Islamische Welt
Fast alle islamisch geprägten Staaten haben im Laufe ihrer Geschichte seit 1948 Menschenrechtserklärungen unterzeichnet oder eigene verfasst. Im Unterschied zu den westlichen, humanistisch geprägten Erklärungen bildet in vielen islamischen Ländern jedoch die Schari’a das Fundament der Rechtsordnung, so in der Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam von 1990. Die Bindung von Menschenrechten an ausschließlich muslimische Glaubensvorstellungen bringt es mit sich, dass es einen allgemeinen Rechtsschutz für alle Menschen in den meisten islamischen Ländern nicht gibt.
Die Länder, in denen Christen am meisten verfolgt werden, sind mehrheitlich Staaten, in denen der Islam die Religion der Mehrheitsbevölkerung ist. Laut Weltverfolgungsindex 2012 befinden sich unter den zehn Staaten, in denen Christen den größten Verfolgungen ausgesetzt sind, neun islamisch geprägte Länder (Afghanistan, Saudi-Arabien, Somalia, Iran, Malediven, Usbekistan, Jemen, Irak und Pakistan).[5][31] Insgesamt befinden sich unter den fünfzig indexierten Staaten 38 islamische Länder.[5] In Ländern wie Saudi-Arabien, Iran, Somalia, den Malediven, Jemen und Afghanistan ist der Islam Staatsreligion.[32] Die Türkei, die sich als laizistischer Staat versteht, erkennt viele Christengemeinden nicht als juristische Person an und verbietet ihnen die Rechte einer Vereinigung (Besitz von Bankkonten oder Immobilien) und die Ausbildung von Priestern. Die vor allem orthodoxen und katholischen Christen in der Türkei leben mit regelmäßigen, auch körperlichen Angriffen.[33] Bundespräsident Christian Wulff wies bei einem Staatsbesuch im Oktober 2010 darauf hin, dass Religionsfreiheit ein Menschenrecht ist, und traf Vertreter der christlichen Minderheiten.[34]
2006 gab es anlässlich des „Karikaturenstreites“ und des Regensburger Zitats von Benedikt XVI. zudem in Pakistan und den Palästinensergebieten Übergriffe auf Einrichtungen westlicher Länder sowie einzelne Übergriffe auf Kirchen und Christen.[35] Nach dem Anschlag auf koptische Christen im ägyptischen Alexandria Anfang 2011 forderte Benedikt XVI. die Regierungen der Staaten des Nahen Ostens dazu auf, die Christen besser zu schützen. Das Außenministerium in Kairo wertete die Bemerkungen des Papstes über die Situation der Christen in Ägypten als eine inakzeptable „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ des Landes.[36]
Indonesien nimmt im Weltverfolgungsindex 2014 die 47. Stelle ein. Gegenüber den Vorjahren haben sich die Angriffe auf Christen mehr als verdoppelt. Indonesien gehört daher zu den Staaten, in denen sich die Lage der Christen in den vergangenen Jahren bedeutend verschlechtert hat.[37][38][39] In der indonesischen Provinz Aceh haben die Behörden die Christen 2012 aufgefordert, ihre Kirchen wieder abzubrechen.[40] Teils werden auch Kirchen von Moslems abgerissen, obwohl eine Baugenehmigung vorlag.
Der einzige Staat mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung, in dem es überhaupt keine Diskriminierung aus religiösen Gründen gebe, ist nach Einschätzung der Islamwissenschaftlerin Rita Breuer Gambia. Grund hierfür sei die säkulare Verfassung des Staates. Es gebe aber natürlich auch andere Länder, wo ein liberalerer Islam gelebt wird oder die Herrscher Christen als Allianzpartner gegen den Islamismus ansehen, etwa Jordanien oder Marokko.[41]
Syrien
In Syrien lebten vor 2011 etwa 1,1 Millionen Christen. Seit Beginn der Konflikte im gleichen Jahr bis zum März 2015 flohen Schätzungen zufolge 700.000 von ihnen, darunter aus Aleppo etwa 30.000 und aus Homs etwa 10.000 Christen. In den 35 assyrischen Dörfern entlang des Chabur im Nordosten lebten nach Angaben des Archimandriten Emanuel Youkhana am 27. Februar 2015 keine Christen mehr. Zuvor berichtete er, die arabisch-sunnitische Bevölkerung in der Nähe des Dorfes Hassake habe in Einzelfällen Solidarität mit Christen gezeigt. In der Region Idlib im Nordwesten Syriens versuchten Christen ebenfalls zu fliehen und wurden in Einzelfällen auf ihrer Flucht auch von islamistischen Kämpfern unterstützt, etwa indem 20 Familien zur türkischen Grenze geleitet worden seien.[42][43] In den letzten Monaten kamen bei Angriffen oder Anschlägen des Islamischen Staats viele Angehörige der assyrisch-christlichen Minderheit um oder wurden in Geiselhaft genommen, wobei Frauen und Kinder teils wieder freigelassen wurden. Viele ihrer Bauwerke, darunter auch Kirchen, wurden inzwischen zerstört.[44]
Ägypten
In Ägypten sind die christlichen Kopten zwar offiziell akzeptiert, in der Praxis jedoch oft Angriffen aus der Bevölkerung ausgesetzt, gegen die sie beim Staat kaum Schutz finden und die vom Staat auch kaum bestraft werden. Die Konversion von Muslimen zum Christentum wird durch rechtliche Hürden und Schikanen der Behörden beim Eintrag der Religion in die Personalpapiere erschwert. Der Fall Mohammed Hegazy ist ein bekanntes Beispiel dieser Praxis.
