Ein Axiom unserer Tage lautet, der Nationalismus, der historische, welcher unpräzise oft im Gleichklang und im selben Atemzug mit dem Imperialismus wirkte, wobei Letzgenannter bekanntlich noch höchst aktuell die Politik bestimmt, nur das er Heute nicht mehr einzig als Soldat, sondern auch wieder als Missionar, verkleidet als Regisseur oder Musikproduzent oder Journalist ungebeten anklopft; sei zerstörerischer als alles je dagewesene, habe Europa in ein Trümmerfeld verwandelt und nachhaltig so geschwächt, dass seine Vormachtstellung in der Welt für immer passé war. Vor allem deutsche Politiker, von der Dummheit ihrer Landsleute zurecht überzeugt, mahnen immer wieder vor einem Nationalismus, der Europa wieder ins Elend stürzt. Möchte mich auf jenen Nationalismus beschränken und mit der heißen Nadel gestrickt ein paar halbgare, auch kontrafaktische Hypothesen und Fragen aufstellen. Dies ist ja ein Diskussions- kein Wissenschaftsforum, Uni ist schon lange vorbei und ein Wälzen der Schriften daher kaum möglich und auch nicht angestrebt. Quasi ein -mag diesen Anglizismus auch nicht- brainstorming. Alle Kriege sind selbstredend Kriege um Machtzuwachs, aber Nationalismus oder Religion sind in gänzlich anderen Kategorien unterwegs, da sie die Legitimation für den Krieg liefern
Hypothesen:
-Der Nationalismus war nie und nimmer ursächlich für die Industrialisierung und nur nachrangig bei der immer effektiveren Durchdringung der Zentralgewalt, sowohl bei seinen klassischen Aufgaben, noch aus dem Absolutismus stammend, als auch bei der Erziehung, Bildung, Kultur in immer stärkeren Maße. Vorher nur der Elite angediehen, nun dem gesamten Staatsvolk zukommend.
-Die Urgewalt der Weltkriege mit 60 Millionen Toten lag nicht in der Natur des Nationalismus, sondern in den Möglichkeiten moderner Industriestaaten, ganze Völker zu mobilisieren; die Kriege des Mittelalters, von ein paar alten europäischen Familienhäuptern nach weit mehr Gutdünken und Irrationalität geführt, wären ebenso blutig verlaufen, hätte damals bereits diese Mobilisierung der Massen und der Wirtschaft bestanden und die europäische Gesamtbevölkerung im Jahre 1200 derjenigen 700 Jahre später entsprochen
-Die meisten Kriege im Zeitalter des Nationalismus waren vergl. mit früheren Epochen sehr kurz und mit moderaten Menschenverlusten verbunden, denken wir etwa an 1859, 1864, 1866, 1870, 1877/78, 1905, 1912/1913. Eine Ausnahme bildet nur der auch religiös verbrämte Krimkrieg mit wohl einer halben Millionen Toten. Hier gilt aber zu bedenken, dass wenn Großmächte eine große Armee nach Russland, Asien schickten, dies immer zu unwägbaren Friktionen und meist blutigsten Verlusten führte; nicht umsonst galt den Amerikanern im Pazifikkrieg die Doktrin: Möglichste niemals Landtruppen ins Innere Asiens werfen
- Die Verluste der Europäer in den Weltkriegen lagen nicht am Nationalismus, sondern an dem System, welches die Europäer jahrhundertelang unter der Knute hielt; der englischem balance of power Politik; die nachäffende Festlandeuropäer törichterweise übernahmen, womit die Doktrin der Insulaner wiederum zum ungeschriebenen Gesetz wurde u. zur allgemeinen Anerkennung dieses Prinzips des Gleichgewichts der Kräfte führte, wonach denn bei jedem Großmachtkonflikt in Europa ein allgemeiner großer Krieg ausbrechen müsste. Diese tödliche Logik und die daraus folgenden Bündnisse und Blockbildungen haben die Kriege im Verbund mit mod. Technologie u. Administration zu Massenschlachtungen der Jugend ganzer Völker verkommen lassen. Konflikte zw. zwei Großmächten in Europa allein, hatten wenige Opfer zur Folge und wurden oftmals in zwei, drei Schlachten entschieden, wobei hier die Friedensbedingungen meist ziemlich sanft daherkamen. Größere Teile Europas einzuverleiben, direkt oder indirekt abhängig zu machen, war möglich bei entsprechender Machtfülle, wurde aber beinahe nur dann umgesetzt und gewissermaßen aufgezwungen, wenn die Engländer, später die Engländer mit der Drohung Amerika im Rücken, ihre Gleichgewichtspolitik durchsetzen wollten und selbst im schwächsten Zustande, theoretisch mit Subsidien an die Verbündeten und einem Wirtschaftskrieg , jahrelang ungefährdet in Ruhe eine Streitmacht aufbauen konnten
