Lehrergeständnis "Ich gebe nur noch gute Noten"
Ist es gerecht, Schülern die Zukunft zu verbauen, weil Lehrer ihnen schlechte Noten geben? Das hat sich eine Lehrerin gefragt - und entschieden: Bei ihr besteht jeder das Abitur.
"Vor zwei Jahren hatte ich einen Schüler in meiner Lerngruppe - nennen wir ihn Tarik - der das Schuljahr wiederholen musste, weil er durchs Abi gefallen war. In einer Übungsstunde vor der letzten Abiturprüfung ahnte Tarik, dass es wieder eng werden würde und war besorgt: 'Wenn ich es jetzt wieder nicht schaffe, werden meine Eltern das nicht verkraften, sie werden mich nicht mehr akzeptieren und rauswerfen. Ich hab Angst, dass ich in ein Loch falle und nicht rauskomme, dass ich kriminell werde...'
Wir redeten damals lange miteinander, und ich erfuhr viel über die familiäre Situation des Schülers. Seine Familie kam vor gut zehn Jahren aus einem Kriegsgebiet nach Deutschland. Tariks Vater ist nach einem Unfall im Heimatland arbeitsunfähig geworden und daher unterstützt Tarik als Ältester von fünf Geschwistern die Familie finanziell.
Er begleitet seine Eltern und Geschwister auch zu Amts- und Arztbesuchen, um sie sprachlich zu unterstützen. In den vergangenen Monaten stand Tarik seiner Mutter bei, weil sie sehr unter dem Tod ihrer Mutter litt.
Im Kulturkreis seiner Familie ist es undenkbar, das Abitur nicht zu schaffen. 'Ich setze mich gerade zu sehr unter Druck und kriege gar nichts mehr hin in den Prüfungen', sagte Tarik. Ich spürte, dass er am Ende seiner Kräfte war.