Nach Bekanntwerden der „Massenhinrichtungen“ (Human Rights Watch) an über 1000 Teilnehmern von zwei gegen den Militärputsch vom 3. Juli 2013 gerichteten Pro-Mursi-Protestlagern in Kairo am 14. August 2013 („Rabia-Massaker“) durch das militärgestützte Postputschregime gingen Islamisten gewaltsam gegen christliche Kirchen und christlichen Besitz in Ägypten vor, wobei es am 14. und 15. August 2013 in Al-Minya und im Großraum Kairo zu insgesamt mindestens vier Toten kam. Amnesty International identifizierte für einige dieser Vorfälle als Täter Pro-Mursi-Gruppen, also Unterstützer des ersten aus freien Wahlen hervorgegangenen, aber vom Militär gestürzten Präsidenten Ägyptens, Mohammed Mursi.[45][46][47][48][49]
Afghanistan
In Afghanistan kann der Übertritt vom Islam zum Christentum mit der Todesstrafe bestraft werden. Das dort geltende Recht ist allerdings nicht eindeutig. Eine Klage gegen Abdul Rahman wurde wegen Formfehlern abgewiesen.
Irak
Etwa 1,5 Millionen Christen gehörten zur irakischen Bevölkerung[50] und der gezielte Terror gegen Christen, sowohl in Bagdad als auch in Mossul, wurde von Tilman Zülch von der Gesellschaft für bedrohte Völker 2007 als „größte Christenvertreibung der Gegenwart“ bezeichnet.[51] Seit 2003 haben nach der SonntagsZeitung die Hälfte der 1,3 Millionen Christen im Irak das Land verlassen, nach CNN sogar eine Million.[52][53] Im Januar 2008 wurden Bomben in Kirchen und christlichen Einrichtungen gelegt.[54] Der chaldäische Erzbischof von Mossul, Paulos Faraj Rahho, starb im März 2008 in der Gefangenschaft von Entführern, weitere christliche Geistliche wurden entführt und ermordet. Ende September 2008 kam es in Mossul zu einer neuen Welle von Angriffen, wobei innerhalb von zwei Wochen mindestens 14 Christen getötet wurden und Zehntausende die Flucht ergriffen.[53]
Nachdem 2014 die ISIS die Stadt Mossul unter ihre Kontrolle gebracht hatte, wurden die christlichen Einwohner gezwungen, die Stadt zu verlassen oder zum Islam überzutreten, um nicht ihr Leben zu verlieren. Daraufhin verließen die noch verbliebenen 25.000–35.000 Christen die Stadt.[55][56] Kampfverbände von Christen entstanden 2014 und sind teilweise unter sich zerstritten, je nachdem, mit welcher anderen Miliz sie sich zusammentun.[50] Nach Einschätzung des Leiters des Auslandsbüros Jordanien der Konrad-Adenauer-Stiftung, Otmar Oehring, geht der IS seither „absolut willkürlich“ mit der christlichen Minderheit um und seit 2014 seien rund 100.000 Christen aus der Ninive-Ebene in die Autonome Region Kurdistan, nach Erbil, Dohuk und Zakho geflüchtet. Christliche Milizionäre hätten zum Beispiel mit Peschmerga gemeinsam gekämpft, um Bakhdida (Qarakosch) und andere vormals von Christen besiedelte Orte zurückzuerobern.[42]
Iran
Im Iran steht auf den Übertritt vom Islam zum Christentum die Todesstrafe. Das iranische Parlament verabschiedete am 9. September 2008 ein Gesetz, das zwingend die Todesstrafe für Apostasie vorsieht. Das Gesetz wurde mit 196 Ja-Stimmen, sieben Gegenstimmen und zwei Enthaltungen angenommen. Zwei Iraner, Mahmood Matin Azad (52) und Arash Basirat (44), wurden 2008 wegen Apostasie angeklagt und waren einige Monate in Haft. Sie bestritten den Übertritt, die Anklage wurde als unbewiesen zurückgewiesen.[57] Yousef Nadarkhani, der bereits mit 19 Jahren vom Islam zum evangelischen Christentum konvertierte, war seit 2009 in Gefangenschaft und wartete auf die Hinrichtung.[58] Im September 2012 wurde er nach internationalen Protesten freigelassen.
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