Ich bin der Meinung, dass die Esskultur, sofern es denn eine gab (die war ja eher erzwungenermaßen), so sehr gelitten hat, dass der Großteil gar nicht mehr in der Lage ist, sich vernünftig zu ernähren.
Es setzt nämlich ein paar Dinge voraus. Bewusstsein für das Essen, Zeit für das Essen, Genuss beim Essen.
Das Essen wurde genauso entwertet wie viele anderen Luxusgüter der früheren Zeit dadurch, dass es austauschbar werden soll. Es ist einfach nur eine Bedürfnisbefriedigung um nicht tot umzufallen.
Früher hatte man nichts und hat aus wenig eine Mahlzeit zubereitet. Heute hätte man alles zur Verfügung, und das auch noch erschwinglich, und kauft sich Fertigfraß, bei welchem auch sozusagen alles drin ist. Bis auf das Nahrhafte. Das wird weggelassen, vermindert sowieso nur den Geschmack. Es muss alles schnell-schnell gehen, kein Genuss, keine Befriedigung. Die soll immer nur durch Neues ausgetauscht werden. Die NEUE Limonade. Der NEUE Tee. Die NEUEN Geschmacksverstärker. Hauptsache neu.Endorphine durch Gruppenzwang und dem Konsum.
Durch diesen ganzen Fertigkram isst und trinkt man dann auch genau das, was man ansich gesundheitlich gar nicht will. Industrie-Weißer-Zucker. Geschältes, Weißes Weizenmehl. Palmöl in jedem Schwachsinn. Aromastoffe und Geschmacksverstärker (z.T. natürliche) damit es wenigstens nach etwas schmeckt.
Denn: Wer hat denn Zeit das ganze zu kochen? Keiner nimmt sie sich, andere Dinge sind wichtiger. Fernseher, Computer, Smartphone, mit Freunden betrinken, Fitness-Center (wie ironisch, oder wars isotonisch?), Fußball GUCKEN. Tja, wie soll man da nach der Arbeit noch vernünftig kochen? Also, Dose auf, rein in die Schüssel und Mikrowelle an.
Noch nichtmals Kartoffelpuffer, Bratkartoffeln, geröstete Zwiebeln kann man mehr selber machen. Oder Schokoladenpudding. Nein, alles fertig, reinkippen (in Topf und Schlund) und weg damit. Runterspülen mit einem "Sportgetränk" mit sinnlosen Aromen und Zucker. Sicher sehr sportlich.... Aber wenn "Active" draufsteht und es 3 Euro der Liter kostet MUSS es doch gut sein, oder?
Diesen "Gourmets" begegne ich tagtäglich, die mir dann erklären, was gesund ist, und dass mein Rinderbraten ja sowas von ökoschädlich ist. Die haben auch keinen Kühlschrank, der Balkon reicht im Winter und im Sommer geht man halt jeden Tag einkaufen. Keine Wurst, zuviel Salz. Dafür dann Sojasauce (Salzreduziert!).
Ich kann gar nicht soviel essen wie ich kotzen möchte. Jeder muss auch alleine essen, zusammen? Nein, nur schlingen. In 15-30 Minuten mittags in der Mittagspause. Muss alles reingespachtelt werden.
Dieser Verlust von Lebensqualität wird gar nicht bewusst wahrgenommen. Ist schon normal. In. Hip. Von mir aus bleib ich da altmodisch. Retro. Flexitarier (der Arier liegt mir im Blut?).
Geschmacksknospen eingelaufen. Hauptsache Mainstream. Warum und wieso? Egal. Mitmachen. Über die Fleischfresser meckern und sich ein RedBull aufmachen.
Schade. Früher wusste man, wie man kocht und es war immer lecker. Mit wenig Gewürzen und wenig Gemüse/Obst, noch weniger Fleisch. Schade drum.
Da kann man noch soviel Sport machen in nem Fitness-Center. Man is(s)t und bleibt eine Wurst!