehl meines Wissens nach knapp über 3000 Exekutionen, von Massenmord kann hier also keine Rede sein, der Rest ist wohl nichts als alliierte und sowjetbolschewistische Greulepropaganda. Zu den Juden äußere ich mich nicht, siehe oben.
Krieg: selbstverständlich, hier empfehle ich als Einstiegslektüre das immer noch unübertroffene Standardwerk von A. J. P. Taylor, seinerzeit Professor für Geschichte an der University of Oxford, England, und daher sicherlich ganz objektiv "unverdächtig" unangemessen für die Deutschen Partei zu ergreifen, "The origins of the Second World war", erstmals 1961 erscheinen. Taylor stellt in unübertroffener Meisterschaft die komplexe Lage in Europa 1939 dar. Sein Resultat ist simpel auf die Formel zu bringen: es gab keinen großangelegten Plan eines deutschen Weltkriegs, der Krieg gegen Polen wurde von Deutschland nicht von langer Hand geplant, geschweige denn ein Weltkrieg. Deutschland agierte in diesem fall "opportunistisch", da sich durch den Molotow-Ribbentrop-Pakt die gefahr eines Zwei-Fronten-Krieges erledigt hatte und man nicht damit rechnete, dass die Westmächte bis zum äußersten Kämpfen würden. Der polenfeldzug war nicht aufgrund einer lange vorher geplanten Strategie zustande gekommen. Frei davon Deutschland von jeder schuld frei zu sprechen beleuchtet Taylor auch intensiv die Politik Polens, Englands, Frankreichs, Italiens und der Sowjetunion im Detail und kommt zu dem Schluss dass der "Krieg um Danzig", wie er ihn treffend nennt, in letzter Konsequenz viele Väter hatte.