-Der Zweite Weltkrieg war ein Konflikt der drei Weltsysteme: Hier (wie teil. schon im Ersten) stellte man das politische System über die Nation. Und erst hier sehen wir wieder den Kreuzzugcharakter des Krieges mit Völkermorden, Vertreibungen, bomben und atomisieren ganzer Städte und Landschaften, den Willen zur totalen Vernichtung und die Unmöglichkeit, Kompromiss-Frieden zu schließen. Daher ist die Ideologie, die das jeweilige politische System verherrlicht, wesentlich brutaler und gefährlicher, als diejenige des Nationalismus
-Stelle zur Frage, ob der Nationalismus alteuropäischer Provenienz bellizistischer war, vergl. mit vorherigen Zeiten, als Fürsten und Könige Europas die Schlachtfelder bestimmten oder ob die westl. Demokratien in den letzten 70 Jahren, ohne nationalistischen Furor, weniger intervenierten oder Kriege indirekt entstehen oder ausweiten ließen
-Kriege, bei denen die Menschen religiöse oder systempolitische Loyalitäten hatten, waren immer grausamer, die Konflikte, bei dem die Autorität eines Königs maßgebend war, oder in vorsintflutlicher Epoche lokale Warlords der Stämme, waren zumindest nicht humaner als "nationalistische". Es brauchte bei dem dt. Flickenteppich der Fürsten auch 100 Jahre, allein um sich vom dreißigjährigen Krieg zu erholen, was natürlich hauptsächlich an den Möglichkeiten der Zeit lag. Aber nicht zuletzt ein damals schon in der Blühe stehender deutscher Zentralstaat mit nationalistischen Impetus, hätte die Langzeitfolgen erheblich abmildern können. 1945/46 12 Millionen Deutsche aus den Ostgebieten weitgehend problemlos aufzunehmen, wäre ohne nationalistisches Zeitalter, auch weit schwieriger geworden, wären diejenigen Landsleute im verbliebenen Altreichs-Gebiet mit einem System wie der Demokratie statt mit der Nation schwanger gewesen, aber dies nur anbei
-Historiker bezeichnen 1917/42 als die Epoche machenden Wendepunkte des Jahrhunderts, da hier die USA dem Krieg beitraten und zur künftigen Supermacht aufstiegen; diese Entwicklung war aber schon um 1900 irreversibel; ohne die Weltkriege hätte diese neue Wirklichkeit am Horizont auch stattgefunden, nur 25-50 Jahre später. Die Vormachtstellung der Europäer ging nicht ob des scheinbar nationalistischen Gezänks verloren
- In den Kolonien gab es grausige Massaker, Rassismus und Herrenmenschendünkel. Aber das stolze, nationalistische Europa hat in jener Zeit dort mehr für die Infrastruktur, Bildung und vor allem zu besseren Lebensbedingungen beigetragen, als es unsere westlichen und demokratische Staaten mit ihrem Humanitäts- und Menschlichkeitsgeschwurbel bis zum heutigen Tage auch nur in minimaler Dosis hinbekommen
-Ein nationalistisches Europa Heute und seit Ende des Zweiten Weltkrieges hätte uns ebenso Jahrzehnte des Friedens gebracht, da die Musik jenseits des Atlantiks gespielt wird und kleinliche Konflikte um ein paar Grenzgebiete dennoch aus der Zeit gefallen wären, denn Macht gewinnt man eben nicht mehr wirklich hinzu, mit einem schmalen Streifen von Dänemark (Kolding) mehr, wir wären den japanischen Weg gegangen, wie zwischen China und Japan hätte es vereinzelt diplomatische Konflikte gegeben, alsdann wären ebenso alle "Segnungen" Amerikas über uns gekommen, aber niemals würden wir unsere eigenen Völker mutwillig aus Hass auf das Eigene ausrotten.
Die feuchten Träume, mit der EU in der Zukunft als Weltmacht, die den USA Paroli bietet, zu bestehen, möchte ich dabei aus x-Gründen ins Reich der Fabeln verweisen. Dieser gefühlt von jedem Europäer gehasste EU-Moloch in Brüssel darf wirtschaftlich mitspielen, die Zukunft heißt aber weiterhin Washington plus Peking. Nichtmal hier hat die Abkehr vom Nationalismus etwas eingebracht. Denn ironischerweise ist es doch übrigens so, dass eine europäische Solidarität und Schicksalsverbundenheit sich nur dann zeigt, wenn sich rechtspopulistische Parteien oder patriotische Jugendbewegungen aus ganz Europa treffen! (IB)