Zitat von
Differentialgeometer
Genau. Mein Punkt war, dass der negative Zins an sich erstmal kein Problem darstellt; in älteren Büchern zur Finanzmathematik wurde es immer so dargestellt, dass
a. Staaten nicht pleite gehen können, weil die sich ja beliebig Geld drucken können (höhöhö, fragen wir mal Argentinien, was die dazu sagen); d.h. Goverment Bonds risikofrei sind.
b. Zins, als Preis des Geldes, nie negativ sein kann, weswegen man ihn immer log-normalen stochastischen Prozess (d.h. als dZ/Z=µ dt + vdW) modelliert hat.
c. Es eine Zinskurve gibt, die zum diskontieren bzw. zum Berechnen der Fowardraten genommen wird. Das ist auch falsch, spätestens seit der Krise: es gibt es ja nach Tenor spezifische Kurven (ergibt ja auch Sinn; es sollte weniger risikoreich sein, wenn ich jmd. für 3Monate Geld leihe, als wenn ich es ihm für 6Monate leihe) und als "risk-free" gelten heute nicht mehr staatl. Anleihen, sondern die Overnight-Rate der jeweiligen Währung.
Was Dr. Krall anspricht (toller Vortrag übrigens, wenn auch mit sehr pessimistischem Unterton) ist die globale politische sowie ökonomische Gemengelage, in der Banken ihrem eigentlichen Zweck nicht nachkommen: Eine der drei Hauptaufgaben, die einer Bank in einem Wirtschaftssystem zukommen ist die sog. Fristentransformation. Vereinfacht: die Bank leiht sich Geld oder bekommt es durch Einlagen der Sparer kurzfristig und finanziert damit langfristige Kredite. Das funktioniert vor allem dann, wenn man hintenraus mehr verdient als am kurzen Ende, denn sonst trägt man ja ein größeres Risiko, ohne dafür kompensiert zu werden. Eine invertierte Zinsstrukturcurve (engl. Yield curve) ist außerdem ein drohendes Anzeichen einer Rezession (es war letzte Woche in den Medien, dass die Differenz zwischen 10Y und 2Y negativ wurde, es also zur inversehen Kurven kommen könnte, und damit zur Rezession).
Zusätzlich haben die Banken ihre Kostenanpassung verschlafen und können so nicht die üblichen Gewinnen einfahren; man stürzt sich daher auf die wenig verbliebenen Geschäftsfelder, wo noch Rendite ist, bzw. war, denn da das alle tun, schrumpfen wiederum die Gewinnmargen....
Addendum: die Amerikaner haben ja mit einer ähnlichen Politik wieder den Karren aus dem Dreck gezogen. Die Japaner dagegen versuchen seit knapp 30 jahren mit Quantitative Easing ihre Wirtschaft in Schwung zu bringen, jedoch ohne Erfolg. Aufgrund dessen sehe ich es nicht ganz so schwarz wie Dr. Krall, sondern irgendwo bei fifty fifty