Zitat von
Würfelqualle
Wie eine Frankurter Dozentin Alltagsrassismus erlebt
"Sie sprechen aber gut Deutsch!"
Wie lebt es sich in Frankfurt (Oder), wenn man keine weiße Hautfabe hat? Eine Frage, die sich gerade jetzt stellt - ein Jahr nachdem der Afro-Amerikaner George Floyd in den USA von einem Polizisten getötet wurde. Eine Dozentin gibt Einblick.
Corinna Kleinke lehrt Deutsch als Fremdsprache, bringt also zum Beispiel polnischen Polizisten oder Studenten bei, was sie selbst als Muttersprache spricht. Dass ihr das mit der Muttersprache oft nicht geglaubt wird, ist nervig, sagt sie - besonders wenn die Zusatzfrage komme, wo sie denn ursprünglich, also eigentlich herkomme. Es sei ihr unangenehm, wenn man sich erst wenig kenne und gleich auf ihre Herkunft angesprochen werde, sagt Kleinke. "Ich würde beispielsweise auch niemanden im Rollstuhl ansprechen: 'Nun erzähl mir mal, warum Du im Rollstuhl gelandet bist.' Das ist ein stückweit übergriffig und zu intim."
Corinna Kleinke berichtet in diesem Zusammenhang von einem Baumarkt-Besuch. Sie hat etwas gekauft, lädt es in ihr Auto ein. Plötzlich sei ein Mann auf die Dozentin zugekommen, und habe gefragt, ob das alles klappe, schildert Kleinke die Situation. Sie habe entgegnet, dass alles seine Ordnung habe. "Dann sagte er zu mir, dass ich gut Deutsch spreche. Weil ich gerade einen guten Tag hatte, sagte ich zu ihm, dass er das auch gut könne. Er ging kurz in sich und entschuldigte sich, dass er ganz schön übergriffig war", erklärt Kleinke.
In Polen keinen Alltagsrassismus erlebt
In der DDR hat sie Lehrerin studiert. Später arbeitete sie eine zeitweise in der Frankfurter Stadtverwaltung, lehrte in Oldenburg an der Universität und kam schließlich ans Collegium Polonicum nach Slubice. Sie spricht Russisch, Englisch und - seit sie in Polen arbeitet - auch ein wenig Polnisch. Alltagsrassismus, erzählt sie, habe sie auf polnischer Seite noch nie erlebt. "Vielleicht liegt es auch daran, dass ich Polnisch spreche. Das weiß ich nicht genau, kann es mir aber gut vorstellen", sagt Kleinke. "Und vielleicht liegt es auch an einer anderen Erziehung. Ich weiß es nicht."
In Rüdersdorf ganz normal aufgewachsen
Ihr biologischer Vater, wie sie ihn nennt, kam Anfang der 1960er Jahre als Student in die DDR. Nach dem Studium ging er zurück nach Kamerun, Corinna Kleinke blieb bei ihrer Mutter in Rüdersdorf (Märkisch-Oderland). "Und da kannte mich jeder." Es hätte dort niemand nach ihrer Herkunft gefragt, sagt sie. Da sei immer sofort klar gewesen, dass sie von dem und dem sei, dass sie natürlich Deutsch und all das könne.
Und sie habe sich auch nicht so viele Gedanken gemacht, um das, weil für sie immer ganz klar war: dass sie hier erzogen, groß und sozialisiert wurde. "Da fragt man sich nicht jeden Morgen vor dem Spiegel: Oh Mensch, du siehst ja heute anders aus. Da musst Du Dich mal vorbereiten, dass du eine komische Frage bekommst oder so", sagt Kleinke.
Repekt hat auch was mit Sprache zu tun
Corinna Kleinke ist neben ihrer Dozententätigkeit politisch in der SPD aktiv. Sie ist überzeugt, dass Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft kommt und längst kein Problem mehr am rechten oder linken Rand ist. Es beginne mit dem, was man sagt, und ende mit Gewalt, wie vor einem Jahr beim Tod des Afroamerikaners Georg Floyd, sagt sie.
Es sei "gut darüber nachzudenken, wie man spricht". Diskussionen über Sprache und Begriffe seien nicht neu, würden jetzt aber intensiver geführt, meint Kleinke. "Wir haben aktuell vielleicht das Problem, dass ganz viele Sachen salonfähig sind, die man sich vorher gar nicht getraut hat zu denken. Und ich finde, das hat auch was mit Respekt zu tun, dass ich die richtigen Worte finde."
Mit Blick auf die Bewegung "Black lives matter" sagt sie, dass es eine Sensibilität für diesen Themenkreis hierzulande schon länger gebe - was das Nachdenken und das Sprechen darüber angehe. "Durch George Floyd ist das vielleicht noch einmal auf eine andere Ebene gehoben worden", so Kleinke. Es sei deutlicher geworden, "dass es das nicht nur weit weg in den USA gibt, sondern dass wir damit zu tun haben".
Quelle : Antenne Brandenburg